08.12.2021 - Mang: „Wir sind bereits in neuen Chancenfelder unterwegs, haben aber noch große Herausforderungen vor uns.“ Autoindustrie von elementarer Bedeutung für Hessen. Mitten im Strukturwandel verhindern Lieferengpässe schnellere Erholung. - Im Rahmen der Herbstbilanz 2021 hat HESSENMETALL ein besonderes Augenmerk auf die hessische Automobil- und Zulieferindustrie als die umsatzstärkste Branche der Metall- und Elektro-Industrie gelegt. Neben der besonders schwierigen konjunkturellen Entwicklung ging es vor allem um die strategischen Aussichten der Branche. Basis dafür ist eine aktuelle Studie der IW Consult für HESSENMETALL. Die Unternehmen in der Automobilwirtschaft sind neben Corona und Lieferengpässen einem radikalen Wandel durch die schon teilweise bewältigte digitale Transformation und die angelaufene Dekarbonisierung unterworfen. Die Abkehr vom Verbrennungsmotor auf der einen Seite und die Elektrifizierung, Automatisierung und Vernetzung der Fahrzeuge auf der anderen Seite verändern jahrzehntelang gefestigte Wertschöpfungsnetze und Wettbewerbspositionen.
Bedeutung, Chancen und Risiken
Die Automobilindustrie ist für die gesamte hessische M+E-Industrie und auch für die hessische Wirtschaft als Ganzes von elementarer Bedeutung. „Denn sie endet nicht bei den Kraftfahrzeug- und Teileherstellern. Unternehmen aus der Metallindustrie, der Elektroindustrie und dem Maschinenbau, der Chemie- und kunststoffverarbeitenden Industrie erbringen ebenfalls Leistungen für den Automobilbau, viele sogar ausschließlich. Hinzu kommen weitere Unternehmen aus anderen Teilen des verarbeitenden Gewerbes und nachgelagerten Branchen wie dem Autohandel, Tankstellen oder Werkstätten“, so HESSENMETALL-Vorstandsvorsitzender Wolf Matthias Mang. In Hessen arbeiten über 240.000 Menschen in Jobs, die direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie zusammenhängen. Daraus entstanden 2020 eine Bruttowertschöpfung von rund 20 Milliarden Euro und ein Produktionswert von rund 47 Mrd. Euro.
„Die Transformation birgt Risiken, entfaltet aber auch erhebliche Chancen in den neu entstehenden Wertschöpfungsfeldern und Märkten. Den Risiken, die aus der abnehmenden Bedeutung traditioneller Antriebe resultieren, stehen im Kern drei Chancenfelder gegenüber, die immer mehr an Bedeutung gewinnen: die Elektrifizierung des Antriebs, die Automatisierung des Fahrens und die Vernetzung des Fahrzeugs und der Fahrzeuginsassen mit der Außenwelt.“ In Hessen arbeiten bereits rund 9.000 Beschäftigte in diesen drei automobilen Chancenfeldern, rd. 23.000 Beschäftigte in Betrieben, die Komponenten für den traditionellen Antriebsstrang erstellen. „Die Herausforderung ist, dieses Verhältnis in den kommenden Jahren weiter in Richtung der Chancenfelder zu verschieben“, so Mang.
Natürlich investieren die OEMs Opel, Volkswagen und Daimler in ihre hessischen Werke, um sie an den automobilen Wandel anzupassen. Investitionen auf der grünen Wiese in der Dimension, wie sie beispielsweise gerade von Tesla in Brandenburg getätigt werden, gibt es in Hessen leider noch nicht. Allerdings sehen wir in Hessen Vorreiter der Elektrifizierung mit Batterietechnologie: z. B. Hessens ältestes Industrieunternehmen, Isabellenhütte, gegründet 1482, ist heute führend in Batteriemanagementsystemen und in diesem Jahr um 130 auf 1.000 Mitarbeiter gewachsen. Die Akasol AG investierte 100 Mio. EUR in ihre neue Batteriesystem-Fabrik für Nutzfahrzeuge in Darmstadt und ist mit 520 Mitarbeitern weltweit dem Startup-Status längst entwachsen. Oder der Technologiekonzern Schunk Group, Heuchelheim, mit 9.000 Beschäftigten, der etwa mit Bauteilen für Elektromotoren oder Ladesystemen für Elektrobusse eine Vielzahl von Produkten für die E-Mobilität im Portfolio hat.
Die aktuelle Lage und Stimmung
Im zweiten Quartal 2020 erlitten die meisten M+E-Unternehmen einen coronabedingten Absturz und büßten 30 Prozent ihres Umsatzes im Vergleich zum Vorjahr ein. „Am heftigsten hat es mit einem Umsatzrückgang um zwei Drittel die Automobilindustrie erwischt, die jahrelang das Zugpferd des Aufschwungs der hessischen M+E-Industrie war“, sagte Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer von HESSENMETALL. Bis zum dritten Quartal 2021 haben sich die Umsätze in der hessischen M+E-Industrie insgesamt weitgehend erholt, aber in der Automobilindustrie liegen sie immer noch ca. 11 Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Hintergrund sind die aktuellen Lieferengpässe bei Material und Teilen, die vor allem in weiten Teilen der Automobilindustrie zu Produktionsstopps geführt haben. Zwar konnten sich die Auftragseingänge inzwischen erholen, aber nicht abgearbeitet werden, weil wichtige Teile wie Halbleiter nicht zur Verfügung stehen. Dies führt nicht nur zu einem Auftragsstau und übt Druck auf Umsatz und Gewinne aus, sondern auch zu einem Dominoeffekt. Wird die Autoproduktion gestoppt, weil ein wichtiges Bauteil fehlt, bekommen auch viele Zulieferer weniger Aufträge oder Stornierungen. Dadurch sind dann Unternehmen betroffen, die eigentlich produzieren und liefern könnten.
Erwartungen an die Politik
Deshalb appellierte der HESSENMETALL-Vorstandsvorsitzende Mang an die Politik: „Die Pandemie ist noch nicht überstanden. Die M+E-Industrie ist noch mitten im Strukturwandel und sucht Fachkräfte. Rohstoff- und Energiepreise sowie die Lieferengpässe werden unsere Unternehmen noch längere Zeit belasten. Die Politik muss jetzt Hemmnisse abbauen und deutliche Investitionsimpulse setzen. Dies bedeutet vor allem wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine höhere Akzeptanz und größere Freiräume für neue Technologien.“
Weiterführende Informationen:
Blitzumfrage zu Lieferengpässen in der hessischen M+E-Industrie, Nov. 2021: https://www.hessenmetall.de/newsroom/presse/blitzumfrage-zu-lieferengpaessen-in-der-hessischen-m-e-industrie.html
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