Vom 6. bis 9. März 2017 hat im Kardinal Schulte Haus in Bensberg (Erzbistum Köln) die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz stattgefunden. An ihr nahmen 65 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung des Vorsitzenden, Kardinal Reinhard Marx, teil.
Zur Vollversammlung, dem obersten Gremium der Deutschen Bischofskonferenz, trafen sich alle katholischen Orts- und Weihbischöfe in Deutschland und der Apostolische Exarch der Ukrainer. An vier Tagen wurden zahlreiche Gespräche geführt, Beschlüsse gefasst und Arbeitssitzungen abgehalten. Die Vollversammlung, die nicht öffentlich stattfand, ist das höchste Gremium der katholischen Kirche in Deutschland.
Während der Frühjahrs-Vollversammlung haben die Bischöfe einen Studienhalbtag unter dem Thema „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen Dienstes“ durchgeführt. Im Mittelpunkt der weiteren Beratungen standen ein Bericht des Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen und die Auswertung der bisherigen ökumenischen Ereignisse im Jahr des Reformationsgedenkens. Außerdem informierten sich die Bischöfe über den kommenden Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sowie neue kirchliche Formate im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
1. Einführung
2. Interview von Papst Franziskus in der ZEIT
3. Studienhalbtag „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen Dienstes“
4. Bischöfliche Arbeitsgruppe für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes
5. Sterben in Würde – Anmerkungen zur aktuellen Debatte 6. Woche für das Leben 2017 7. Ökumene
6. Reformationsgedenken 2017
7. Konfessionsverschiedene Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie
8. Aktuelle politische Entwicklungen und Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts
9. 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 10. Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken 11. Präsenz der Theologie in Berlin
12. Kirchliche Formate beim Jugendangebot „funk“ von ARD und ZDF 13. Weltkirche und Migration
13. 17. Internationales Bischofstreffen im Heiligen Land • Syrien – Bericht zur politischen und kirchlichen Situation • Bericht des Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen • Zur aktuellen Debatte über Abschiebungen (Afghanistan)
14. Haushaltsfragen des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) 15. Personalien
1. Einführung
Vor über 25 Jahren hat sich die Deutsche Bischofskonferenz hier in Bensberg getroffen. Damals war das die erste Vollversammlung, in der die Bischöfe aus Ost- und Westdeutschland zusammenkamen. Wir sind dankbar für die Gastfreundschaft des Erzbistums Köln.
Beim Eröffnungsgottesdienst im Kölner Dom war es mir in der Predigt wichtig, an das Prinzip der Freiheit als Gabe und Aufgabe zu erinnern. Gerade das ist es ja, was die Bischofskonferenz damals bei ihrer ersten gemeinsamen Sitzung nach der Wiedervereinigung gespürt und geprägt hat. Wir müssen Zeuginnen und Zeugen der Freiheit sein, einer Freiheit auch für jene Menschen, die nicht unsere Überzeugung teilen. Es geht um den Einsatz für eine Freiheit jener, die getreten, geschlagen und vergewaltigt werden, eine Freiheit für jene, die unterdrückt und mundtot gemacht werden. Unser Einsatz für deren Freiheit gehört zum Kern der Menschenwürde und des christlichen Auftrags. Daran zeigt sich der ununterbrochene Weg des christlichen Glaubens durch die Geschichte hindurch.
2. Interview von Papst Franziskus in der ZEIT
Wir freuen uns über das kraftvolle und nachdenkliche Interview, das Papst Franziskus der ZEIT gegeben hat und das heute erschienen ist. Die starke Sprache des Papstes, die Ehrlichkeit, wenn er auch Einblicke in einsame Momente seines Lebens gibt, und die Hinweise für weitere innerkirchliche Debatten nehmen wir als wertvolle Impulse mit auf. Mich hat besonders das Wort beeindruckt: „Ängste schließen Türen. Die Freiheit öffnet sie. Und wenn die Freiheit klein ist, öffnet sie immerhin ein Fensterchen.“
3. Studienhalbtag „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen
Dienstes“
Unser Studienhalbtag war dem Thema „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen Dienstes“ gewidmet. Er knüpfte an den Brief der deutschen Bischöfe an die Priester (2012) und an ihr Wort Gemeinsam Kirche sein (2015) zur Erneuerung der Pastoral an. In diesem Wort ging es um die Sendung und Aufgabe der ganzen Kirche für die Gesellschaft. Im Studienhalbtag ging es speziell um die Konsequenzen, die die veränderten Bedingungen des priesterlichen Dienstes und Lebens mit sich bringen. Im Mittelpunkt stand also nicht die Frage nach dem Priestermangel allgemein oder der zölibatären Lebensform im Besonderen, sondern die Frage nach dem Gelingen eines Lebens und Wirkens als Priester in der heutigen Zeit.
Bischof Dr. Felix Genn (Münster), Vorsitzender der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste, hob einleitend hervor, dass Bischöfe, wenn sie über Priester sprechen, immer auch sich selbst reflektieren würden. Bischof Genn wies auf das qualitativ neue Niveau der Erwartungen und Anforderungen hin, welches die Gläubigen und die Bischöfe von den Priestern erwarten. Angesichts dessen erweist sich das Leitbild einer umfassenden seelsorglichen Verantwortung nicht selten als menschliche und geistliche Überforderung. Herkömmliche Leitbilder vom Pfarrersein tragen nicht mehr. Wie aber die Priester den religiösen Charakter ihres Amtes in den neuen, komplexen kirchlichen und gesellschaftlichen Strukturen ausgestalten und ihre priesterliche Identität neu ausbilden sollen, das sind offene Fragen.
In einem ersten Statement berichtete Weihbischof Dr. Michael Gerber (Freiburg) über seine Erfahrungen mit jungen Priestern in der Pastoral. Er verwies auf das erfolgreiche Programmformat „Valerie und der Priester“ ( valerieundderpriester.de ), das unter jungen Menschen auf hohes Interesse stößt. Das Schwinden eines Bewusstseins bis in den Kern der Gemeinden hinein für die sakramentale Grundstruktur der Kirche und damit für eine unterscheidend priesterliche Lebensform verunsichert die Priester und lässt sie die Sinnhaftigkeit ihres Dienstes hinterfragen. Wo aber das Bewusstsein dafür geringer wird, dass es Jesus Christus selbst ist, der vorrangig in der Kirche handelt, werden der priesterliche Dienst und überhaupt jede Form von Seelsorge rasch eine Überforderung. Priester geraten dann schnell in die Rolle entweder des Opfers oder des Machers. Weihbischof Gerber nannte als Aufgabe für die Priester und Bischöfe, für ein tragfähiges Beziehungsnetz und tragfähige menschliche Rahmenbedingungen in der Pastoral zu sorgen und in die Wachstumswege junger Menschen zu investieren.
Bischof Heinrich Timmerevers (Dresden) sprach in einem zweiten Statement über „Gelingende Pfarrerrolle – auch in extremen Situationen“ und beschrieb die Spannung zwischen den gewandelten Idealforderungen an einen Pfarrer und den realen Priestern, die in der Regel noch unter ganz anderen Bedingungen Priester geworden sind und zum Pfarrer ausgebildet wurden. Es bereitet Sorge, dass wegen der gewandelten Anforderungen eine nicht unerhebliche Zahl von Priestern gar nicht mehr als Pfarrer eingesetzt werden kann. Bischof Timmerevers verwies auf die Problematik, dass wegen eines verbürgerlichten Lebensstils manchen Priestern eine spirituelle und menschliche Überzeugungskraft fehle. Dies und die hohen Anforderungen durch Managementaufgaben würden das geistliche Profil des priesterlichen Dienstes beeinträchtigen oder gar unkenntlich machen. Die Herausforderung für die Bischöfe sieht er vor allem darin, Prozesse der priesterlichen Identitätsfindung zu begleiten und zu stärken.
In einem dritten Statement sprach Weihbischof Heinz-Günter Bongartz (Hildesheim) über die „Begleitung von Priestern, die nicht als leitende Pfarrer eingesetzt werden“. Er erinnerte an die Ergebnisse der „Seelsorgestudie“, die eine hohe Zufriedenheit der Priester in der Seelsorge und eine ebenso hohe Unzufriedenheit mit den institutionellen Bedingungen von Seelsorge gezeigt hat. Vor allem die Priester, die nicht mehr länger als Pfarrer eingesetzt sind, bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit. Es sollte klar werden, dass es die Seelsorge selbst und deren verschiedene Aufgaben sind – und nicht das Management –, die das Profil eines Priesters ausmachen und einer neuen Wertschätzung bedürfen. Bischöfe selbst seien dabei ganz neu als Seelsorger der Seelsorger gefordert.
Im Anschluss an die drei Statements diskutierte die Vollversammlung die Perspektiven für den priesterlichen Dienst. Dabei kamen unter anderem folgende Aspekte zur Sprache:
• der Zusammenhang zwischen sozialem bzw. demographischem Umfeld und
Bestimmung der Pfarrer- und Priesterrolle;
• Differenzen in der priesterlichen Lebensweise zwischen ost- und westdeutschen
(Erz-)Bistümern;
• das Bedürfnis vieler Priester nach Nähe zu ihrem Bischof;
• die Frage nach den Zulassungsbedingungen zur Priesterweihe und deren Plausibilität; • die Weiterentwicklung des Priesterbildes im Kontext mit anderen pastoralen Berufen
und im Gespräch mit den Gläubigen;
• der Umgang mit Enttäuschungen und Vergeblichkeit.
Bischof Genn fasste die Diskussion zusammen und nahm folgende Anregungen für die weitere Arbeit der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste auf: Aus dem Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral Gemeinsam Kirche sein (2015) müssen konkretisierende Folgerungen gezogen werden. Dabei muss dem besonderen Dienstamt des Priesters, das für die Authentizität der Kirche notwendig ist, gesteigerte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bereits in den erwähnten Schreiben von 2012 und 2015 wurde die Notwendigkeit einer Transformation des priesterlichen Dienstes erkannt. Vorrangig muss das Verhältnis geklärt werden zwischen der in der Weihe verliehenen Teilhabe an der Leitung der Kirche einerseits und andererseits den vielfältigen Formen von kirchlichen Leitungsfunktionen bei den Laien. Eine isolierte Beschreibung des priesterlichen Dienstes in der Kirche werde der Realität nicht gerecht. Denn der priesterliche Dienst ist konstitutiv auf die ganze Kirche bezogen. Er gibt seine Besonderheit und Unverwechselbarkeit erst in einer Gesamtschau der verschiedenen Charismen und ehrenamtlichen Engagements vieler Gläubigen zu erkennen; und in der Unterscheidung der verschiedenen pastoralen Berufsgruppen, die in der Kirche in Deutschland fest etabliert sind. Die Tätigkeit des Priesters darf nicht reduziert werden auf Modelle erfolgskontrollierten, instrumentellen Handelns. Die Suche nach der priesterlichen Identität muss immer beachten, dass sie ein Sakrament und somit ein Geschenk Christi an seine Kirche ist. Die Frage, welche Priester die Kirche in Deutschland in Zukunft benötigt, steht mithin in engem Zusammenhang mit den Bestimmungen zur priesterlichen Identität. Das wiederum ist bedeutsam für Konzepte der Berufungspastoral und Priesterbildung, wie sie auf nationaler Ebene zu entwickeln sind.
4. Bischöfliche Arbeitsgruppe für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes
Im November 2015 hat der Ständige Rat die Bischöfliche Arbeitsgruppe für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes eingerichtet. Sie unterstützt den Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, in seiner Aufgabe, in Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich tätig zu werden. Darüber hinaus trägt die Arbeitsgruppe dazu bei, auf der Ebene der Bischöfe ein verlässliches und klares Eintreten für den Schutz von Kindern und Jugendlichen fest zu verankern. Bischof Ackermann berichtete als Vorsitzender der Arbeitsgruppe über eine Fachtagung, die im vergangenen Jahr in Köln stattgefunden hat und darauf abzielte, einen Überblick über kirchliche Akteure, Maßnahmen und Aktivitäten im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes zu erarbeiten. Die rund 50 Teilnehmenden spiegelten die große Vielfalt und die Breite des Engagements in der katholischen Kirche für den Kinder- und Jugendschutz wider. Es wurde vereinbart, weitere Möglichkeiten zum Austausch und zu einer stärkeren Vernetzung in diesem Bereich zu schaffen.
5. Sterben in Würde – Anmerkungen zur aktuellen Debatte
Unmittelbar vor der Vollversammlung veröffentlichte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig am 2. März 2017 ein Urteil, nach dem der Staat in „extremen Ausnahmefällen“ den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Zur Begründung hieß es, dass das im Grundgesetz verankerte Persönlichkeitsrecht auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten umfasse, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll – vorausgesetzt, er könne seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln.
Ich möchte noch einmal unsere Position erläutern: Die Entscheidung erfüllt uns mit großer Sorge und wirft erhebliche Fragen auf. Es kann nicht sein, dass der Staat dazu verpflichtet wird, die Hand zum Suizid zu reichen. Nichts anderes ist es, wenn das Gericht dem Staat die Entscheidung darüber abverlangt, ob im Einzelfall das Leben eines Menschen noch erträglich und zumutbar ist, oder ob ihm ausnahmsweise der Zugang zu einem todbringenden Medikament eröffnet werden soll. Damit muss eine Behörde ein Werturteil über die Zumutbarkeit des Lebens abgeben, das ihr bisher aus guten Gründen verwehrt ist. Die Werteordnung des Grundgesetzes verbietet solche Entscheidungen durch den Staat, da sie das Leben und die Würde jedes Menschen ungeachtet seiner körperlichen oder geistigen Verfassung schützt. Die personale Würde besteht ja gerade darin, dass auch ein von schwerer Krankheit gezeichneter Mensch sie niemals verliert und ihm die solidarische Zuwendung seiner Mitmenschen bis zuletzt zusteht.
Der Urteilsspruch scheint sich über grundlegende Wertungen des Gesetzgebers hinwegzusetzen, indem er die Tür zum staatlich assistierten Suizid – wenn auch nur einen Spalt weit – öffnet. Dabei hatte der Gesetzgeber noch Ende 2015 mit den Gesetzen zum Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung und dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung kraftvolle Signale für die Begleitung und Unterstützung Schwerstkranker, aber eindeutig gegen jegliche Formen prozeduralisierter Hilfe zum Suizid gesetzt.
In diesem Zusammenhang erinnere ich auch noch einmal an unsere klaren Positionierungen im September 2014. Anlass war damals bereits die Debatte um die Frage der Suizidbeihilfe. Wie vor drei Jahren bekräftigen wir auch jetzt unsere Forderung, dass das Leben eines jeden Menschen – gerade auch des hilfsbedürftigen, alten, kranken und verzweifelten – unbedingt zu schützen ist. Wir sprechen uns nachdrücklich dafür aus, dass jede Form des organisierten, assistierten Suizids gesetzlich verboten wird. Das jüngste Urteil aus Leipzig macht deutlich, welche hohe Bedeutung die Sorge um eine menschenwürdige Sterbebegleitung hat. Es ist wichtig, dass alte und kranke Menschen von ihren Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen fürsorglich begleitet werden. Der Wunsch zu sterben, entsteht oft erst in Einsamkeit und Verzweiflung. Deshalb drängen wir auf eine Ausweitung der Hospizangebote und eine Verbesserung der Palliativmedizin. Die katholische Kirche engagiert sich in diesem Bereich vielfältig und ist selbst Träger zahlreicher ambulanter und stationärer Einrichtungen für Palliativ- und Hospizversorgung.
Gerne erinnere ich an unseren Informationsflyer, der seit drei Jahren in hoher Stückzahl von Interessierten abgefragt wird (das gilt übrigens auch für unsere ökumenische Patientenvorsorge): Sterben in Würde – worum geht es eigentlich? In eingängiger und verständlicher Sprache stellen wir darin unsere Position dar und nehmen Begriffserklärungen vor, um damit die hochkomplexen Sachverhalte besser und differenzierter fassbar zu machen.
6. Woche für das Leben 2017
Einen weiteren Schritt zum Lebensschutz werden wir in der nächsten ökumenischen „Woche für das Leben“ vom 29. April bis zum 6. Mai 2017 setzen. Sie steht in diesem Jahr und auch 2018 unter dem Leitwort „Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“ und wendet sich damit den Fragen zu, in deren Zentrum die Wünsche nach einer sorgenfreien Schwangerschaft, einer glücklichen Geburt, einem gesunden Kind und einem guten Gedeihen des Kindes stehen.
Dieser Wunsch ist nicht nur zutiefst menschlich. Er ist auch vernünftig, berechtigt und in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Dennoch gehorchen die tatsächlichen Ereignisse oft nicht den Wunschvorstellungen. Und so stellen sich Fragen: Was kann man tun, wenn der erhoffte Kindersegen ausbleibt? Was darf man tun? Was kann vorbeugend getan werden, um eine gute Schwangerschaft und Geburt vorzubereiten? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn Zweifel darüber entstehen, ob das Kind im Mutterleib gesund ist? Wie stellt sich ihre ethische Bewertung dar? Die moderne Medizin eröffnet viele Möglichkeiten. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die meisten dieser medizinisch-technischen Möglichkeiten mit zusätzlichen Aspekten und Nebenwirkungen verbunden sind, die sich nicht ausklammern lassen. So stehen Paare und werdende Eltern vor der Notwendigkeit, sorgfältig abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Wichtig sind dabei aktuelle medizinisch-technische Informationen und auch ethische Einschätzungen und Bewertungen, die in die Meinungsbildung mit einbezogen werden müssen.
7. Ökumene
Reformationsgedenken 2017
Die Vollversammlung hat sich über die Initiativen des ökumenischen „Christusfestes“ informiert, das aus Anlass des 500. Jahrestages der Reformation mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verabredet wurde. Der Bericht schloss einen kurzen Rückblick auf die gemeinsame Pilgerreise von Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD vom 16. bis 22. Oktober 2016 ein. Der Besuch der Ursprungsorte des Christentums wurde als fruchtbar für die ökumenische Verständigung in Deutschland angesehen. In der Erklärung, die alle Teilnehmer zum Abschluss verabschiedet haben, betonten wir: „Wir kommen zurück in unser Land, das wie zu jeder Zeit auf das Wort Gottes angewiesen ist, das tröstet und befreit. Wir kommen zurück in ein Land, das – Gott sei Dank – immer stärker die ökumenische Partnerschaft zu schätzen gelernt hat und deshalb unser gemeinsames Glaubenszeugnis erwartet. Wir sind Jesu Ruf zur Einheit verpflichtet (vgl. Joh 17,21). Die Einheit ist unsere Bestimmung. Wir ermutigen dazu, auf allen Ebenen das Gemeinsame zu stärken. Christus, den auferstandenen Herrn, zu verkünden, ist unser gemeinsamer Auftrag.“
Die Eröffnung des Reformationsjahres in Lund in Anwesenheit von Papst Franziskus kann als ein erster Höhepunkt gelten und auch die nationale Eröffnung in Berlin am 31. Oktober 2016 hatte mit der Verleihung der Martin-Luther-Medaille an Kardinal Karl Lehmann einen starken ökumenischen Akzent. Bei der ökumenischen Bibeltagung am 9. Februar 2017 in Stuttgart ging es um die Herausgabe von neuer Einheits- und neuer Lutherübersetzung. In den vergangenen Jahren wurden die Einheitsübersetzung und die Lutherbibel jeweils einer eingehenden Überprüfung und Revision unterzogen. Bei der wechselseitigen Überreichung der neuen Bibeln haben der Ratsvorsitzende der EKD und ich betont, dass wir uns mit den neuen Übersetzungen an unsere gemeinsame Grundlage – die Heilige Schrift – erinnern und gleichzeitig unsere Wertschätzung für die jeweils andere Übersetzung zum Ausdruck bringen. Für die ökumenischen Gottesdienste auf den verschiedenen Ebenen empfehlen wir, auf die Texte der revidierten Einheitsübersetzung und der Lutherbibel zurückzugreifen und wenn möglich auch beide Übersetzungen zu Gehör zu bringen. Einheitsübersetzung und Lutherbibel sind damit gemeinsame Grundlage für die ökumenische Arbeit.
Diese hier nur stichpunktartig genannten Initiativen haben schon jetzt der Ökumene neue Impulse gegeben. Sie wollen in der Hinwendung zu Christus dazu beitragen, die Frohe Botschaft gemeinsam glaubwürdig zu verkünden. Die Vollversammlung habe ich – und das war mir wichtig – auch über den Besuch der Delegation der EKD bei Papst Franziskus am 6. Februar 2017 informiert. Die EKD hatte mich zur Teilnahme eingeladen. Wir sind Papst Franziskus dankbar für seine Ansprache, die wir in der Vollversammlung diskutiert haben.
Mit dem Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März 2017 in Hildesheim steht ein weiterer Höhepunkt des ökumenischen Reformationsgedenkens unmittelbar bevor. Mit diesem Gottesdienst, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz und die EKD gemeinsam einladen, wird an die leidvolle und schuldbeladene Vergangenheit erinnert und eine Geste der Versöhnung gesetzt. Wir freuen uns, dass bei diesem für unser Land wichtigen Ereignis fast alle Verfassungsorgane vertreten sein werden.
Die Vollversammlung informierte sich darüber hinaus über weitere Initiativen, wie die Dauerpräsenz der katholischen Kirche bei der Weltausstellung zur Reformation in Wittenberg: Vom 20. Mai bis 10. September 2017 findet in der Lutherstadt Wittenberg die 95-tägige Weltausstellung Reformation statt. Die katholische Kirche wird während dieser Zeit auf dem Gelände der katholischen Pfarrkirche am Rande der Wittenberger Altstadt in ökumenischer Nachbarschaft präsent sein. 21 (Erz-)Bistümer und einzelne katholische Institutionen gestalten im wöchentlichen Wechsel ein abwechslungsreiches Programm. Die Angebote reichen von Kurzmeditationen und Tagzeitenliturgie bis hin zu Gesprächsangeboten über den katholischen Glauben und kulturellen und akademischen Veranstaltungen. Flankiert wird das Programm von einem Kirchencafé und zwei Ausstellungen über den katholischen Kirchenraum und die Geschichte der katholischen Pfarrei in Wittenberg. Die katholische Kirche möchte mit ihrer Präsenz ein Zeichen gelebter Ökumene im Reformationssommer 2017 setzen.
Lassen Sie mich als weitere Initiative das Ökumenische Fest in Zusammenarbeit mit der EKD, dem Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) unter dem Leitwort „Wie im Himmel, so auf Erden“ gegen Ende des Reformationsjahres am 16. September 2017 in Bochum nennen.
Konfessionsverschiedene Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie
Wir haben uns, nicht zuletzt angeregt durch Papst Franziskus, mit dem Thema „Konfessionsverschiedene Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie“ befasst. Angesichts des hohen Anteils konfessionsverschiedener / konfessionsverbindender Ehen und Familien in Deutschland sehen wir hier eine dringende pastorale Aufgabe. Anknüpfend an die weltkirchlichen und kirchenamtlichen Bezugstexte der vergangenen Jahrzehnte bis hin zu Amoris laetitia will der Text eine Hilfestellung sein, im seelsorglichen Gespräch die konkrete Situation anzuschauen und zu einer verantwortbaren Entscheidung über die Möglichkeit des Kommunionempfangs des nichtkatholischen Partners zu kommen. In der Aussprache wurde klar, dass nach Maßgabe des Kirchenrechts die Bischofskonferenz Regelungen über den Kommunionempfang nichtkatholischer Christen unter bestimmten Voraussetzungen treffen kann. Dabei hat die Deutsche Bischofskonferenz sich bereits früher gegen kasuistische Lösungen ausgesprochen, sondern für nachvollziehbare Kriterien. Wir haben hier noch kein Ergebnis, aber wir sind mit der während der Vollversammlung geführten Diskussion auf einem guten Weg.
8. Aktuelle politische Entwicklungen und Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Bereits am Dienstag (7. März 2017) hat Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen), Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, zusammen mit Prof. Dr. Gerhard Kruip und Prälat Dr. Peter Neher ein Pressegespräch zur Frage der gesellschaftlichen Kohäsion geführt. Die Dokumente kennen Sie.
Mit Blick auf die aktuellen politischen Debatten bin ich überzeugt, dass wir jede Auseinandersetzung inhaltlich führen müssen. Es gibt natürlich eine legitime Bandbreite des politischen Engagements, aber es existieren auch Grenzen, wo wir als Christen sagen: Da sind rote Linien. Als Beispiel nenne ich Ausländerfeindlichkeit, Verunglimpfung anderer Religionsgemeinschaften, die Überhöhung der eigenen Nation, Rassismus, Antisemitismus, Gleichgültigkeit gegenüber der Armut in der Welt, aber auch eine abschätzige oder feindselige Art und Weise miteinander zu reden. Wo grob vereinfacht wird, wo Parolen zur Feindschaft beitragen – da kann ein Christ nicht dabei sein. Letztlich bestimmen die Parteien durch Personen und Programme ihre Nähe zur Kirche. Natürlich lebt politische Diskussion gerade in Wahlkampfzeiten auch von Zuspitzung. Aber es ist klar: Wir als Christen dürfen nicht den Stil von Scharfmachern und Fundamentalisten übernehmen. Erfolg muss sich messen lassen an Sachlichkeit und Respekt.
Wir haben auch über die gegenwärtigen populistischen Tendenzen in unserem Land gesprochen. Immer wieder kommt die Frage auf, ob man die AfD wählen kann oder nicht. Es geht uns nicht um eine Stigmatisierung der AfD. Aber wir distanzieren uns klar vom populistischen Vorgehen und vielen inhaltlichen Haltungen der Partei, die in Wahlprogrammen und öffentlichen Äußerungen deutlich werden. Die deutschen Bischöfe betonen ihr Bekenntnis zur repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes, zur Menschenwürde in all ihren Dimensionen (nicht nur beim Lebensschutz, auch bei der Flüchtlingsfrage), zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit, zur sozialen Marktwirtschaft, zu Inklusion und Solidarität mit den Schwachen, zum Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung. Wir unterstreichen die Notwendigkeit eines fairen, respektvollen und ehrlichen demokratischen Diskurses.
In aller Klarheit: Mit einer christlichen Perspektive ist politisches Agieren nicht vereinbar, das vom Schüren von Fremdenfeindlichkeit, von Ängsten gegen Überfremdung, von einseitiger Betonung nationaler Interessen, einem nationalistisches Kulturverständnis, Religionsfreiheit unter dem Vorbehalt staatlicher Kontrolle oder der grundsätzlichen Infragestellung der repräsentativen Demokratielebt. Wir lehnen eine politische Einseitigkeit ab, die Antworten auf drängende Fragen in einer globalisierten Welt stets so gibt, dass es auf Abschottung und Rückkehr in längst vergangene Zeiten hinausläuft, die vermeintlich Sicherheit gewährleisten.
9. 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung
Erzbischof Stephan Burger (Freiburg) hat uns als Vorsitzender der Kommission für caritative Fragen über die Ergebnisse des 5. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung informiert, der vor kurzem im Bundeskabinett verabschiedet worden ist. Der Bericht ist unter der Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vorgelegt und in einem mehrjährigen Prozess erarbeitet worden. Begleitet wurde die Erstellung durch ein wissenschaftliches Gutachtergremium und einen Beraterkreis, in dem unter anderem die Deutsche Bischofskonferenz und der Deutsche Caritasverband vertreten waren.
Zentrales Ergebnis des Berichts ist, dass sich die Situation von Armut in Deutschland trotz der guten wirtschaftlichen Situation im Vergleich zum letzten Armuts- und Reichtumsbericht nicht grundlegend verändert hat. Menschen, die von Armut betroffen sind, können sich weiterhin kaum aus ihrer Lage befreien. Verschiedene Faktoren erschweren die Auswege aus einer Armutslage: schlechte Bildung, geringe Berufsperspektiven, geringes Einkommen und höheres Gesundheitsrisiko. Nach wie vor gibt es eine hohe Abhängigkeit der sozialen Situation vom Bildungsstand der Eltern. Die Armutsrisikoquote in Deutschland ist zwischen 1998 und 2005 gestiegen und liegt seitdem stabil zwischen 14 und 16 Prozent (je nach Datenbasis). Auch die Einkommens- und Vermögensverteilung stagniert seit etwa fünf Jahren. Zu den besonders armutsgefährdeten Personengruppen gehören wie bisher Jugendliche und junge Erwachsene, Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderungen. Neuere Armutsentwicklungen sind im Bereich der Wohnungslosigkeit in den Ballungsräumen und der Überschuldung der Haushalte zu beobachten.
Die Vollversammlung hat die Erstellung des 5. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung begrüßt. Mit dem Bericht wird eine Forderung des gemeinsamen Wortes der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland in 1997 aufgegriffen. Die Bischöfe stellen fest, dass Armutsbekämpfung weiterhin eine wichtige Aufgabe der Politik bleibt, auch wenn in den vergangenen fünf Jahren keine weiteren Zuspitzungen des Armutsrisikos sowie der Einkommens- und Vermögensverteilung zu konstatieren sind. Wir vermissen zudem Untersuchungen zur verdeckten Armut und Analysen von längerfristigen, heute schon absehbaren Armutsgefährdungen, etwa zu den Auswirkungen steigender Pflegebedürftigkeit älterer Menschen. Diese Aspekte sollten beim nächsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung unbedingt berücksichtigt werden.
10. Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken
Wir haben uns mit dem diesjährigen Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken befasst. Der im Jahr 1990 begründete Preis ist die höchste Auszeichnung der katholischen Kirche im Kultursektor und wird alle drei Jahre in wechselnden Kunstsparten verliehen. Ich freue mich, dass der Preis in diesem Jahr bereits zum neunten Mal ausgelobt wird: Am 27. November 2017 werde ich in Leipzig gemeinsam mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. Thomas Sternberg, den Preis an eine Persönlichkeit aus der Musiksparte überreichen. Der Name des Preisträgers ist ermittelt, er wird am 7. Juli 2017 veröffentlicht.
11. Präsenz der Theologie in Berlin
Auf der Grundlage der Berliner Koalitionsvereinbarung werden derzeit verschiedene Ideen für eine Neuverortung der Theologie in der dortigen Wissenschaftslandschaft diskutiert. Dies betrifft zunächst die Einrichtung eines Instituts für islamische Theologie an der Humboldt- Universität, an der es lediglich eine evangelische Theologische Fakultät gibt. Aber auch die jüdische und die katholische Theologie sind im Gespräch. Wir beobachten diese Überlegungen aus dem Raum der Wissenschaft mit großem Interesse, auch vor dem Hintergrund, dass wir – wie Sie wissen – schon seit einiger Zeit selbst über eine Verstärkung eines katholischen intellektuellen Dialogangebots zu Fragen der Anthropologie, Fundamentaltheologie und politischer Philosophie in Berlin nachdenken. Vor allem der Erzbischof von Berlin, Erzbischof Dr. Heiner Koch, ist mit den verschiedenen Akteuren im Gespräch.
12. Kirchliche Formate beim Jugendangebot „funk“ von ARD und ZDF
Die von den Kirchen redaktionell verantworteten Verkündigungssendungen wie das „Wort zum Sonntag“, Gottesdienstübertragungen und die Feiertagssendungen gehören zum festen Programmangebot von ARD und ZDF. Hier hat sich die Zusammenarbeit bewährt. Gleiches gilt für die kirchlich verantworteten Formate bei den privaten Sendern Pro7.Sat1 und RTL. Es war aber auch immer ein Anliegen der Kirchen, Bewegtbildformate für eine junge Zielgruppe zu entwickeln. Diese sollen sich von den klassischen Verkündigungssendungen sowohl in Sprache und Gestaltung als auch in den Verbreitungswegen unterscheiden.
Zu den positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre gehören ökumenische Initiativen bei „funk“, dem am 1. Oktober 2016 gestarteten Online-Jugendangebot von ARD und ZDF. Ein Kirchenformat bei „funk“ heißt „frei.willig.weg.de“. Es geht um die Berichterstattung über zwei junge Menschen, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr im Ausland bei Projekten von „Adveniat“ und „Brot für die Welt“ leisten. Die Zugriffszahlen auf den Plattformen YouTube, Facebook und Instagram steigen.
Bei der zweiten Initiative handelt es sich um den Video-Wettbewerb „1’31“. Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) der Ruhr-Universität Bochum ruft jährlich mit Hilfe einer Stiftung und Kooperationspartnern (unter anderem der Rundfunkarbeit der Deutschen Bischofskonferenz, dem Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses und katholisch.de) den Video-Wettbewerb „1’31“ aus. Ziel ist, innovative und kreative Webvideo- Beiträge zu Glaubens- und Lebensfragen zu fördern sowie Talente vor und hinter der Kamera zu finden. Es werden junge YouTuber gesucht, die auch inhaltlich überzeugen. Der Wettbewerb richtet sich an Filmemacher, Anfänger und auch Profis zwischen 16 und 29 Jahren. Neben Geldpreisen gibt es Förderpreise wie Trainingswochenenden, Praktika, ein Mentoring-Programm für den erfolgreichen Auftritt bei Videoplattformen und seit 2016 eine Zusammenarbeit mit „funk“.
13. Weltkirche und Migration
17. Internationales Bischofstreffen im Heiligen Land
Die Vollversammlung hat sich mit der aktuellen Lage insbesondere der Christen im Heiligen Land auseinandergesetzt. Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier) berichtete über das diesjährige internationale Bischofstreffen „Zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land“, an dem er als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz teilgenommen hat. Bei dieser Solidaritäts- und Pilgerreise sind vom 14. bis 19. Januar 2017 Vertreter von zehn nationalen Bischofskonferenzen und der europäischen Bischofsversammlungen ComECE und CCEE mit Mitgliedern der Konferenz Katholischer Ordinarien des Heiligen Landes zusammengekommen. In diesem Jahr stand der 50. Jahrestag der Besatzung der palästinensischen Gebiete durch die israelische Armee im Mittelpunkt des Treffens. Die Situation ist für die Palästinenser nach wie vor unerträglich und hat zerstörerische Auswirkungen auf beide Völker. Dieser Zustand muss überwunden werden. Auch nach Auffassung der Deutschen Bischofskonferenz ist eine Zwei-Staaten-Lösung mit wechselseitig vereinbarten und international anerkannten Grenzen der einzige Weg, um Sicherheit und Freiheit für Israelis und Palästinenser zu gewährleisten. Diese Haltung vertritt seit vielen Jahren auch der Heilige Stuhl. Alles, was dem entgegenwirkt, insbesondere der fortgesetzte Siedlungsbau, muss gestoppt werden. Die deutschen Bischöfe bekräftigen ihre besondere Solidarität mit den Christen im Heiligen Land. Sie findet ihren Ausdruck im Gebet, in Pilgerfahrten und in der tatkräftigen Unterstützung der Arbeit der Ortskirche.
Syrien – Bericht zur politischen und kirchlichen Situation
Die Bischöfe beschäftigten sich einmal mehr auch mit der politischen und kirchlichen Situation in Syrien. Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche, Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), berichtete über das Engagement der deutschen katholischen Hilfswerke in diesem geschundenen Land bzw. für syrische Flüchtlinge in der Region. Seit Beginn des bewaffneten Konfliktes im Jahr 2011 haben die Werke mit über 110 Millionen Euro Hilfsprojekte unterstützt. Die Menschen in Syrien sind auch weiterhin auf unsere Solidarität angewiesen.
Damit Geflüchtete in ihre Heimat zurückkehren können, müssen Projekte auf den Weg gebracht werden, die dem Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur dienen, aber auch dem Aufbau von Vertrauen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Insbesondere die geflüchteten Christen brauchen mehr als funktionierende Kirchen, Krankenhäuser und Schulen, um den Mut zur Rückkehr aufzubringen. Syrien bedarf international mitgetragener Initiativen für einen gesamtgesellschaftlichen Versöhnungsprozess. Ob Sunniten oder Schiiten, Araber oder Kurden, Muslime oder Christen – alle Menschen in Syrien haben einen Anspruch auf Schutz vor Verfolgung und Repression, auf individuelle Freiheiten und auf Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. Die Sicherheit von kleineren Gemeinschaften ist hierbei von besonderer Bedeutung. Extremistische Gruppierungen, die gegen ein friedliches Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Glaubens- und Religionsgemeinschaften kämpfen, müssen daher von den Friedensverhandlungen ausgeschlossen bleiben. Insbesondere ist der sogenannte „Islamische Staat“ mit seiner Ideologie und seinen Praktiken, die die Würde so vieler Menschen in eklatanter Weise verletzen, weiterhin eine große Gefahr für die Zukunft auch der Christen in Syrien.
Bericht des Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen
Der Sonderbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen und Vorsitzende der Migrationskommission, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), hat über Entwicklungen in der kirchlichen Flüchtlingshilfe berichtet: Insgesamt wurde das Engagement für Flüchtlinge im Jahr 2016 auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens erheblich ausgeweitet. Dies betrifft vor allem die Handlungsfelder Ehrenamt, Seelsorge, Wohnraum sowie Bildung und Integration.
Die 27 deutschen (Erz-)Bistümer und die kirchlichen Hilfswerke haben im Jahr 2016 127,7 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe aufgewendet: rund 53,4 Millionen Euro für die Förderung von Initiativen im Inland und rund 74,3 Millionen Euro für Hilfsprojekte in den Krisenregionen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 hatten die (Erz-)Bistümer und Hilfswerke 112 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt; davon rund 71 Millionen Euro im Inland und 41 Millionen Euro im Ausland. Diese Zahlen sind Mindestangaben, da die außerordentliche Flüchtlingshilfe der Ordensgemeinschaften und der kirchlichen Verbände nicht erfasst ist.
Die rund 100.000 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in den Kirchengemeinden, den Ordensgemeinschaften, den katholischen Verbänden und bei der Caritas haben entscheidend dazu beigetragen, dass sich die „Willkommenskultur“ für Flüchtlinge und Asylbewerber zu einer „Integrationskultur“ weiterentwickelt hat. Zusätzlich bieten mehr als 5.900 hauptamtliche Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen professionelle Hilfen für Flüchtlinge an, z. B. im Bereich der Rechtsberatung, der Gesundheitsvorsorge sowie der Sprach- und Integrationsförderung. Viele hauptamtliche Fachkräfte sind zugleich Ansprechpartner und Koordinatoren für die ehrenamtlich Engagierten.
Um über eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der kirchlichen Flüchtlingshilfe zu beraten, hatte Erzbischof Heße am 29. September 2016 zum zweiten Katholischen Flüchtlingsgipfel nach Frankfurt am Main eingeladen. Mehr als 140 Praktiker und Experten der kirchlichen Flüchtlingshilfe diskutierten die Frage, auf welche Weise die Kirche weiterhin zu gelingender Integration beitragen kann. Der thematische Fokus lag auf Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der gesellschaftlichen Teilhabe. Dazu zwei Beispiele:
• Bildung und Arbeit: Bisher wurden in schätzungsweise jeder dritten katholischen
Kindertageseinrichtung geflüchtete Kinder aufgenommen. Auch katholische Schulen und Hochschulen haben – wenn auch in zahlenmäßig geringem Umfang – Flüchtlinge in Klassen und Studiengängen integriert. Darüber hinaus wollen kirchliche Einrichtungen und katholische Unternehmer zukünftig verstärkt die Arbeitsmarktteilhabe von Flüchtlingen fördern, indem sie beispielsweise Praktika und Ausbildungsplätze an Flüchtlinge vergeben.
• Interreligiöser und interkultureller Austausch: Die Vertiefung interreligiöser und
interkultureller Kompetenzen spielt auf vielen Ebenen des kirchlichen Lebens eine zunehmend wichtige Rolle. Der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen hat im Jahr 2016 angeregt, das Projekt „Weißt du, wer ich bin?“ mit einem Schwerpunkt auf jüdisch-christlich-muslimischen Kooperationen in der Flüchtlingshilfe neu aufzulegen. Dafür hatte das Bundesministerium des Innern finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Insgesamt konnten 32 „Best-Practice-Projekte“ gefördert werden.
Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt, dürften angesichts der gegenwärtigen Fluchtbewegungen allein im Jahr 2015 bis zu 200.000 Christen aus dem Orient nach Deutschland gekommen sein. Die große Mehrheit von ihnen sind Angehörige orthodoxer Kirchen, aber auch die meisten der 23 mit Rom verbundenen Ostkirchen sind mit Gläubigen und Seelsorgern in Deutschland präsent. Alle (Erz-)Bistümer bieten deshalb zusätzliche Gottesdienste und Gebetszeiten in arabischer Sprache und in den verschiedenen Riten an. Einige (Erz-)Bistümer haben auch seelsorgliche Handreichungen für die Katholiken aus dem Orient veröffentlicht und Priester beauftragt, die sich um die Pastoral kümmern. Bereits im Januar hat der Ständige Rat Weihbischof Dr. Dominicus Meier OSB (Paderborn) zum Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Gläubigen der unierten (mit Rom verbundenen) Ostkirchen berufen. Er wird sich der Koordination in diesem pastoralen Feld widmen. Bei all dem steht im Vordergrund, dass die Schwestern und Brüder im Glauben, die bei uns Zuflucht suchen, hier auch eine religiöse Beheimatung finden.
Zur aktuellen Debatte über Abschiebungen (Afghanistan)
Aktuell rückt das Thema „Rückkehr und Abschiebungen“ in den Vordergrund, das der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen ebenfalls dargelegt hat. Die Deutsche Bischofskonferenz hat in den Leitsätzen des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge (2016) betont: „Jeder Mensch, der bei uns Zuflucht sucht, hat Anspruch auf ein faires Verfahren und eine menschenwürdige Behandlung. Dies gilt auch für jene, die nicht dauerhaft in Deutschland bleiben können.“ Diesem Anspruch gerecht zu werden, ist eine Herausforderung für die inländische und ausländische Flüchtlingshilfe der Kirche.
Nach der zweiten Sammelabschiebung haben der Vorsitzende der Migrationskommission, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), und der Vorsitzende der EKD-Kammer für Migration und Integration, Präses Manfred Rekowski, eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. Darin betonen sie, dass „kein Mensch in eine Region zurückgeschickt werden darf, in der sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist. Die Sicherheit der Person muss stets Vorrang haben gegenüber migrationspolitischen Erwägungen.“ Und ferner: „Wenn ein Asylbewerber infolge eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens in seine Heimat zurückkehren muss, trägt unser Land die Verantwortung für sein Wohlergehen. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob Gefahren für Leib und Leben drohen und ob eine Rückkehr tatsächlich zumutbar ist.“ Den Kirchen geht es nicht darum, Rückführungen grundsätzlich infrage zu stellen. Abschiebungen in lebensgefährliche Gebiete sind jedoch inakzeptabel.
Im Vorfeld der dritten Sammelabschiebung haben der Ratsvorsitzende der EKD und ich die Rückführungen nach Afghanistan kritisiert. Ich wiederhole in diesem Zusammenhang: Man darf niemanden abschieben in ein Land, wo Krieg und Verfolgung drohen. Dieser Grundsatz sollte auch für weitere kirchliche Stellungnahmen zu der Thematik maßgeblich sein.
14. Haushaltsfragen des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD)
In der Vollversammlung habe ich auch über den Erneuerungsprozess berichtet, den gegenwärtig gerade der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) durchläuft. Wie Sie wissen, hatten die (Erz-)Bistümer darum gebeten, das gesamte Spektrum der Verbandsaktivitäten daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie auch künftig ratsam oder notwendig erscheinen. Erwartet werden dabei auch Vorschläge für eine substantielle Ausgabenreduzierung. Diese Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Es wurden bereits einige Empfänger finanzieller Unterstützung durch den VDD identifiziert. Mit ihnen ist die Geschäftsstelle des VDD im Gespräch. Bei der Überzahl der Zuwendungsempfänger befinden wir uns inmitten der Überprüfung. Es geht zentral um die Frage, was der Verband unter den heutigen Umständen tun soll und leisten kann, nicht nur um einen Sparprozess.
15. Personalien
• Weihbischof Dr. Dominicus Meier OSB (Paderborn) wird zum Mitglied der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz gewählt.
• Weihbischof Ludger Schepers (Essen) wird Mitglied der Koordinierungskonferenz zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK).
• Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg (München und Freising) wird zum Mitglied der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz gewählt.
• Dr. Timo Güzelmansur (Frankfurt) wird erneut zum Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle CIBEDO berufen.
• Dr. Dagmar Nelleßen-Strauch (Bonn) wird zur Leiterin des Bereichs Kirche und Gesellschaft im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz bestellt.
Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, anlässlich der Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrs-
Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 9. März 2017 in Bensberg /Bild DBK
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Herausgeber
P. Dr. Hans Langendörfer SJ Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz