Studie: Neonikotinoid-Verbot im Raps kostet EU-weit jährlich 900 Mio. Euro. Verlierer ist auch die Umwelt durch höhere Treibhausgas-Emissionen und höheren Wasserverbrauch. Den europäischen Rapsproduzenten und -verarbeitern entstehen durch das geltende Anwendungsverbot für drei Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonikotinoide jährlich Verluste in Höhe von fast 900 Mio. Euro.
Zu diesem Ergebnis kommt eine von Bayer und Syngenta in Auftrag gegebene und von der Forschungsgesellschaft HFFA Research GmbH durchgeführte Studie, die heute im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin vorgestellt wurde.
Seit die Europäische Kommission 2013 den Einsatz von Neonikotinoiden beschränkt hat, blieb ungeklärt, welche Folgen das für die europäischen Landwirte hat. Ziel der von Dr. Steffen Noleppa, Hauptautor und Geschäftsführer der HFFA Research GmbH, vorgestellten Studie war es, am Beispiel der Rapsproduktion festzustellen, wie sich die EU-weiten Anwendungsbeschränkungen wirtschaftlich und ökologisch auswirken. Die Wirkungen auf Bestäuber, die Gegenstand zahlreicher Studien sind, hat er dabei nicht berücksichtigt.
Der Hauptschädling von Raps ist der Rapserdfloh, gegen den nur einige wenige Wirkstoffe existieren. Für die Rapsbauern haben die fehlenden Möglichkeiten der Saatgutbehandlung mit Neonikotinoiden daher besondere Bedeutung. Die Studie konnte drei wesentliche Auswirkungen des Verbots für die europäischen Rapsbauern ermitteln. Erstens führt das Verbot zu einem Rückgang der Erntemenge um 4 Prozent, was einem Ertragsverlust von 912.000 Tonnen entspricht. Zweitens kommt es zu einem Qualitätsverlust bei durchschnittlich 6,3 Prozent der Ernte, und drittens sind durchschnittlich 0,73 zusätzliche Blattanwendungen mit Pflanzenschutzmitteln pro Hektar Rapsanbaufläche erforderlich.
Diese Auswirkungen entsprechen einem Umsatzverlust auf dem Markt von 350 Mio. Euro. Hinzu kommen Verluste in Höhe von über 50 Mio. Euro aufgrund der geringeren Qualität, um knapp 120 Mio. Euro erhöhte Produktionskosten und Verluste von mehr als 360 Mio. Euro in vor- und nachgelagerten Bereichen. Insgesamt entstehen der europäischen Rapswirtschaft durch das Verbot von Neonikotinoiden so jährliche Verluste in Höhe von knapp 900 Mio. Euro.
Zudem weist Noleppa mit der Studie erhebliche ökologische Folgen des Verbots aus globaler Sicht nach: Angesichts der konstant hohen Nachfrage nach Raps muss der Produktionsrückgang in der EU durch Mehrproduktion in anderen Regionen der Welt ausgeglichen werden. Die Verlagerung der Rapsproduktion in Länder außerhalb der EU geht mit einem geschätzten zusätzlichen Anbauflächenbedarf von 533.000 Hektar außerhalb Europas einher, verursacht den Ausstoß von 80,2 Mio. Tonnen Kohlendioxid sowie einen zusätzlichen Wasserverbrauch von 1,3 Mrd. Kubikmeter. Durch die Umwandlung von Grasland und artenreichen Lebensräumen in Ackerflächen führt dies zudem zu einem Verlust an biologischer Vielfalt.
Solange Neonikotinoide zur Saatgutbeizung nicht zur Verfügung stehen, müssen Landwirte in Europa auf „zweitbeste Lösungen“ zurückgreifen. In der Praxis ist dies der Einsatz von Pyrethroiden zur Sprühanwendung. Dies war nicht nur mit Kosten für die Betriebe verbunden, sondern hatte auch ökologische Folgen. Die Ausbringung von zusätzlichen Blattinsektiziden führte im Inland zu einem vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen, einem zusätzlichen Wasserverbrauch pro Jahr sowie einem Anstieg der Produktionskosten um annähernd 120 Mio. Euro. Für Studienleiter Noleppa ist das Ergebnis eindeutig: „Aus dieser umfassenden Analyse geht klar hervor, dass sich das Verbot nicht nur negativ auf die europäische Rapswirtschaft ausgewirkt hat, sondern auch weitreichende Folgen für die Umwelt hatte.“
Olaf Feuerborn, der Präsident des Bauernverbands Sachsen-Anhalt, sieht die Folgen des Verbots auch aus Sicht der deutschen Landwirte überaus kritisch. „Der Wegfall der neonikotinoiden Beizung bereitet den Ackerbauern gerade in Jahren mit hohem Schädlingsdruck, wie dies in 2016 der Fall war, Schwierigkeiten. So beobachteten wir im vergangenen Jahr einen verstärkten Läusebefall, der durch eine sachgerechte Beizung so sicherlich nicht aufgetreten wäre. Läuse übertragen pflanzenschädigende Viren. Folge einer eingeschränkten Palette an Pflanzenschutzmitteln ist die Zunahme problematischer Resistenzen“, so Feuerborn.
„Die Europäische Kommission hat das Anwendungsverbot für die drei Neonikotinoid-Wirkstoffe vor knapp vier Jahren in einem regelrechten Hauruckverfahren beschlossen. Festgelegt wurde dabei, die Regelung nach zwei Jahren anhand neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überprüfen – worauf wir immer noch warten“, kommentierte IVA-Präsident Dr. Helmut Schramm und führte aus: „Was die Folgen der Anwendungsverbote angeht, so zeigt die Studie der HFFA Research GmbH eindrücklich, dass die wirtschaftlichen Schäden für die europäische Landwirtschaft sogar höher sind als ursprünglich angenommen. Doch die Auswirkungen sind weitreichender, wie man etwa an der Zunahme der Spritzanwendungen oder dem erhöhten Wasserverbrauch sieht.“
Andreas Baer, Mitglied der Fachkommission Produktionsmanagement der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V. (UFOP) und Leiter der Produktionsabteilung bei der Norddeutschen Pflanzenzucht (NPZ), verweist auf die von Seiten der Züchter in den vergangenen Jahren geleisteten, erheblichen Investitionen zur Optimierung des Beizprozesses. „Sollte der Rapsanbau durch die veränderten Rahmenbedingungen der Beizung ökonomisch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, verlieren wir nicht nur die wichtigste Futterquelle der Bienen, sondern auch ein wertvolles Fruchtfolgeglied im Ackerbau.“
Aus Sicht der UFOP und der des Industrieverbands Agrar e. V. (IVA), die zu der Studienvorstellung eingeladen hatten, zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Entscheidung der Europäischen Kommission, den Einsatz von drei Neonikotinoiden in der EU zu beschränken, neben den wirtschaftlichen Kosten auch erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt nach sich zieht. Alles weist darauf hin, dass es für Landwirte unabdingbar ist, über mehr als eine Lösung zur Bekämpfung von Schädlingen zu verfügen, um einer Entwicklung von Resistenzen vorzubeugen.
die Studie können sie >> hier die entsprechenden Dokumente herunterladen
Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V.
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle