Handwerkskammer Reutlingen: Die aktuellen Preise für Gas und Strom belasten das Nahrungsmittelhandwerk besonders stark. - Das regionale Handwerk richtet sich auf schwierige Monate ein. Jeder fünfte Betrieb, und damit doppelt so viele wie im Vorjahr, rechnet mit einer schlechteren wirtschaftlichen Lage. Sorgen bereitet vor allem der beschleunigte Preisanstieg bei Material, Rohstoffen und Energie. „Eine Inflationsrate von zehn Prozent ist an sich schon eine Herausforderung. Was sich aber derzeit auf dem Energiesektor abspielt, hat eine andere Dimension. Je nach Versorger und Vertrag sind die Strom- und Gaspreise um ein Vielfaches gestiegen. Solche Kostensteigerungen können auch gesunde Betriebe schnell in eine wirtschaftliche Schieflage bringen. Insofern hat die Verunsicherung in den vergangenen Wochen stark zugenommen“, fasst Präsident Harald Herrmann die Ergebnisse der Ende September durchgeführten Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Reutlingen zusammen. Danach übertraf das Sommerquartal die zurückhaltende Prognose vom Frühjahr. Rund 60 Prozent der Betriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb bewerteten die Geschäftslage im dritten Quartal als gut. Der Anteil derer, die nicht zufrieden waren, stieg im Vergleich zum Vorjahr von 7,5 auf nunmehr 11 Prozent an.
Anders als saisonal üblich verschlechterte sich allerdings in diesem Sommer die Auftragslage der Handwerksunternehmen. Die Nachfrage vor allem privater Haushalte ging zurück. Jeder dritte Betrieb verzeichnete zuletzt weniger Bestellungen und Abschlüsse (Vorjahresquartal: 19,2 Prozent). Dies gilt auch für den Bausektor. Nach der Baustatistik des Landes wurden im ersten Halbjahr weniger Baugenehmigungen als im Vorjahr erteilt. Der Rückgang beträgt elf Prozent beim Wohnungsbau, bei Modernisierungen und Umbauten sogar 22 Prozent. In der Folge sank der durchschnittliche Auftragsbestand des regionalen Bauhauptgewerbes um gut drei Wochen auf rund 15 Wochen. Über alle Branchen hinweg verfügen die Betriebe über ein Polster von 10,3 Wochen (Vorjahr: 11,2 Wochen).
Weil die Betriebe noch über diese Überhänge aus den vergangenen Monaten verfügen, ist die Auslastung unverändert gut. Jeder zweite Betrieb konnte seine Kapazitäten in den Sommermonaten vollständig ausschöpfen, jeder fünfte ging darüber hinaus. Die wachsende Unsicherheit macht sich allerdings bereits bei den Investitionen und den Personalplanungen bemerkbar. Ein Viertel der befragten Unternehmen will seine Ausgaben in den kommenden Wochen zurückfahren. Knapp acht Prozent der Betriebe will zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Im Vorjahr waren es noch 13 Prozent.
Die Erwartungen haben sich spürbar abgeschwächt. 21 Prozent der Befragten äußerten sich pessimistisch, doppelt so viele wie vor einem Jahr. Deutlich schlechter fällt der Ausblick im Nahrungsmittelgewerbe aus. Jeder zweite Metzger, Bäcker und Konditor rechnet mit einer geringeren Nachfrage. Auch die gewerblichen Zulieferer stellen sich auf schwierigere Zeiten ein. Der Konjunkturindikator der Handwerkskammer Reutlingen, der Lagebeurteilungen und Erwartungen zusammenfasst, erreicht +18,6 Punkte, ein Rückgang von rund 18 Punkten gegenüber dem Vorjahresquartal.
„Die Zukunftssorgen sind größer geworden“, sagt Herrmann. Die Bundesregierung habe mit dem „Abwehrschirm“ das richtige Signal gegeben. Der geplante Preisdeckel für die Strom- und Gaspreise sowie weitere Hilfen seien dringend notwendig, um energieintensive Betriebe abzusichern. „Bei den bisherigen Entlastungspaketen blieben kleine und mittlere Unternehmen außen vor. Wir sind froh, dass unsere Forderung, diese Lücke zu schließen, nun aufgegriffen wurde, auch wenn die praktische Ausgestaltung noch nicht feststeht.“ Worauf es bei der Umsetzung der Maßnahmen ankommt, formuliert Herrmann so: „Es geht um unbürokratische Hilfen, und es muss schnell gehen. Die Zeit drängt.“
Die 13.700 Handwerksbetriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb erwirtschaften einen Umsatz von über 10,5 Milliarden Euro, beschäftigen rund 80.000 Mitarbeiter und bilden über 4.500 junge Menschen aus.
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Foto: Falk Heller/AMH
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