Zur Früherkennung von Prostatakrebs wird neben dem PSA-Test auch eine Ultraschall-Untersuchung als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten. Der IGeL-Monitor hat keine wissenschaftlichen Studien zu Nutzen und Schaden der Untersuchung gefunden. Weil solche Untersuchungen jedoch immer schaden können, wird diese IGeL mit "tendenziell negativ" bewertet.
Wissenschaftler des IGeL-Monitors wollten herausfinden, welchen Nutzen und Schaden beschwerdefreie Männer erwarten können, wenn sie ihre Prostata zur Früherkennung von Krebs mit Ultraschall untersuchen lassen. Es ging nicht darum, den Wert des Ultraschalls zur Abklärung von Prostatabeschwerden oder von auffälligen Befunden, zur Diagnose von Prostatakrebs oder zur Kontrolle einer Prostatatherapie zu bewerten. Die Wissenschaftler fanden keine passenden Studien zur Früherkennung von Prostatakrebs mit Ultraschall. Sie sehen deshalb keine Hinweise auf einen Nutzen. Man weiß jedoch von anderen Studien, dass solche Untersuchungen auch Krebs finden, der nie auffällig geworden wäre. Das führt zu unnötigen Untersuchungen und Behandlungen. Der Nutzen überwiegt also den Schaden, was zur Bewertung "tendenziell negativ" führt.
Für die Früherkennung von Prostatakrebs werden vor allem drei Verfahren angeboten: Abtasten, Ultraschall und PSA-Test. Wenn eine der Untersuchungen einen auffälligen Befund ergibt und die Ärztin oder der Arzt diesen Verdacht abklären möchte, sind die Untersuchungen Kassenleistung. Zur Früherkennung selbst ist nur das Abtasten Kassenleistung, Ultraschall und PSA-Test müssen zur Früherkennung selbst bezahlt werden. Für die Ultraschall-Untersuchung der Prostata schiebt der Arzt eine etwa fingerdicke, stabförmige Ultraschallsonde über das Rektum bis zur Prostata, weshalb diese Form der Untersuchung "transrektaler Ultraschall", kurz TRUS, genannt wird. Eine transrektale Ultraschall-Untersuchung der Prostata kostet in der Regel zwischen 20 und 60 Euro.
Ergibt eine Früherkennungsuntersuchung mit Ultraschall einen Verdacht, wird der Arzt wahrscheinlich zu einem PSA-Test raten, und er wird empfehlen, eine Gewebeprobe aus der Prostata zu entnehmen. Dafür werden aus der Prostata Gewebezylinder herausgestanzt und unter dem Mikroskop auf Krebszellen untersucht. Bestätigt die Gewebeprobe den Krebsverdacht, gibt es je nach Größe und Aggressivität des Tumors mehrere Möglichkeiten: Man kann abwarten, wie sich der Krebs weiter entwickelt, man kann die komplette Prostata operativ entfernen, man kann den Krebs bestrahlen oder auch mit Hormonen behandeln.
Prostatakrebs ist weit verbreitet. Er ist mit 14.000 Todesfällen nach dem Lungenkrebs die zweithäufigste Krebstodesursache der Männer. Prostatakrebs betrifft vor allem ältere Männer: Er wird im Durchschnitt mit 71 Jahren festgestellt. Da er zudem meist langsam wächst, sterben viele Prostatakrebs-Patienten nicht an ihrem Krebs, sondern an etwas anderem. So kommt der Prostatakrebs bei Männern unter 65 Jahren bei der Häufigkeit der Todesursachen erst an 24. Stelle.
Das Team des IGeL-Monitors fand keine Studien, die einen Nutzen oder Schaden des Ultraschalls zur Prostatakrebs-Früherkennung untersucht haben. Auch wenn eine Ultraschall-Untersuchung selbst nicht schädlich ist, sind aus anderen Studien indirekte Schäden bekannt, die höchstwahrscheinlich auch beim transrektalen Ultraschall zur Prostatakrebs-Früherkennung auftreten:
. Die Untersuchung kann, wie jede Früherkennungsmaßnahme, Fehlalarme auslösen. Um einen Alarm als Fehlalarm zu erkennen, ist unter Umständen eine Gewebeprobe nötig. Das kann zu Komplikationen wie Infektionen, Blutungen und Schmerzen führen.
. Ein weiterer möglicher Schaden kann dadurch entstehen, dass bei der Untersuchung Tumore übersehen werden. So besteht nach einem unauffälligen Ultraschallbefund die Gefahr, dass Patienten Warnzeichen des Körpers nicht ernst nehmen und deshalb unnötig spät mit einer Behandlung beginnen.
. Der größte Schaden entsteht vermutlich durch die so genannten Überdiagnosen und Übertherapien: Der Ultraschall findet auch Tumore, die zeitlebens nicht auffällig geworden wären, wenn man nicht nach ihnen gesucht hätte. Sie werden aber behandelt, was zum Teil gravierende Nebenwirkungen mit sich bringen kann: Hormonbehandlungen können den Knochenabbau beschleunigen und zu Impotenz führen, Operationen und die Bestrahlung können ebenfalls zu Impotenz sowie zu Inkontinenz führen.
Im direkten Vergleich ist der PSA-Test dem Ultraschall vorzuziehen, auch wenn beide im IGeL-Monitor mit "tendenziell negativ" bewertet werden. Der PSA-Test hat im Gegensatz zum Ultraschall in Studien gezeigt, dass ein Teil der Männer davor bewahrt werden kann, an Prostatakrebs zu sterben. Das Team des IGeL-Monitors bewertet den PSA-Test dennoch mit "tendenziell negativ", weil seiner Ansicht nach die möglichen Schäden den Nutzen überwiegen.
Auch die ärztlichen Fachgesellschaften sehen den Ultraschall deutlich kritischer als den PSA-Test. Die aktuelle Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms vom Dezember 2016 empfiehlt, dass Männern, die eine Früherkennung wünschen, der PSA-Test angeboten werden soll. Von einer Früherkennung mithilfe "bildgebender Verfahren", zu denen auch der Ultraschall gehört, rät die Leitlinie dagegen ab.
Hintergrund:
Unter www.igel-monitor.de erhalten Versicherte evidenzbasierte Bewertungen zu sogenannten Selbstzahlerleistungen. Entwickelt wurde die nicht-kommerzielle Internetplattform vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS). Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.
Die IGeL "Ultraschall zur Früherkennung von Prostatakrebs" ist die 44. Leistung, die der IGeL-Monitor inzwischen bewertet hat. Bislang gab es folgende Bewertungen:
positiv 0
tendenziell positiv 3
unklar 16
tendenziell negativ 19
negativ 4
in Überarbeitung 2
Vier weitere IGeL wurden nicht bewertet, sondern nur besprochen.
Zur Bewertung der IGeL "Ultraschall zur Früherkennung von Prostatakrebs" im IGeL-Monitor: https://www.igel-monitor.de/igel-a-z/igel/show/ultraschall-zur-frueherkennung-von-prostatakrebs.html
Pressekontakt:
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS)
Theodor-Althoff-Str. 47
45133 Essen
IGeL-Monitor
Dr. Christian Weymayr