IGeL-Report 2020 und der Umgang mit COVID-19-Antikörpertests - Versicherte brauchen bessere Information und Aufklärung. - Drei von vier Patientinnen und Patienten kennen Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in der Arztpraxis. Zu den Topsellern gehören nach wie vor auch IGeL, die mehr schaden als nützen. Neu auf dem IGeL-Markt sind COVID-19-Antikörpertests. Aufgrund nicht ausreichender Aufklärung über die Bedeutung der Testergebnisse besteht die Gefahr, dass Patientinnen und Patienten sich in falscher Sicherheit wiegen und deshalb Abstands- und Hygieneregeln missachten könnten. In einer repräsentativen Befragung hat der IGeL-Monitor für seinen IGeL-Report 2020 knapp 2.300 Versicherte befragt. Teilgenommen haben gesetzlich Krankenversicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren. Die Befragung, die noch vor Ausbruch der Pandemie erfolgte, bestätigte die Ergebnisse des IGeL- Reports 2018.
Die TOP 10 der am meisten verkauften IGeL sind nahezu unverändert. An der Spitze stehen nach wie vor die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung beim Augenarzt und der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung - bei beiden überwiegt der mögliche Schaden den Nutzen. Weiterhin dabei ist auch der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, der aus Sicht des IGeL-Monitors ebenfalls kritisch zu bewerten ist. "Beim Umgang mit den IGeL-Angeboten ist entscheidend, dass die Patientinnen und Patienten gut aufgeklärt und informiert werden. Für den Verkauf von Selbstzahlerleistungen gelten verbindliche Regeln. Es muss gut informiert werden, und es darf kein Druck aufgebaut werden. Beides wird von Versicherten beklagt und muss sich ändern", sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.
Neue IGeL: COVID-19-Antikörpertests
Verbesserungspotenziale gibt es auch beim Umgang mit den COVID-19-Antikörpertests. Im Juli hat der MDS eine ergänzende Versichertenbefragung beauftragt und eine stichprobenartige Recherche bei 50 Arztpraxen durchgeführt. Ziel war es, herauszufinden, ob solche Tests überhaupt angeboten und angenommen werden und wie dabei die Aufklärung der Patienten erfolgt. Von 50 Arztpraxen bot die Hälfte Antikörpertests an, und nur zwei lehnten sie explizit ab. Meist wurden Labortests angeboten, zum Teil aber auch Schnelltests, von denen sowohl das Robert Koch-Institut als auch die Weltgesundheitsorganisation und die Fachgesellschaft der Hausärzte abraten.
Zu den Erfahrungen mit den COVID-19-Antikörpertests wurden rund 6.800 gesetzlich Krankenversicherte befragt. Sechs Prozent der Befragten haben bereits einen COVID-19-Antikörpertest angeboten bekommen oder selbst danach gefragt. Die Initiative ging jeweils zur Hälfte vom Patienten oder vom Arzt aus. Am häufigsten haben Patienten danach gefragt, wenn sie Wochen oder Monate vor dem Test Symptome hatten. Andererseits berichteten 54 Prozent der Befragten, dass sie den Antikörpertest angeboten bekamen, obwohl sie keinerlei Symptome hatten.
Die Versicherten wurden auch zur Motivation für den COVID-19-Antikörpertest befragt. Demnach stand der Wunsch, abklären zu lassen, ob man die Erkrankung bereits hatte und eine Immunität vorliegt, im Vordergrund. Andere verbanden damit die Hoffnung auf mehr Bewegungsfreiheit. "Die Rolle der COVID-19-Antikörpertests zur Feststellung der Immunität ist aber noch ungewiss. Es gibt noch keine sicheren Erkenntnisse dazu, ob und wie lange eine Immunität nach einer Infektion anhält", sagt Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs "Evidenzbasierte Medizin" des MDS.
Bei der Interpretation der Testresultate wurden die Patienten häufig alleine gelassen. Über ein Viertel der Getesteten wurde im Unklaren darüber gelassen, wie sich ein positiver Test auf die Immunität auswirkt. Mehr als ein Drittel der Versicherten, die einen COVID-19-Antikörpertest gemacht haben, erhielten keine Information darüber, dass die Tests mit Unsicherheiten verbunden sind. Knapp die Hälfte der Befragten wurde nicht darüber aufgeklärt, dass falsch positive Ergebnisse häufig möglich sind. "Besonders falsch positive Ergebnisse bergen aber die Gefahr, dass sich Menschen in trügerischer Sicherheit wiegen", erklärt Eikermann. "Sie denken COVID-19 kann ihnen nichts mehr anhaben und nehmen deshalb die Abstands- und Hygieneregeln möglicherweise nicht mehr ernst. Dadurch können sie sich und andere gefährden."
Hintergrund
Das Internetportal www.igel-monitor.de wird vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) betrieben. Es bietet Versicherten eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für oder gegen die Inanspruchnahme von Selbstzahlerleistungen. Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM). Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer IGeL-Leistung recherchiert das Team aus Medizinern und Methodikern beim MDS in medizinischen Datenbanken. Die Wissenschaftler tragen die Informationen nach einer definierten Vorgehensweise zusammen und werten sie systematisch aus.
Alle Analyseschritte einer Bewertung sind auf dem IGeL-Monitor dokumentiert. Jede bewertete IGeL wird in mehreren Ebenen dargestellt, die von Stufe zu Stufe ausführlicher und fachlicher werden: von der zusammenfassenden Bewertungsaussage bis hin zu den für ein Fachpublikum hinterlegten Ergebnissen der wissenschaftlichen Recherche und Analyse. Versicherte erfahren außerdem, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei den Beschwerden übernommen werden, für die ärztliche Praxen die IGeL-Leistung anbieten. Sie erhalten auch Auskunft über die Preisspanne. Und schließlich gibt der IGeL-Monitor Tipps, wie sich Versicherte im konkreten Fall verhalten können, wenn ihnen IGeL angeboten werden.
Der MDS (Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes) berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.
Bildnachweis "MDS"- Dr. Peter Pick - Geschäftsführer des MDS
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