Angesichts des Vormarsches populistischer Parteien und einer Polarisierung der politischen Debatte wollen Handwerk und Kirchen näher zusammenstehen. Dies war ein Ergebnis der Sitzung des Zentralen Besprechungskreises Kirche-Handwerk am 23./24. Januar 2020 in Köln. Traditionell treffen sich zum Jahresauftakt Repräsentanten der Handwerksorganisation und der Kirchen zum Austausch über aktuelle gesellschaftspolitische Fragen. „Wir wollen uns gemeinsam der inhaltlichen Debatte stellen, mit einer klaren Haltung für unser christliches Wertefundament und die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Gemeinwesens.“ erklärte Karl-Sebastian Schulte, Vorsitzender des Besprechungskreises Kirche-Handwerk und Geschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Rote Linien in der Debatte müssten klar abgesteckt werden, damit sie nicht zu „Rutschbahnen in den Extremismus“ würden.
Handwerk und Kirchen diskutieren über Herausforderungen in Politik und Gesellschaft
Angesichts einer sinkenden Wahlbeteiligung, steigender Politikverdrossenheit sowie gezielter Falschmeldungen forderte Gastrednerin Dr. Andrea Römmele, Professor of Communication in Politics and Civil Society, eine bessere Streitkultur und warnte, dass Demokratie nicht selbstverständlich sei. „Die politische Auseinandersetzung befindet sich in einer Krise“, so Römmele Fazit.
Auch über aktuelle wirtschaftspolitische Fragen wurde diskutiert. Hans Peter Wollseifer, Präsident des ZDH, wertete die von der Politik beschlossene Rückkehr zur Meisterpflicht in 12 Handwerksberufen als einen Riesenerfolg. Sie werde zu wieder mehr Qualität, mehr Ausbildung und mehr Verbraucherschutz beitragen. Vor allem aber sei sie „zugleich ein deutliches Zeichen einer stärkeren Wertschätzung für die berufliche Bildung und für unser weltweit geachtetes duales Ausbildungssystem“.
Das von Teilen der Politik geforderte Lieferkettengesetz beschäftigte ebenfalls die Sitzungsteilnehmer. Demnach sollen Unternehmen verpflichtet werden, in ihren globalen Lieferketten die Menschenrechte zu wahren, wenn freiwillige Ansätze nicht ausreichen. Wie Prälat Dr. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, feststellte, tendierten die Kirchen zu einem Lieferkettengesetz, doch dürfe „die Nachweispflicht nicht allein beim letzten Glied der Kette – beim Handwerker – liegen.“
Auch die katholische Kirche muss Antworten auf die Umbrüche in Kirche und Gesellschaft finden,“ stellte Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger aus der Erzdiözese München und Freising fest. So diskutieren die deutschen (Erz-)Diözesen schon seit einiger Zeit verschiedene Wege, um den veränderten Anforderungen an Pastoral und Seelsorge gerecht zu werden. Die (Erz-)Diözesen entwickeln dabei unterschiedliche Konzepte, um auf individuelle Bedürfnisse in den Gemeinden vor Ort zu reagieren. Überdies habe am 1. Advent 2019 der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland begonnen. Er soll der gemeinsamen Suche nach Schritten dienen, mit denen das christliche Zeugnis gestärkt werden kann.
Ulrich Vollmer, Bundessekretär des Kolpingwerks Deutschland, stellte die Arbeit des Kolpingwerks vor, das sich gemäß seines Leitbildes „Kolping – verantwortlich leben, solidarisch handeln“ unter anderem für junge Menschen und Familien engagiert und die Arbeitswelt mitgestaltet. So bietet z.B. das Kolping-Jugendwohnen Auszubildenden bezahlbaren Wohnraum fernab ihres Zuhauses. „Bei der Fortentwicklung der Angebote wissen wir das Handwerk gut an unserer Seite“, sagte Vollmer. Er regte eine gemeinsame Initiative an, um das Jugendwohnen für Auszubildende und seinen großen Wert in der Gesellschaft öffentlich noch bekannter zu machen. ZDH-Geschäftsführer Schulte bekräftigte: „Da Lernorte nicht immer in der Nähe sind, müssen junge Leute mobiler werden. Das Kolping-Jugendwohnen ist eine kluge Antwort darauf. Wir müssen gemeinsam die Weichen für mehr Investionen in solche Wohnformen stellen.“
Abgerundet wurde das Treffen durch eine Besichtigung des Kölner Doms mit Dombaumeister Peter Füssenich und einen Gottesdienst in der Minoritenkirche mit Pfarrer Josef Holtkotte, Bundespräses des Kolpingwerks Deutschland. Pfarrer Holtkotte erinnerte an das Zitat von Adolph Kolping „Die Zukunft gehört Gott und den Mutigen“ und forderte: „Glaube und Leben sollen eine Einheit bilden. Beides soll nicht voneinander getrennt werden, sondern der Glaube muss zum Alltag dazugehören.“
Als Ehrengast beim gemeinsamen Abendessen konnte der Besprechungskreis den Erzbischof von Köln begrüßen. Rainer Maria Kardinal Woelki betonte, dass das Handwerk und die Kirchen auf der Basis einer gemeinsamen Werteordnung handeln: „Beide investieren in die Menschen, ihre Bildung und Persönlichkeitsentwicklung.“ Er berichtete vom „Campus Kalk“, einem neuen Schulprojekt des Erzbistums, das mit einer ganzheitlichen Vernetzung junge Menschen vom Kindergarten bis in den Beruf begleiten und fördern will. Es freue ihn, dass auch die Handwerkskammer zu Köln dieses Projekt unterstützen wird.
Foto: Kolping/Barbara Bechtloff
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