Dem Geheimnis der Gallensteine auf der Spur - Rätsel lüfteten jetzt Erlanger Forscher
Der Wolf im Grimmschen Märchen „Rotkäppchen“ kann ein Lied davon singen, wie schmerzhaft Steine im Bauch sind. Doch während der Bösewicht diese Last in den Bauch gelegt bekam, bildet der menschliche Körper Gallensteine sogar selbst Obwohl Gallensteine zu den zehn häufigsten Gründen für einen Krankenhausaufenthalt gehören, war bisher nicht bekannt, wie die kleinen Kristalle überhaupt entstehen. Das Geheimnis wurde nun von einem Forschungsteam der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. Markus F. Neurath) und der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. univ. Georg Schett) des Universitätsklinikums Erlangen gelüftet. Die Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift Immunity veröffentlicht*.
Dabei ging das Team um Dr. Luis Munoz, Sebastian Böltz und Prof. Dr. Martin Herrmann der Medizin 3 – das auch im Sonderforschungsbereich 1181 sowie im Deutschen Zentrum Immuntherapie (DZI) zusammenarbeitet – einen unkonventionellen Weg, der sie in Museen, Schlachthöfe und Operationssäle führte. Unterstützt wurden sie von Dr. Moritz Leppkes und Prof. Dr. Markus F. Neurath der Medizin 1. Das Forscherteam untersuchte menschliche Steine aus der Museumssammlung der Charité in Berlin, Gallenflüssigkeit von Schweinen vom Schlachthof sowie Steine und Gallenflüssigkeit von Patienten, die sich operativen Eingriffen des Bauchraumes unterzogen haben. In der eingehenden Untersuchung dieses Materials mit modernsten Methoden konnten die Wissenschaftler eine sehr überraschende Entdeckung machen: Alle Gallensteine sind übersäht von Spuren einer speziellen Form der weißen Blutkörperchen – den neutrophilen Granulozyten. Diese Zellen gelten als erste Abwehrfront des Körpers und schlagen nicht nur auf Bakterien und anderen Keime an, sondern erkennen auch Kristalle als Gefahr. Beim Versuch diese aufzunehmen, sterben sie und stülpen ihre Erbsubstanz wie ein Netz über die Kristalle. Diese Netze – englisch: NETs für neutrophil extracellular traps – winden sich um die Kristalle, verklumpen diese und lassen so Steine entstehen, die manchmal erstaunliche Ausmaße annehmen können.
„Wir beobachteten, dass die freigesetzten Netze in der bereits klebrigen Gallenflüssigkeit, Kalzium- und Cholesterinkristalle verklumpen und so Gallensteine geformt werden. Wird die Bildung von Netzen pharmakologisch gehemmt, kann die Gallensteinbildung stark verringert oder sogar aufgehoben werden“ sagt Dr. Munoz. Durch diese Entdeckung ergeben sich neue bisher ungeahnte Möglichkeiten der Behandlung von Gallensteinen. Interessant könnte ein einfacher pharmakologischer Ansatzpunkt sein: die Verwendung von Metoprolol, eines sogenannten Beta-Blockers, der bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt wird. Metoprolol hindert neutrophile Granulozyten daran, aus der Blutbahn in das Gewebe zu gelangen und reduziert damit die Kapazität, Netze und damit Gallensteine zu bilden. Des Weiteren sind bereits spezifische Hemmer der Netzbildung von neutrophilen Granulozyten bekannt, sogenannte PAD-Hemmer, die sehr effizient die Bildung von experimentell-induzierten Gallensteinen hemmen und damit die Bedeutung des Immunsystems bei der Bildung dieser Strukturen beweisen konnten. Das Forscherteam weist zudem darauf hin, dass dieser Prozess nicht nur bei Gallensteinen von zentraler Bedeutung ist, sondern auch bei anderen Steinleiden, wie Nieren- oder Speicheldrüsensteinen entscheidend sein dürfte.
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