An drei Stellen berichten die Evangelien davon, dass Jesus weint: Eine dieser drei Stellen - das Weinen Jesu über Jerusalem, von dem Lukas im 19. Kapitel berichtet -, legte Papst Franziskus an diesem Donnerstag aus. In der Predigt bei seiner Frühmesse im Vatikan bezog er die Tränen Jesu auf heute: So wie Jerusalem damals dem Erlöser gegenüber „verschlossen geblieben“ sei, so klopfe der Herr oft auch heute vergeblich bei uns an. „Das Weinen Jesu“ über Jerusalem gelte auch „seiner Kirche, heute, uns“.
„Und warum hatte Jerusalem den Herrn eigentlich nicht aufgenommen? Weil es zufrieden war mit dem, was es hatte – es wollte keine Scherereien. Die Stadt hatte sozusagen Angst, vom Herrn besucht zu werden, Angst vor der Großzügigkeit dieses Besuchs. Sie wollte sich allein um ihre Angelegenheiten kümmern. Wie wir... Aber mit dem Besuch des Herrn, mit seinen Überraschungen, wissen wir nicht umzugehen!“
Der Papst zog eine direkte Linie von der „Angst Jerusalems, auf der Straße der Überraschungen des Herrn gerettet zu werden“, und unserer ähnlich gelagerten Angst.
„Und darum weint Jesus. Wenn der Herr sein Volk besucht, dann bringt er ihm Freude, er bringt ihm Bekehrung. Aber wir alle haben Angst – nicht vor der Freude, nein!, aber doch vor der Freude, die der Herr bringt, weil wir sie nicht kontrollieren können. Wir haben Angst vor der Umkehr, denn Umkehren bedeutet, dem Herrn zu erlauben, dass er uns führt.“
„So ruhig, so zufrieden“ sei Jerusalem damals gewesen, malte Franziskus das Bild noch etwas weiter aus: „Der Tempel funktionierte, die Priester vollzogen die Opfer, die Leute kamen in Pilgerzügen, die Schriftgelehrten hatten alles geregelt – alles in Ordnung! Und bei all dem hatte Jerusalem die Tür zu.“ Der „Preis dieser Zurückweisung“ sei dann das Kreuz gewesen – es zeige uns die Liebe Christi, die ihn „auch heute so oft zum Weinen bringe über seine Kirche“.
„Ich frage mich heute: Wir Christen, die wir den Glauben kennen, den Katechismus, die wir jeden Sonntag zur Messe gehen, wir Christen, wir Hirten – sind wir zufrieden mit uns selbst? Wir haben ja alles geregelt und brauchen keinen neuen Besuch vom Herrn... Und der Herr klopft trotzdem immer weiter an die Tür, an unsere Tür und an die der Kirche, an die Tür der Hirten der Kirche. Und die Tür bleibt zu; der Herr weint, auch heute.“
Franziskus lud zu einer Gewissenserforschung ein: „Denken wir mal an uns selbst“, sagte er. „Wie stehen wir in diesem Moment vor Gott?“
Papst Franziskus würdigt die ökumenischen Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dessen Lehre zur Ökumene sei „in breitem Umfang umgesetzt worden“, schreibt er in einem Brief an den Päpstlichen Einheitsrat von diesem Donnerstag. „Auf der Basis theologischer Überlegungen und anhand der Schrift und Tradition der Kirche hat sich die Haltung von uns Katholiken gegenüber Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften geändert“, lobt Franziskus. „Feindschaft und Gleichgültigkeit“ gehörten nunmehr der Vergangenheit an, und ein „Heilungsprozess“ sei in Gang gekommen, „der uns erlaubt, den anderen in der tiefen Einheit der gemeinsamen Taufe als Bruder oder Schwester zu sehen“.
Der Einheitsrat erinnert in diesen Tagen auf seiner Vollversammlung an den 50. Jahrestag des Konzilsdekrets zur Ökumene „Unitatis redintegratio”. Papst Franziskus bedauert in seinem Brief, dass es unter Christen unlängst „über neue anthropologische und ethische Themen zu neuen Divergenzen gekommen“ sei. Das mache „unseren Weg zur Einheit noch komplizierter“. Doch dürfe man keinesfalls „der Resignation nachgeben, sondern weiter auf Gott vertrauen“. Der Papst nennt die „geistliche Ökumene“ und die „Ökumene des Blutvergießens“ als wichtige Elemente der Einheit. Die „Suche nach voller Einheit der Christen“ bleibe „eine Priorität für die katholische Kirche“.
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P. Bernd Hagenkord SJ (verantw.)
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