Schon am 20.10. 2015 berichtete Solarify unter dem Titel „Klima, Krieg und Flucht – Als hätten wir es nicht gewusst – Blutzoll der fossilen Energieträger – Jede Sekunde flieht ein Mensch vor Klimafolgen“ (solarify.eu/klima-krieg-und-flucht) über das Thema, ausgehend vom 1990 ausgestrahlten Science-Fiction-Film „Der Marsch“, eine Co-Produktion mit der BBC: Afrikaner auf der Flucht vor der Armut nach Europa – ein Zug verzweifelter Gestalten, die sich vor dem Hungertod retten wollen.
 
Der junge, charismatische Issa Al-Mahdi steht an der Spitze einer  unübersehbaren Karawane bitterarmer Menschen aus nordostafrikanischen Flüchtlingslagern, die in Richtung Europa ziehen. Dort sieht er die letzte Chance, seine Landsleute vor dem Hungertod zu retten. Denn dieser droht auf Grund der bitteren Armut, ausgelöst und verschlimmert durch die infolge des Klimawandels eingetretene ökologische Katastrophe in der Region. Damals Science Fiction – wirklich?

„Der Klimawandel hat konkrete und dramatische Auswirkungen auf das Leben sehr vieler Menschen, gerade in den Ländern des globalen Südens“, sagte

Jacob Schewe vom PIK-Potsdam, Ko-Autor des Reports. „Dass Migrationsentscheidungen von Klimafaktoren beeinflusst werden können, belegen bereits viele Fallstudien. Der neue Bericht zeigt jetzt das mögliche Ausmaß von klimagetriebener Binnenmigration in drei großen Weltregionen, und zwar auf Grundlage einer Kette von Computersimulationen – vom Klimasystem über Wasserressourcen und Landwirtschaft bis hin zur Bevölkerungsverteilung“. Schewe leitet derzeit die Entwicklung eines Computersimulation, mit der auch Migration über Landesgrenzen hinweg, die im vorliegenden Bericht nicht im Fokus steht, im Kontext des Klimawandels untersucht werden soll.

140 Millionen könnten fliehen müssen

Insgesamt mehr als 140 Millionen Menschen könnten so in Afrika südlich der Sahara, Lateinamerika und Südasien bis 2050 durch steigende Meeresspiegel, Sturmfluten, Dürren und Missernten ihre Heimat verlassen müssen. Damit drohe eine humanitäre Krise. Vor allem städtische Regionen müssten dann mit einem verstärkten Zuzug der Landbevölkerung rechnen. Die Weltbank-Experten glauben außerdem, dass vorbeugende Maßnahmen und weltweiter Klimaschutz die Zahl der Binnenklimaflüchtlinge um bis zu 80 Prozent reduzieren könnten. Als vorbeugende Maßnahmen nennen sie bessere Beratung für Betroffene, ob sie umziehen oder bleiben sollen, außerdem eine frühzeitige Koordination der klimabedingten Migration.

Die neue Studie sei ein Weckruf, sagte Weltbank-Geschäftsführerin Kristalina Georgiewa: „Wir haben jetzt ein schmales Zeitfenster, uns auf diese neue Realität vorzubereiten, bevor die Folgen des Klimawandels sich verstärken. Wenn jetzt Städte Maßnahmen ergreifen, um sich auf den Anstieg der Zuwanderung aus ländlichen Gebieten einzustellen, und um etwa die Möglichkeiten für Bildung und Beschäftigung zu verbessern, dann wird sich das langfristig auszahlen. Ebenso wichtig ist es, Menschen dabei zu helfen, gute Entscheidungen darüber zu treffen, ob sie dort bleiben, wo sie sind – oder an neue Orte ziehen, wo sie durch den Klimawandel weniger verwundbar sind“. Weltbank-Bericht

Vier Botschaften und eine Schlussfolgerung des WB-Berichts:

  1. Das Ausmaß der internen Klimamigration wird bis 2050 ansteigen und sich dann beschleunigen, wenn keine konzertierten Klima- und Entwicklungsmaßnahmen ergriffen werden.
  2. Länder können mit „Hotspots“ der klimabedingten Ein- und Abwanderung rechnen. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Länder und die künftige Entwicklungsplanung haben.
  3. Migration kann eine sinnvolle Strategie zur Anpassung an den Klimawandel sein, wenn sie sorgfältig gesteuert und durch eine gute Entwicklungspolitik und gezielte Investitionen unterstützt wird.
  4. Interne Klimamigration mag eine Realität sein, muss aber keine Krise sein. Maßnahmen in drei großen Bereichen könnten dazu beitragen, die Zahl der Menschen, die in Not geraten sind, zu verringern.

Schlussfolgerung – Ansturm: Die Vorbereitung auf interne Klimamigrationen trägt dazu bei, dem wachsenden Entwicklungsproblem der Menschen ein menschliches Gesicht zu geben, die in der Not leben, dass sie gezwungen sind, dem langfristigen Auswirkungen des Klimawandels zu entgehen. Die Erkenntnisse müssen ernst genommen werden, wenn die Welt die jüngsten Entwicklungsgewinne aufrechterhalten und nachhaltige Lebensunterhaltungsmöglichkeiten für alle schaffen soll.

Doppelt so viele Klima- wie Kriegsflüchtlinge

Nach Angaben der Weltbank wurden die Auswirkungen der Erderwärmung, interne Migrationsbewegungen und Entwicklung in diesen drei Weltregionen noch nie so umfassend untersucht. Die Experten raten, weltweit den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren, klimabedingte Wanderungsbewegungen einzuplanen und mehr in die Forschung in diesem Bereich zu investieren.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es eine Studie der Universität Hamburg im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace gegeben, wonach allein 2015 fast 20 Millionen Menschen durch Wetterextreme aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Demnach flüchten jedes Jahr mehr als doppelt so viele Menschen vor Umweltkatastrophen wie vor Krieg und Gewalt. Seit 2017 werden die Wechselwirkungen von Klima und Migration im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention diskutiert.

Das Forschungsteam wurde von Kanta Kumari Rigaud geleitet, der führenden Umweltspezialistin der Weltbank, und umfasst Forscher und Modellierer nicht nur vom PIK, sondern auch vom CIESIN der Columbia University und dem CUNY Institute of Demographic Research. Die Wissenschaftler betonen, dass nun Investitionen in Daten und Analysen der Schlüssel zum besseren Verständnis von künftigen Migrationstrends sind.

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