Handwerkskammer-Präsident Jörg Dittrich: „Konjunktur-Stimmung auf neuem Hoch, aber dringend an der Zeit, Themen anzupacken“. Vorstellung der Herbstkonjunkturanalyse des ostsächsischen Handwerks – Forderung: Faktor Arbeit steuerlich entlasten. - Als überaus positiv lässt sich die aktuelle Stimmung im ostsächsischen Handwerk bewerten: Mit 63 Punkten erreichte der Geschäftsklimaindex in der aktuellen Herbstkonjunkturanalyse der Handwerkskammer Dresden ein neues Allzeithoch. Damit ist ein Anstieg um zwölf Punkte im Vergleich zum Vorjahr bzw. um neun Punkte im Vergleich zum Frühjahr zu verzeichnen. Dies korrespondiert mit der insgesamt überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Entwicklung in ganz Sachsen.
„Die seit zwei Jahren schwankungsfreie und sehr gute Entwicklung des ost-sächsischen Handwerks ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Sie ist das Ergebnis harter Arbeit der Handwerksbetriebe und ihrer Mitarbeiter und basiert auf guten Rahmenbedingungen“, so Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden. „Doch in einer Welt, in der sich die Digitalwirtschaft und der Online-Handel rasant entwickeln, droht das Handwerk aufgrund ungleicher Wettbewerbsbedingungen abgehängt zu werden. Hier erwarten wir von der Politik, rechtzeitig gegenzusteuern.“
Dabei hat das ostsächsische Handwerk konkrete Vorstellungen, wie seine Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft nicht nur gesichert, sondern gestärkt werden kann. „Die Bedeutung des Handwerks als Ausbilder und Wirtschaftsfaktor – gerade auch in den vom Strukturwandel begriffenen ländlichen Regionen wie der Lausitz – ist groß. Damit das Handwerk auch zukünftig eine starke Kraft im regionalen Wertschöpfungsprozess bleibt, bedarf es der steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit und einer nachhaltigen Förderpolitik“, unterstreicht Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden, und betont mit Blick auf die sich aktuell stark bewegende politische Landschaft auf Landes- und Bundespolitik: „Es ist an der Zeit, Themen anzupacken und zu handeln.“
Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks dauerhaft stärken
Entlastung des Faktors Arbeit - Während im lohnintensiven Handwerk der Lohnkostenanteil am Gesamtumsatz bei 40 bis 45 Prozent liegt, sind es beim Automobilkonzern VW gerade einmal sechs Prozent. Dementsprechend trifft es das Handwerk besonders hart, dass in Deutschland die Sozialversicherungsbeiträge bei insgesamt 41,6 Prozent des Bruttolohns liegen. Hier ergeben sich deutliche Wettbewerbsnachteile, die das Handwerk wiederum auch beim Thema Fachkräftegewinnung – Stichwort Löhne – deutlich ins Hintertreffen bringen.
Auch wenn Deutschland mit dem aktuellen Wert laut OECD bereits auf Rang zwei im weltweiten Vergleich der Industrienationen rangiert, gibt es aktuelle Prognosen des Bundeswirtschaftsministeriums, die bis 2030 von einem deutlichen Anstieg bis auf über 50 Prozent ausgehen. „Deshalb fordern wir klar, dass der Gesamtsozialversicherungsbeitrag gesenkt werden muss, um Arbeitgeber und Arbeitnehmer im lohnintensiven Handwerk nicht noch weiter zu belasten“, so Dittrich.
Da die automatisierte Produktion, die Plattformökonomie und der Online-Handel rasant wachsen, in weiten Teilen für das derzeitige Steuer- und Abgabensystem aber nicht greifbar sind, macht sich die Handwerkskammer Dresden für eine grundlegende Neugestaltung des Sozialversicherungssystems stark. Mit Hilfe einer Wertschöpfungsabgabe – also einer Abgabe, die sich am Rohertrag eines Unternehmens orientiert und die an Stelle der derzeitigen Sozialversicherungsbeiträge erhoben wird – können arbeitsintensive Branchen entlastet und so Chancengleichheit hergestellt werden.
Senkung der Steuerlast für kleine und mittlere Unternehmen
Sowohl Arbeitnehmern und Arbeitgebern kommt eine Reform der Einkommensteuer zugute. „Eine Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen und die Abflachung des Tarifverlaufs in der Einkommensteuer sind überfällig und leistungsgerecht“, betont Jörg Dittrich. Eine Anhebung des Steuerfreibetrages, die Beseitigung der kalten Progression sowie die stufenweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags würden die Wettbewerbsfähigkeit des Hand-werks zusätzlich stärken.
Gezielte Förderung von Handwerk und Mittelstand im ländlichen Raum
Um den Strukturwandel in Ostsachsen und die Innovationskraft des Hand-werks zu fördern, sollte die Sächsische Staatsregierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, das Programm „Regionales Wachstum“ wiedereinführen. Mit diesem förderte der Freistaat von 2006 bis 2009 Investitionen in struktur-schwachen Räumen. Ziel war es, qualifizierte Dauerarbeitsplätze oder Ausbildungsplätze zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit bestehender kleiner Unternehmen zu verbessern. Dabei hat das Handwerk überproportional stark von dem Programm profitiert.
Weitere Ergebnisse der Herbstkonjunkturanalyse
Mit 68 Prozent schätzten erstmals mehr als zwei Drittel der befragten Betriebe ihre gegenwärtige Geschäftslage mit gut ein. Selbst bei den Kleinstbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten liegt dieser Anteil bei 63 Prozent. Auch die zu-künftigen Geschäftslagen bis zum Jahresende beurteilen die Betriebe – zum wiederholten Male – so günstig wie noch nie: Zwei Drittel der Befragten haben positive Erwartungen.
Begründet liegt dies u. a. in der Auslastung der befragten Betriebe. Mit 90 Prozent erreichte die durchschnittliche Auslastung einen neuen Höchstwert. 71 Prozent der Betriebe vermeldete vollständige oder fast vollständige Auslastung, wobei der Anteil 100-prozentiger Auslastung und darüber deutlich zugenommen hat. Die Auftragsreichweiten stiegen um mehr als eine Woche im Vergleich zum Vorjahr auf durchschnittlich über neun Wochen. Mit Blick auf das vierte Quartal rechneten 86 Prozent der Befragten mit gleichbleibenden oder steigenden Aufträgen. Sehr deutlich zeigt sich der positive Trend auch bei der Umsatzentwicklung. Erneut konnten im dritten Quartal steigende Um-sätze erzielt werden. 30 Prozent mit gestiegenen Umsätzen stehen lediglich 13 Prozent an Betrieben mit gesunkenen Umsätzen gegenüber.
Bei rund drei Viertel der Betriebe blieb der Personalstamm konstant, 16 Pro-zent vergrößerten ihn. Dabei erhöhten sich die Mitarbeiterzahlen in den befragten Betrieben nur leicht um 1,2 Prozent. Es gibt jedoch deutliche Anzeichen, dass das Handwerk gern geeignete Fachkräfte einstellen würde. Wahrscheinlich dem steigenden Fachkräftebedarf – der jedoch nicht ausreichend gedeckt werden kann – geschuldet, wollen die Betriebe auch zum Jahresende ihre Mitarbeiter halten.
Die Investitionsbereitschaft blieb auf hohem Niveau. Mit 36 Prozent der Befragten investierten etwas mehr Betriebe als im Vorjahr – wenn auch im geringeren Umfang. Die durchschnittliche Investitionssumme lag bei 38.000 Euro je Betrieb.
Seit dem Wiedereinsetzen der Inflation vor einem Jahr verspürt auch das Handwerk die Änderungen in der Preissituation: Über die Hälfte der Befragten ist von Preissteigerungen im Einkauf betroffen – im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 39 Prozent, der fast niedrigste Wert seit Umfragebeginn. 28 Prozent reagierten mit eigenen Preissteigerungen im Verkauf. Bis Jahresende wird mit weiteren Preissteigerungen im Einkauf gerechnet. 38 Prozent planen dies auf die Kunden umzulegen.
Mit Blick auf die einzelnen Branchen zeichnen sich unverkennbare Unter-schiede zwischen den weitgefächerten Branchen des Handwerks ab. Die bei-den Branchen Bau und Ausbau, die mit einem Anteil von rund 60 Prozent die größte Gruppe bei den Mitgliedsbetrieben der Handwerkskammer Dresden bilden, bleiben auch die Konjunkturmotoren mit 72 (Bau) bzw. 71 (Ausbau) Punkten beim Geschäftsklimaindex. Während in der gesamten Gruppe der Handwerke für den gewerblichen Bedarf das Geschäftsklima im Vergleich zum Vorjahr leicht auf nun 52 Punkte stieg, sinkt die Stimmung in der Teil-gruppe Zulieferer/Metall. Positiv ist die Stimmung bei den Gesundheitshand-werken, bei denen 50 Punkte beim Geschäftsklima ein leichtes Plus zum Vor-jahr bedeuten. Ein starker Anstieg ist beim Kfz-Gewerbe zu verzeichnen, dass mit einem Plus von 19 Punkten nun auf 47 Punkte und damit deutlich näher an den Durchschnitt herankommt. Auf Vorjahresniveau ist die Stimmung im Lebensmittelhandwerk. Das Geschäftsklima liegt konstant bei 41 Punkten und damit deutlich unter dem Durchschnitt. Ebenfalls bei 41 Punkten liegt der Geschäftsklimaindex beim Handwerk für den persönlichen Bedarf. Nachdem der Stimmungsindikator in dieser Branche zwei Jahre lang stark gestiegen war, bekommt die Stimmung damit einen leichten Dämpfer.
Hintergrund:
Für ihre Konjunkturanalyse befragt die Handwerkskammer Dresden jeweils im Frühjahr und im Herbst ihre Mitgliedsbetriebe im Kammerbezirk Dresden. Dieser umfasst die Landeshauptstadt Dresden sowie die Landkreise Bautzen, Görlitz, Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Für die aktuelle Befragung wurden über 4.300 der rund 22.300 Mitgliedsbetriebe befragt. Die Rücklaufquote beträgt 13 Prozent.
Der Konjunkturbericht Herbst 2017 steht Ihnen unter www.hwk-dresden.de/konjunktur zum Download zur Verfügung.
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