Während der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda ist heute (25. September 2019) auch über die aktuelle Klimadebatte und die bevorstehende Außerordentliche Bischofssynode in Rom vom 6. bis 27. Oktober 2019 gesprochen worden. Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich mehrfach mit den Fragen von Klimawandel und Klimaschutz befasst. Die Bischofssynode unter dem Thema „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ wird diese und weitere, auch pastoraltheologische, Fragen erörtern. Sie ist eine Sonderversammlung von Bischöfen und Ordensvertretern aus Ländern der Amazonasregion im Vatikan, darunter die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen im Amazonasgebiet sowie weitere Bischöfe, Ordensleute und Experten.
Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen), Vorsitzender der Unterkommission für Lateinamerika (insbesondere Adveniat) der Deutschen Bischofskonferenz: " In wenigen Tagen beginnt im Vatikan die Amazonas-Synode. Gemeinsam mit Papst Franziskus legen wir den Fokus auf grundlegende und gravierende kirchliche und ökologische Herausforderungen und Entwicklungen, die dringend einer kritischen Bewertung und tragfähiger Problemlösungen bedürfen. Von der gebotenen und von Papst Franziskus immer wieder angemahnten Perspektivenverschiebung erhoffen wir uns neue Impulse für die ganze Kirche und unser gemeinsames Haus, wie Papst Franziskus die Schöpfung, unseren Planeten beschreibt.
Frische Luft und Trinkwasser verdanken wir weltweit zu einem wichtigen Teil dem Ökosystem Amazonas. Deshalb liegt der Schutz des Amazonasgebiets in der Verantwortung der gesamten Weltgemeinschaft. Das LateinamerikaHilfswerk Adveniat, dem ich als Bischof vorstehe, fordert deshalb eine vorrangige Option für die Schöpfung, für den Schutz unserer Erde, die die indigenen Menschen in Lateinamerika „Mutter Erde“ nennen. Diese Erweiterung der vorrangigen Option für die Armen und die Jugend, wie sie die lateinamerikanischen Bischöfe bei ihren Generalversammlungen 1968 und 1979 in Medellín und Puebla getroffen haben, ist die logische Folge der Aussage von Papst Franziskus, dass die Weltgemeinschaft vor einer umfassenden sozio-ökologischen Krise steht.
Raubbau an der Natur
Das Amazonasgebiet erscheint von hier aus weit weg. Wer einmal die Reise an den Amazonas oder einen seiner Nebenflüsse unternommen hat, der weiß, dass es Zeit braucht und durchaus anstrengend sein kann, bis man in den Dörfern der indigenen Ureinwohner ankommt. Doch die aktuellen Brände im Amazonasbecken zeigen uns, dass die Probleme dort sehr nahe bei uns sind: Für die Brandrodungen und die daraus resultierenden, inzwischen immensen Brände wie auch für die jahrzehntelange Zerstörung der ökologisch einzigartigen Regenwälder, zum Beispiel durch Holzeinschlag oder Erdölförderung, tragen wir eine Mitverantwortung.
Der Klimawandel, die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen, der Bau von Staudämmen und Wasserkraftwerken sowie gigantische Weideflächen, Soja-, Zuckerrohr- und Palmölplantagen zerstören die Lebenswelt der indigenen Völker. Im Tiefland von Ecuador zeigte mir der Bischof von Aguarico die Folgen der Erdölförderung am Río Napo, die den Regenwald zerstört, die Flüsse und das Grundwasser verseucht und die Einheimischen in neue Abhängigkeiten führt, nachdem die Kirche sie in den 1960er Jahren aus der Schuldknechtschaft der Großgrundbesitzer befreite.
Im amazonischen Tiefland Boliviens, im Apostolischen Vikariat Ñuflo de Chávez, berichtete man mir und anderen Mitgliedern unserer Bischöflichen Kommission Adveniat von Staudämmen, die im Regenwald ohne Anhörung der indigenen Bevölkerung gebaut werden, um Strom zu erzeugen, der dann nach Brasilien verkauft wird – mittels Stromleitungen quer durch den Urwald. Der Bischof von Pando in Bolivien, Monseñor Eugenio Coter, der in Bolivien die Arbeit des panamazonischen Netzwerks Repam koordiniert, nannte uns noch etliche andere Beispiele für den Raubbau an der Natur im amazonischen Tiefland Boliviens.
Am Amazonas bündeln sich die – für andere Kulturen tödlichen – Folgen unserer Art zu leben und zu wirtschaften. Papst Franziskus hat bereits in seiner Sozial- und Umweltenzyklika Laudato si’ die Systemfrage gestellt: „Die konsumistische Sicht des Menschen, die durch das Räderwerk der aktuellen globalisierten Wirtschaft angetrieben wird, neigt dazu, die Kulturen gleichförmig zu machen und die große kulturelle Vielfalt, die einen Schatz für die Menschheit darstellt, zu schwächen.“ (LS 144) Es muss deshalb eine neue soziale und solidarische Art des Wirtschaftens und eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur und den Menschen auf den Weg gebracht werden, wie es auch im Instrumentum laboris, dem Vorbereitungsdokument zur Amazonas-Synode heißt (IL 24).
Hilfen zur Vorbereitung der Amazonas-Synode
Die Vorbereitung der Amazonas-Synode fand mit tatkräftiger Unterstützung der Hilfswerke Misereor und Adveniat statt. Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat förderte zahlreiche vorsynodale Treffen vor Ort, an denen rund 85.000 Menschen teilgenommen haben. Dabei wurde deutlich: Es gibt grundlegende strukturelle Fragen, auf die die Kirche eine Antwort finden muss.
Der Priestermangel ist in der gesamten Kirche in Lateinamerika und der Karibik – insbesondere im Amazonasgebiet – ein noch viel drängenderes Problem als in Europa. Das lässt sich anhand eines Vergleichs verdeutlichen: In Europa beträgt das Verhältnis der Zahl der Priester zur Anzahl der Katholiken 1 zu 1.617, in Südamerika 1 zu 7.200. In den ländlichen Regionen des Subkontinents, insbesondere in Amazonien, ist die Zahl der Priester noch niedriger, die zudem weite und zeitraubende Strecken zurücklegen müssen, um zu den Gemeinden zu gelangen. Damit verbinden sich viele drängende Fragen, von denen die Frage nach der Möglichkeit der sonntäglichen Versammlung der Gläubigen zur Eucharistiefeier von besonderer Tragweite ist. Wenn im Amazonasgebiet ein Priester nur ein- oder zweimal pro Jahr in einer Gemeinde präsent sein kann, dann zeigt dies, dass die Kirche diese Menschen nicht allein lassen darf.
Die pastoralen Erfordernisse brauchen mutige Entscheidungen Zentral für eine Kirche mit amazonischem Gesicht ist der Wandel von einer „Besuchspastoral“ hin zu einer „Anwesenheitspastoral“, die die Menschen vor Ort in allen Lebenslagen wirksam begleiten kann. Derzeit und auf absehbare Zeit kann die Kirche gerade auch im Amazonasraum diese Aufgaben – wie die eben genannten Zahlen zeigen – flächendeckend nicht erfüllen. Zur Wahrung ihres Auftrags in dieser Region sind daher mutig neue Wege und Möglichkeiten der Pastoral zu suchen und zu vereinbaren, die der Evangelisierung dienen und das Glaubensleben der Menschen fördern.
Papst Franziskus hat die Kirche Lateinamerikas dazu aufgefordert, angesichts der genannten Probleme kreativ und ohne Tabus über Veränderungen nachzudenken und nach lokalen Lösungen zu suchen. Mit der Einberufung einer Amazonas-Synode folgt er seiner Überzeugung, dass eine „heilsame Dezentralisierung der Kirche“ regionale Lösungen findet, die auf die jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Herausforderungen antworten. Die Amazonas-Synode ist der Auftakt, eine globale Kirche mit lokalen Unterschieden zu entwickeln. Gemeinsam mit Papst Franziskus wird die Zuordnung von Einheit und Vielfalt in der Kirche neu durchbuchstabiert und ausgerichtet. "
Statement von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen), Vorsitzender der Unterkommission für Lateinamerika (insbesondere Adveniat) der Deutschen Bischofskonferenz, im Pressegespräch zum Thema „Aktuelle Fragen zur Amazonassynode und zur Klimadebatte“ zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 25. September 2019 in Fulda
Weiterführende Informationen zur Bischofsversammlung im Vatikan sind unter www.dbk.de auf der Themenseite „Amazonassynode 2019“ verfügbar.
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