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Papst Franziskus hat an diesem Donnerstag die FAO besucht. Die UNO – Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation hat ihren Sitz in Rom. Franziskus sprach zu den Teilnehmern einer internationalen Konferenz über Welternährung und Nahrungsmittelsicherheit. Aus seiner Sicht sei „der Geist der Brüderlichkeit entscheidend für adäquate Lösungen“ zum Problem des Hungers in der Welt.

Das „Recht auf Ernährung“ lasse sich nur dann garantieren, „wenn wir uns um sein echtes Subjekt kümmern, das heißt um den hungernden Menschen“, so Franziskus wörtlich.
RealAudioMP3 „Heutzutage spricht man viel von Rechten, vergisst aber häufig die Pflichten; vielleicht haben wir uns zu wenig um die gekümmert, die Hunger haben. Man muss außerdem feststellen, dass der Kampf gegen Hunger und Unterernährung behindert wird durch die „Priorität des Marktes“ und durch den „Primat des Profits“, die Nahrungsmittel zu einem Handelsgut wie andere reduziert haben, das der Spekulation, sogar der finanziellen, unterworfen werden kann. Und während man von neuen Rechten spricht, ist der Hungernde dort, an der Straßenecke, und bittet um sein Bürgerrecht, darum, dass man seine Lage zur Kenntnis nimmt, darum, gesunde Ernährung zu bekommen. Er bittet uns um Würde, nicht um ein Almosen.“

Hungernde Menschen hätten grundlegende Rechte – diese müssten umfassend respektiert werden. Es gehe da auch um „Beitrags- und Verteilungs-Gerechtigkeit“, so Papst Franziskus. Wenn die Entwicklungs- und Arbeitsprogramme der internationalen Organisationen die Hungernden als Menschen mit Würde behandeln würden, wären sie erfolgreicher.
„Natürlich müssen das Interesse für Produktion, Verfügbarkeit von und Zugang zu Nahrungsmitteln, Klimawandel, Agrarhandel die Regeln und technischen Maßnahmen durchdringen; doch die erste Sorge muss der Mensch selbst sein, all jene, denen es an der täglichen Nahrung fehlt und die aufgehört haben, ans Leben und an die familiären und sozialen Beziehungen zu denken, weil sie nur noch ums Überleben kämpfen!“

Das „Paradox des Überflusses“

Schon Johannes Paul II. hatte in den neunziger Jahren eine Ansprache an die Teilnehmer einer Vorgänger-Konferenz gehalten. Franziskus zitierte ihn mit dem Worten, es gebe ein „Paradox des Überflusses“: „Nahrung für alle, aber nicht alle können essen“, und gleichzeitig „Verschwendung, Vernichtung, exzessiver Konsum von Lebensmitteln“.
„Leider ist dieses Paradox heute immer noch aktuell. Es gibt wenig Themen, über die man so viele Falschheiten sagen hört wie über den Hunger; wenig Themen, die so anfällig dafür sind, manipuliert zu werden durch Daten, Statistiken, nationale Sicherheitsanforderungen, Korruption oder einen schulterzuckenden Verweis auf die Wirtschaftskrise. Das ist die erste Herausforderung, die es zu überwinden gilt.“
Die zweite Herausforderung, die es nach Darstellung des Papstes anzugehen gilt, ist der Mangel an Solidarität. Viele Gesellschaften zeichneten sich „durch einen wachsenden Individualismus und durch Spaltung aus“; wenn in einem Land die Solidarität fehle, „dann bekommt das die ganze Welt zu spüren“, mahnte Franziskus.

„In dem Masse, in dem die Menschen sich bewusst werden, dass sie Mitverantwortliche des Schöpfungsplanes sind, werden sie auch fähig, sich gegenseitig zu respektieren statt sich zu bekämpfen und dadurch den Planeten zu schädigen und ärmer zu machen. Auch die Staaten, die als eine Gemeinschaft von Menschen und Völkern konzipiert sind, sind dazu aufgerufen, gemeinsam zu handeln, dazu bereit zu sein, sich untereinander zu helfen durch die Prinzipien und Normen, die das Völkerrecht ihnen zur Verfügung stellt.“

Das Thema Nahrung für alle liegt dem Papst sehr am Herzen. Das Ziel, „die Menschheitsfamilie zu ernähren“, sei „erreichbar“, schärfte er an diesem Donnerstag seinen Zuhörern ein. Wenn man „an das Prinzip der Einheit der Menschheitsfamilie“ glaube, dann sei „keine Form politischen oder wirtschaftlichen Drucks, die mit der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln spielt, akzeptabel“. Zum Schluss seiner mit grossem Applaus der Delegierten aufgenommenen Rede warnte der Papst auch vor den Folgen von Umweltzerstörung für die Ernährungssicherheit. Gott verzeihe immer, „der Mensch manchmal, die Erde jedoch niemals".

Es war sein erster Besuch bei einer UNO-Organisation; der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban ki-Moon, hat Franziskus zu einer Rede vor der Vollversammlung in New York eingeladen.

 

 




Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

es ist mit einem Gefühl des Respekts und der Wertschätzung, dass ich mich heute hier auf der II. Internationalen Konferenz über Ernährung an Sie wende. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für den warmen Empfang und die Willkommensworte, die Sie an mich gerichtet haben. Ich grüße herzlich den Generaldirektor der FAO, Herrn Professor José Graziano da Silva, sowie die Generaldirektorin der Weltgesundheitsbehörde, Frau Dr. Margaret Chan; und ich freue mich über Ihre Entscheidung, Vertreter von Staaten, internationalen Einrichtungen, Organisationen der Zivilgesellschaft, aus der Welt der Landwirtschaft und aus dem privaten Sektor zu dieser Konferenz zusammenzubringen, um gemeinsam Formen möglichen Eingreifens für Nahrungssicherheit sowie nötige Änderungen der derzeitigen Strategien zu untersuchen. Das völlige Übereinstimmen in Vorsätzen und Werken, vor allem aber der Geist der Brüderlichkeit, können entscheidend für adäquate Lösungen sein. Wie Sie wissen, bemüht sich die Kirche immer, für alles, was sich auf das geistliche und materielle Wohlergehen der Menschen, vor allem der an den Rand Gedrängten und Ausgeschlossenen, bezieht, aufmerksam zu sein und Respekt dafür zu erregen, damit ihre Sicherheit und ihre Würde gewährleistet werden mögen.

1. Die Geschicke aller Nationen sind mehr denn je miteinander verflochten, so wie die Mitglieder ein und derselben Familie voneinander abhängen. Doch leben wir in einer Epoche, in der die Beziehungen unter den Nationen zu sehr und zu schnell durch wechselseitiges Misstrauen Schaden erleiden, welches sich manchmal in Formen kriegerischer und wirtschaftlicher Auseinandersetzung verwandelt, die Freundschaft unter Brüdern untergräbt und denjenigen, der schon ausgeschlossen ist, zurück- oder ausweist. Jeder, dem das tägliche Brot und eine würdige Arbeit fehlen, weiß das gut. Das ist der Rahmen der Welt, in dem man die Grenzen aller Vorhaben anerkennen muss – Grenzen, die auf der Souveränität jedes einzelnen Staates, absolut verstanden, und auf den nationalen Interessen gründen, welche oft von kleinen Machtgruppen beeinflusst werden. Das zeigt deutlich die Lektüre Ihrer Arbeits-Agenda, um neue Normen und klarere Abkommen, um die Welt zu ernähren, zu erarbeiten. In dieser Perspektive hoffe ich, dass die Staaten sich bei der Formulierung der genannten Abkommen von der Überzeugung leiten lassen, dass das Recht auf Ernährung nur dann garantiert werden kann, wenn wir uns um sein tatsächliches Subjekt kümmern, das heißt um den Menschen, der unter Hunger und Mangelernährung leidet.

Heutzutage spricht man viel von Rechten, vergisst aber häufig die Pflichten; vielleicht haben wir uns zu wenig um die gekümmert, die Hunger haben. Man muss außerdem feststellen, dass der Kampf gegen Hunger und Unterernährung behindert wird durch die „Priorität des Marktes“ und durch den „Primat des Profits“, die Nahrungsmittel zu einem Handelsgut wie andere reduziert haben, das der Spekulation, sogar der finanziellen, unterworfen werden kann. Und während man von neuen Rechten spricht, ist der Hungernde dort, an der Straßenecke, und bittet um sein Bürgerrecht, darum, dass man seine Lage zur Kenntnis nimmt, darum, gesunde Ernährung zu bekommen. Er bittet uns um Würde, nicht um ein Almosen.

2. Diese Kriterien können nicht im Bereich der Theorie bleiben. Die Menschen und die Völker fordern, dass die Gerechtigkeit in die Praxis umgesetzt werde; nicht nur die legale Gerechtigkeit, sondern auch die Beitrags- und die Verteilungs-Gerechtigkeit. Die Entwicklungs- und Arbeitsprogramme der internationalen Organisationen müssten deshalb dem Wunsch, der bei einfachen Leuten so häufig ist, Rechnung tragen, dass in jedweden Umständen die Grundrechte der menschlichen Person und, in unserem Fall, die des hungernden Menschen respektiert werden. Wenn das geschieht, werden auch die humanitären Interventionen, die dringenden Operationen der Hilfe und der Entwicklung – der wahren, der integralen Entwicklung – mehr Erfolg haben und die gewünschten Früchte bringen.

3. Natürlich müssen das Interesse für Produktion, Verfügbarkeit von und Zugang zu Nahrungsmitteln, Klimawandel, Agrarhandel die Regeln und technischen Maßnahmen durchdringen; doch die erste Sorge muss der Mensch selbst sein, all jene, denen es an der täglichen Nahrung fehlt und die aufgehört haben, ans Leben und an die familiären und sozialen Beziehungen zu denken, weil sie nur noch ums Überleben kämpfen. Der heilige Papst Johannes Paul II. hat die internationale Gemeinschaft bei seiner Eröffnung der I. Konferenz über Ernährung 1992 in diesem Saal vor dem Risiko des „Paradoxes des Überflusses“ gewarnt: Es gibt genug Nahrung für alle, aber nicht alle können essen, während die Verschwendung, die Vernichtung, der exzessive Konsum und der Gebrauch von Lebensmitteln zu anderen Zwecken uns allen vor Augen stehen. Leider ist dieses „Paradox“ heute immer noch aktuell. Es gibt wenig Themen, über die man so viele Falschheiten sagen hört wie über den Hunger; wenig Themen, die so anfällig dafür sind, manipuliert zu werden durch Daten, Statistiken, nationale Sicherheitsanforderungen, Korruption oder einen schulterzuckenden Verweis auf die Wirtschaftskrise. Das ist die erste Herausforderung, die es zu überwinden gilt.

Die zweite Herausforderung, die angegangen werden muss, ist der Mangel an Solidarität - ein Wort, von dem wir den Verdacht haben, dass wir es unbewusst aus dem Wörterbuch streichen wollen. Unsere Gesellschaften zeichnen sich durch einen wachsenden Individualismus und durch Spaltung aus; dies geht so weit, dass die Schwächsten eines würdigen Lebens beraubt werden und Unruhen gegen die Institutionen hervorbrechen. Wenn in einem Land die Solidarität fehlt, dann bekommt das die ganze Welt zu spüren. Tatsächlich ist Solidarität die Haltung, die dazu führt, dass Menschen fähig werden, hinaus- und auf den anderen zuzugehen, ihre gegenseitigen Beziehungen auf dieses Gefühl der Brüderlichkeit zu bauen, das die Unterschiede und Grenzen übersteigt, und die dazu bewegt, zusammen das Gemeinwohl zu suchen.

In dem Masse, in dem die Menschen sich bewusst werden, dass sie Mitverantwortliche des Schöpfungsplanes sind, werden sie auch fähig, sich gegenseitig zu respektieren, statt sich zu bekämpfen und dadurch den Planeten zu schädigen und ärmer zu machen. Auch die Staaten, die als eine Gemeinschaft von Menschen und Völkern konzipiert sind, sind dazu aufgerufen, gemeinsam zu handeln, dazu bereit zu sein, sich untereinander zu helfen durch die Prinzipien und Normen, die das Völkerrecht ihnen zur Verfügung stellt. Eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration ist das Naturrecht, das in das menschliche Herz eingeschrieben ist und eine Sprache spricht, die alle verstehen können: Liebe, Gerechtigkeit, Friede, Elemente, die nicht voneinander zu trennen sind. Wie die Menschen sind auch die Staaten und die internationalen Institutionen aufgerufen, diese Werte in einem Geist des Dialogs und des gegenseitigen Zuhörens aufzunehmen und zu pflegen: Liebe, Gerechtigkeit, Frieden. Auf diese Weise wird das Ziel, die Menschheitsfamilie zu ernähren, erreichbar.

4. Jede Frau, jeder Mann, jedes Kind, jeder alte Mensch muss in jeder Situation auf diese Garantien zählen können. Und es ist die Pflicht jedes Staats, sie voll Aufmerksamkeit auf das Wohlergehen seiner Bürger ohne Reserven zu unterschreiben und sich um ihre Anwendung zu kümmern. Das verlangt Hartnäckigkeit und Mithilfe. Die katholische Kirche versucht ebenfalls, auf diesem Gebiet ihren eigenen Beitrag zu leisten, indem sie dem Leben der Armen in allen Teilen des Planeten konstante Aufmerksamkeit zukommen lässt; auf dieser Linie bewegt sich auch das aktive Engagement des Heiligen Stuhls in den internationalen Organisationen und mit ihren zahlreichen Dokumenten und Erklärungen. Auf diese Weise soll dazu beigetragen werden, die Kriterien zu identifizieren und zu übernehmen, die die Entwicklung eines nachhaltigen internationalen Systems erfüllen muss. Es sind Kriterien, deren tragende Säulen in ethischer Hinsicht Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind; im juridischen Bereich schließen diese Kriterien zugleich die Beziehung zwischen dem Recht auf Ernährung und dem Recht auf Leben und auf eine würdige Existenz ein, das Recht, vom Gesetz beschützt zu werden – was nicht immer so ganz der Realität der Hungernden entspricht – und die moralische Verpflichtung, den wirtschaftlichen Reichtum der Welt zu teilen.

Wenn man an das Prinzip der Einheit der Menschheitsfamilie, gegründet auf die Vaterschaft des Schöpfergottes, glaubt, und an die Brüderlichkeit der Menschen untereinander, dann kann keine Form politischen oder wirtschaftlichen Drucks, der sich der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln bedient, akzeptabel erscheinen. Politischer und wirtschaftlicher Druck: Da denke ich an unsere Mutter Erde, an den Planeten. Ob wir frei sind von politischem oder wirtschaftlichem Druck, um ihn zu pflegen, um seine Selbstzerstörung zu verhindern. Wir haben Peru und Frankreich vor uns: zwei Konferenzen, die uns herausfordern, Sorge um unseren Planeten zu tragen. Ich erinnere mich an einen Satz, den ich vor vielen Jahren von einem alten Mann gehört habe: Gott verzeiht immer - die Beleidigungen, die Misshandlungen, Gott verzeiht immer. Die Menschen verzeihen manchmal, und die Erde verzeiht nie! Sich kümmern um die Schwester Erde, die Mutter Erde, auf dass sie nicht mit Zerstörung antworte... Vor allem aber darf kein System der – tatsächlichen oder rechtlichen – Diskriminierung, verbunden mit der Möglichkeit des Zugangs zu den Nahrungsmittelmärkten, zum Modell für die internationalen Aktivitäten werden, die sich ein Ende des Hungers zum Ziel setzen.

Indem ich diese Überlegungen mit Ihnen teile, bitte ich den allmächtigen Gott, der reich an Barmherzigkeit ist, alle zu segnen, die sich mit ihrer jeweiligen Verantwortung in den Dienst der Hungernden stellen und die sich mit konkreten Gesten der Nähe um sie zu kümmern vermögen. Ich bete auch darum, dass die internationale Gemeinschaft den Ruf dieser Konferenz hören und ihn als Ausdruck des gemeinsamen Gewissens der Menschheit ansehen möge: den Hungernden zu essen geben, um das Leben auf dem Planeten zu retten. Danke.


(rv 20.11.2014 sk)

Radio Vatikan
Deutschsprachige Abteilung
P. Bernd Hagenkord SJ (verantw.)
I-00120 Città del Vaticano


http://de.radiovaticana.va/news/2014/11/20/papst_vor_uno-konferenz:_%E2%80%9Eman_redet_viel_von_rechten,_vergisst_aber/ted-837132
http://de.radiovaticana.va/news/2014/11/20/papstrede_an_die_fao:_man_spricht_viel_von_rechten,_wenig_von/ted-837117