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Der Brexit kann keinen kaltlassen". Europa darf jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen", fordert ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke im DHB-Interview.

DHB: Herr Schwannecke, trifft der Brexit auch das Handwerk?

Holger Schwannecke: Ich glaube, der Brexit kann keinen kalt lassen. Die EU verliert ein wichtiges Mitglied! Aber da ist eine Entscheidung getroffen worden und jetzt muss man mit den Konsequenzen leben. Wir haben intensive Verflechtungen der deutschen Wirtschaft und des Handwerks mit der britischen Wirtschaft. Allein im Handwerk arbeiten zehn Prozent der Unternehmen im Ausland.

DHB: Welche Gewerke werden denn am stärksten betroffen sein?
Schwannecke: Das geht quer durch alle Gewerke, das betrifft den Gesundheitssektor genauso wie den Bereich Feinmechanik. Wir haben eine ganze Reihe von Gewerken, die unter anderem an der Automobilindustrie hängen. Und wenn man weiß, dass Großbritannien ein großer Absatzmarkt für die deutsche Automobilindustrie ist, dann können auch die Zulieferer aus dem Handwerk betroffen sein.

DHB: Wie sollte es jetzt weitergehen?
Schwannecke: Europa darf jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Vieles der britischen Kritik war ja berechtigt. Die EU-Kommission muss beispielsweise einen Strich ziehen und ihre bisherige Arbeit überprüfen. Es muss gelten, was der Präsident des EU-Parlamentes, Martin Schulz, jüngst gesagt hat, nämlich bei neuen Aktivitäten dreimal hinzugucken und zu prüfen, ob sie wirklich notwendig sind. Wir müssen den Apparat in Brüssel bremsen. Die verbleibenden EU-Mitglieder müssen aber auch zu einem besseren Miteinander kommen.

DHB: Konjunkturell steht das Handwerk ja noch sehr gut da…
Schwannecke: In der Tat, der Start ins Jahr 2016 ist dem Handwerk so gut gelungen wie noch nie. Wenn wir uns den Geschäftsklimaindex anschauen, dann sagen 90 Prozent der Unternehmen, die Lage ist gut oder zumindest befriedigend. Steigende Löhne, niedrige Zinsen und eine gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sorgen für eine starke Nachfrage. Für 2016 erwarten wir daher ein Umsatzplus von zwei Prozent.

DHB: Nun ist die Konjunktur ja nicht alles. Wie sieht es denn auf den anderen Baustellen aus, zum Beispiel beim Thema Unternehmensübergabe?
Schwannecke: Junge Menschen müssen schon in der Schule mehr über Wirtschaft und Unternehmertum erfahren. Solange das nicht passiert und im sozialen Umfeld Vorbilder fehlen, werden sich junge Leute schwer tun, in die Unternehmerrolle zu springen. Letztendlich müssen junge Menschen überzeugt werden.

DHB: Wie kann das gelingen?
Schwannecke: Die Jugend hat bestimmte Erwartungen, wie sie leben möchte – besonders, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht. Sie erwartet ein Stück Freiheit und ein Stück Sicherheit. Die glauben viele im Bereich abhängiger Beschäftigung zu finden. Das ist aber trügerisch. Nicht jeder ist für den Öffentlichen Dienst geschnitzt. Wir müssen die Chancen der Selbständigkeit deutlicher machen. Guter Verdienst, fachliche Weiterentwicklung, Innovation, Expansion. Wir haben ja nicht umsonst leistungsstarke junge Leute ins Visier genommen – also Abiturienten oder Studienaussteiger.

DHB: In Rheinland-Pfalz steht seit kurzem ein Meisterbonus im Koalitionsvertrag, der zur finanziellen Gleichstellung der beruflichen Bildung beitragen soll.    
Schwannecke: Das Handwerk begrüßt die verschiedenen Initiativen von Landesregierungen, um die Meisterausbildung als Voraussetzung für Selbstständigkeit im Handwerk und als Qualitätsmerkmal attraktiver zu machen. Im Vergleich mit der akademischen Bildung kommt die berufliche Bildung jedoch noch zu kurz. Hier muss auch finanziell mehr getan werden. Die Berufsbildungszentren des Handwerks sind beispielsweise der Schlüssel für die Vorbereitung auf die Digitalisierung. Hier muss viel mehr modernisiert, also auch investiert werden. Die Politik hat sich zu lange einseitig um die akademische Bildung bemüht. Die formale Gleichwertigkeit mit der beruflichen Bildung muss man auch leben, und dazu gehört für uns auch die finanzielle Seite.

DHB: Der Meisterbrief ist ja der zweite Schritt. Erst müssen Sie junge Menschen in eine Ausbildung bekommen.
Schwannecke: Das Handwerk wirbt um alle jungen Leute – für schwächere Schulabgänger gibt es Programme, um sie an die Ausbildung heranzuführen und dann zu unterstützen. Wir versuchen auch, junge Flüchtlinge zu integrieren. Und wir haben ein neues Instrument der Bildungspolitik vorgeschlagen, um mehr leistungsorientierte Jugendliche für das Handwerk zu gewinnen; das Berufsabitur. Wir möchten, dass es in Deutschland möglich ist, einen Berufsabschluss parallel zum Abitur zu erwerben. Das gibt es in Österreich und in der Schweiz. Wir haben es uns dort angeschaut und es läuft in beiden Ländern sehr, sehr gut.

DHB: Wie funktioniert das?
Schwannecke: Viele junge Leute wünschen sich weniger theoretische Aufgaben, dafür mehr Praktisches, mehr Handlungsorientierung. Doch die Familien glauben, dass nur das Abitur die Sicherheit bietet, studieren und Karriere machen zu können. Mit dem Berufsabitur verbinden wir beide Wünsche. Für uns ist wesentlich, dass in Österreich und der Schweiz mehr als 50 Prozent der jungen Leute, die ein Berufsabitur abschließen, hinterher auch in den Betrieben bleiben. Und selbst wer studiert, findet oft den Weg zurück.

Interview: Andreas Schröder

Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
Mohrenstraße 20/21, 10117 Berlin