Gemeinsame Stellungnahme der gewerblichen Kammern in Ostdeutschland: Die gewerblichen Kammern in Ostdeutschland wenden sich in einem gemeinsamen „Zwischenruf“ entschieden gegen politische Überlegungen, zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ‚die Wirtschaft‘ komplett in den Lockdown zu schicken: „Die Unternehmerschaft in Ostdeutschland hat bisher alle getroffenen politischen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mitgetragen, selbst wenn damit teilweise erhebliche – für einzelne Firmen oder Selbstständige sogar existenzbedrohende – Einschränkungen verbunden sind und zugesagte Hilfen leider auf sich warten lassen. Aber die Belastungsgrenze ist jetzt erreicht. Gedankenspiele, wie die Wirtschaft weiter eingeschränkt werden könnte, sind kontraproduktiv.
Wir stellen fest:
Unsere heimischen Unternehmen sind keine Infektionsherde. Die Hygieneschutzmaßnahmen sind Bestandteil des betrieblichen Arbeitsschutzes; sie sind nicht Gegenstand individueller Auslegung, sondern werden konsequent umgesetzt und kontrolliert. Pandemisch kritische Situationen im Arbeitsprozess werden analysiert und die Abläufe entsprechend angepasst. Dazu gehört selbstverständlich auch das Homeoffice. Mitarbeiter werden als höchstes Gut jedes Unternehmens wertgeschätzt und von der Unternehmerschaft auch so behandelt!
Wer verschärfte Maßnahmen in ‚der Wirtschaft‘ fordert, muss definieren: Wer oder was ist ‚die Wirtschaft‘? Entscheidet jetzt die Politik über ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Unternehmen? Medizintechnik und Arzneimittelhersteller sind die ‚Guten‘, Automobilindustrie die ‚Schlechten‘? Zulieferer für die Automobilindustrie sind übrigens oft auch Zulieferer für Medizintechnik und Nahrungsmittelindustrie. Und wie steht es mit Transport und Logistik?
‚Die Wirtschaft‘ sollte nicht gegen ‚die Gesundheit‘ ausgespielt werden. Die Unternehmen gehören, neben Kliniken und Forschungseinrichtungen etwa, zu den wenigen Orten, an denen Menschen derzeit noch jeden Tag – mit aufwendigen Hygienekonzepten übrigens – aktiv, kreativ und beharrlich um Lösungen ringen, von denen das Gemeinwesen profitiert.
Existenzielle Bedeutung hat, dass ‚die Wirtschaft‘ in der Lage bleiben muss, die notwendigen Steuern, Abgaben und Beiträge für einen funktionierenden Staat und unser Gemeinwesen zu erwirtschaften. Dazu zählt auch und insbesondere ein leistungsfähiges Gesundheitswesen; und dessen materielle Ausstattung geht im Übrigen weit über den schnöden Mammon hinaus: Medizin- und Labortechnik, Hygieneartikel, Arbeits- und Schutzkleidung, Lebensmittel und so weiter produziert ‚die Wirtschaft‘.
Das Ziel ist:
Wir müssen die Menschen pandemiegeschützt in Lohn und Brot halten. Nur mit Wertschöpfung können wir unsere Sozialsysteme am Leben erhalten, die im Moment noch alle versorgen.
Wir fragen:
Welche Alternativszenarien zu flächendeckenden Lockdown-Maßnahmen hat die Politik erarbeitet – etwa unter Berücksichtigung der angelaufenen Impfungen? Bei welchem ‚Durchdringungsgrad‘ welcher (Risiko-)Gruppen sieht die Politik welche abgestuften Maßnahmen vor? Welche ‚Zwischenziele‘ sind sinnvoll und realistisch? Ist geklärt, ob nicht gerade das heruntergefahrene öffentliche Leben die Menschen weg von Orten mit funktionierenden Hygienekonzepten hin zu jenem Ort treibt, wo Zusammenkünfte – aus guten Gründen – kaum kontrollierbar sind: den eigenen vier Wänden?
Die ostdeutschen Wirtschaftskammern sind selbstverständlich bereit, im Dialog mit der Politik die Pandemie weiterhin konstruktiv und zielgerichtet zu bekämpfen. Sie fordern aber zugleich dazu auf, das Gemeinwohl im Blick zu behalten und die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren.“
*Jens Spahn machte nach seinem Abitur 1999 in Ahaus eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Westdeutschen Landesbank in Münster, die er 2001 mit dem IHK-Abschluss beendete. Von 2003 bis 2017 studierte Spahn neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter Politikwissenschaft an der Fernuniversität Hagen und erwarb 2008 den Bachelor of Arts, 2017 den Master of Arts.
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