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15.12.2022 - Die Klägerin war seit Mai 2018 bei der Beklagten, einer Autovermietung, am Flughafen Düsseldorf als Rental Sales Agentin, bei der kein Betriebsrat gebildet ist, beschäftigt. Am 16.01.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin wegen angeblichen Zuspätkommens an drei Tagen eine Abmahnung. Am 09.08.2021, 11.08.2021, 14.08.2021 und 17.08.2021 stempelte die Klägerin sich zwischen vier bis 22 Minuten zu spät ein. Ge-meinsam mit zwei Kolleginnen lud die Klägerin mit Schreiben vom 20.08.2021 zu einer Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl ein. Mit Schrei-ben vom 27.08.2021 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristge-recht (erste Kündigung). Sie begründet dies mit den viermaligen Verspätungen im Au-gust 2021 sowie privaten Telefonaten am Counter. Die Klägerin wendet ein, sie habe jeweils am Counter Bescheid gegeben. Es seien bei Arbeitsantritt sämtliche Rechner besetzt gewesen seien, an denen sie hätte einstempeln können. Private Telefonate habe sie nur im BackOffice geführt.

Am 21.09.2021 sollte die Betriebsversammlung in einem Raum im Flughafengebäude stattfinden. Der dafür vorgesehene Raum war wegen der Corona-Beschränkungen für den erschienen Mitarbeiterkreis zu klein. Die Beklagte bot den Wechsel in einen grö-ßeren Raum in einem nahe gelegen Hotel an. Dies wurde abgelehnt und die Wahlver-sammlung fand nicht statt. Die Beklagte kündigte der Klägerin darauf mit Schreiben vom 03.11.2021 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht (zweite Kündigung). Sie warf ihr vor, zusammen mit ihren Kolleginnen absichtlich einen zu kleinen Raum angemietet zu haben. Der Plan sei gewesen, sich selbst zum Wahlvorstand zu wählen, wenn kaum Beschäftigte der Einladung folgen. Sollte dies anders sein, hätte die Gefahr bestanden, nicht die nötige Mehrheit zu erhalten. Es sei für diesen Fall - wie geschehen - der Plan gewesen, die Veranstaltung abzusagen und sich als Wahlvorstand durch das Arbeits-gericht einsetzen zu lassen. Die Klägerin wendet ein, dass der Raum nicht durch sie, sondern den Gewerkschaftssekretär gebucht worden sei. Die Raumkapazität sei ihr und ihren beiden Kolleginnen vorher nicht bekannt gewesen.
Am 09.12.2021 betrat die Klägerin ohne vorherige Absprache mit der Beklagten zu-sammen mit einer Kollegin den Backoffice-Bereich der Filiale und hängte dort eine neue Einladung zu einer Wahlversammlung aus. Die Beklagte sah in dem Verhalten einen Hausfriedensbruch und kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2021 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht (dritte Kündigung). Zudem habe sie beim Durchqueren der Filiale Kunden massiv verschreckt. Dem widerspricht die Klägerin.
Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat ebenso wie das Arbeitsge-richt alle drei Kündigungen für rechtsunwirksam erachtet. Die Berufung der Arbeitge-berin hatte keinen Erfolg.
Die erste Kündigung war als außerordentliche und ordentliche rechtsunwirksam, weil es einer erneuten Abmahnung bedurft hätte. Es war zu würdigen, dass die Klägerin auch nach der Abmahnung am 16.01.2021 in den folgenden sieben Monaten regelmä-ßig zu spät kam, ohne dass dies Folgen hatte. Die Warnfunktion der vorherigen Ab-mahnung war dadurch verbraucht. Bezogen auf die angebliche private Handynutzung am Counter fehlte es von vornherein an einer Abmahnung. Die Beklagte hatte zudem keine nennenswerten konkreten negativen Folgen des beanstandeten Fehlverhaltens aufgezeigt.
Unabhängig davon konnte die erste Kündigung als ordentliche nicht rechtswirksam sein, weil die Klägerin den Schutz als Wahlbewerberin gemäß § 15 Abs. 3a KSchG genoss. Darauf durfte sie sich berufen. Dies war nicht rechtsmissbräuchlich. Die tat-sächlichen Anhaltspunkte genügten zur Überzeugung der Kammer nicht, um von dem von der Arbeitgeberin behaupteten Plan auszugehen. Aus diesem Grund war auch die zweite Kündigung mangels Vorliegen eines Kündigungsgrundes unwirksam. Der von der Arbeitgeberin behauptete Plan sei zwar als Möglichkeit denkbar. Dies genügte in-des nicht, weil es ebenso möglich war, dass die Klägerin und die beiden anderen Initi-atorinnen trotz des tatsächlich zu kleinen Raums den Willen hatten, ordnungsgemäß eine Wahlversammlung abzuhalten. Unabhängig davon läge selbst bei Verfolgung des behaupteten Plans keine zur Kündigung berechtigende arbeitsvertragliche Pflichtver-letzung vor. Der etwaige Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten be-rechtigte nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Betreffend die dritte Kündigung liegt an sich ein Kündigungsgrund vor. Als fristlos ge-kündigte Mitarbeiterin durfte die Klägerin die Räumlichkeiten der Arbeitgeberin nicht mehr betreten, um dort die Einladung aufzuhängen. Sie verletzte damit deren Haus-recht. Die Interessenabwägung fiel indes zu Gunsten der Klägerin aus. Hierbei war zu würdigen, dass die Arbeitgeberin, so die Kammer in der Verhandlung, im Zusammen-hang mit dem Versuch der Bildung eines Betriebsrats mit „harten Bandagen“ gespielt hatte. Blieben die Verspätungen der Klägerin sieben Monate folgenlos, erfolgte ca. eine Woche nach Einladung zur Wahlversammlung die fristlose Kündigung. Die ande-ren beiden Initiatorinnen wurden freigestellt und erhielten Abfindungsangebote. Die Begründung dafür, dass eine der beiden Initiatorinnen ohnehin das Haus verlassen wollte, war nicht nachvollziehbar. Sie hatte nur einen Monat zuvor ihren Vertrag ver-längert. Wenn in einer solchen Situation auf Seiten der Arbeitnehmerinnen der Ein-druck entstehe, dass beabsichtigt sei, einen möglichen Wahlvorstand aus dem Arbeits-verhältnis zu drängen, sei dies nachvollziehbar. Wenn dann die Klägerin trotz fristloser Kündigung nochmals versuche, zur Wahlversammlung einzuladen, rechtfertige dies in der Abwägung aller Umstände keine Kündigung.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 08.11.2022 - 8 Sa 243/22
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2022 - 10 Ca 4119/21

Die 8. Kammer hat in zwei weiteren, weitgehend parallel gelagerte Berufungsverfahren betref-fend die beiden anderen Wahlinitiatorinnen ebenfalls die den Kündigungsschutzklagen statt-gebenden Urteile des Arbeitsgerichts bestätigt und die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 08.11.2022 - 8 Sa 242/22 und Urteil vom 08.11.2022 - 8 Sa 244/22).
„Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversamm-lung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungs-gesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vor-liegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kün-digungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Ju-gend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht ge-wählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antrag-stellung an drei Monate.
…“

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf