Überbordende Bürokratie im Alltag eindämmen: IHK übermittelt Beispiele an das Land. „Geordnete administrative Abläufe sind wichtig. Sie unterstützen im Idealfall auch das wirtschaftliche Handeln. Allerdings erleben Unternehmen immer wieder, wie eine Vielzahl behördlicher Eingriffe deutlich über dieses Ziel hinausschießt. Teilweise wird dadurch die Grenze zur Absurdität überschritten.“ Felix G. Hensel, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen, begrüßt das im Koalitionsvertrag der neuen NRW-Landesregierung angekündigte Vorhaben, übermäßigen bürokratischen Aufwand einzudämmen. Allerdings dürfe es nicht bei der Ankündigung bleiben.
Zu drängend seien die durch überbordende Bürokratie verursachten Probleme, über die auch heimische Betriebe regelmäßig berichteten. Beispiele hierfür gebe es in allen Bereichen wirtschaftlicher Aktivität. „Häufig sind die Vorgaben mit der Zeit immer stärker ausgebaut worden und dies geschieht auf allen staatlichen Ebenen“, erläutert Hensel. Deshalb habe die IHK nun auf ausdrücklichen Wunsch von Wirtschaftsminister Prof. Dr. Pinkwart Beispiele zusammengetragen, um exemplarisch aufzuzeigen, „wo der Schuh drückt“. Diese habe man auch den heimischen Landtagsabgeordneten an die Hand gegeben.
Die Probleme reichen dabei von einer erdrückenden Regelungsfülle über unzumutbare Bearbeitungszeiten bis hin zu wirklichkeitsfremden Nachweispflichten. Beispiel Hagelauer Likörfabrik GmbH in Siegen. Die Vorschriften für die Kennzeichnung von Produkten aus eigener Erzeugung sind derart umfassend, dass es nicht leicht ist, den Überblick zu behalten. Dabei sind bspw. auf den Produktetiketten EU-rechtliche Vorgaben zur Schriftgröße der Nennfüllmenge, zur Verkehrsbezeichnung des Produkts sowie gesundheitsbezogene Angaben zwingend einzuhalten. „Das beansprucht viel Arbeitszeit. Hinzu kommt die Prüfung vieler Produkte: Tragen etwa importierte Weine den vorgeschriebenen Hinweis auf Sulfite in deutscher Sprache? Verbraucherinformation ist richtig und wichtig, aber der hierfür betriebene Aufwand durch kleinstteilige Regelungen steht in keinem Verhältnis zum eigentlichen Ziel“, meint Geschäftsführerin Andrea Hagelauer.
Der aktuelle IHK-Gründungsreport zeigt: Inzwischen klagt jeder zweite Existenzgründer über den hohen bürokratischen Aufwand bei dem Schritt in die Selbstständigkeit. Thomas Paar, Gründer der PAAR-IT GmbH in Siegen, erinnert sich noch gut an die Anfänge: „Für die Gründung musste ich von Pontius zu Pilatus laufen, ohne dass die eine Stelle wusste, was die andere macht. Man fühlte sich ganz schön alleine gelassen. Als ich erklärte, dass ich mich im Bereich IT und EDV selbstständig machen wolle, war das erste, das ich zu hören bekam: ‚Vergessen Sie’s. Das wird eh‘ nichts!‘“ Gründer hätten es zudem mit erheblichem bürokratischen Aufwand zu tun, wenn sie eine Förderung in Anspruch nehmen wollten, ergänzt IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer: „Ein gutes Gründungsklima sieht anders aus.“
In manchen Fällen benachteiligt die hohe bürokratische Belastung gerade kleine und mittelständische Betriebe. Sie bräuchten die hierfür aufzuwendende Zeit und das Personal eigentlich dringend für die Bewältigung des Geschäftsalltags und könnten den Aufwand kaum kompensieren. Der Hersteller von Motorradmode Römer Systems GmbH in Olpe kämpft mit der neuen EU-Verordnung für persönliche Schutzausrüstung (PSA). Das Unternehmen ist demnächst gezwungen, für jede Kollektion Teile einer Baumusterprüfung durch anerkannte Prüfstellen vorzulegen, um das CE-Zeichen zu erhalten. „Es gibt derart viele Kollektionsteile und ständig wechselnde Kollektionen. Die erforderlichen Prüfungen werden einen enormen Kosten- und Verwaltungsaufwand erzeugen, der kaum noch zumutbar ist. Das raubt wertvolle Zeit und Nerven und führt sicher dazu, dass der eine oder andere kleinere Betrieb aus dem Markt gedrängt wird!“, ist sich Geschäftsführer Christian Roleff sicher.
Welche Blüten behördliche Kontrollen treiben können, zeigt ein Beispiel aus Wittgenstein: Die BSW Berleburger Schaumstoffwerk GmbH hatte eine Anlage hergestellt, die dem Bundesimmissionsschutzgesetz unterliegt. Im Nachgang sollte eine behördliche Abnahme der Anlage stattfinden, zu der die Aufsichtsbehörde sieben unterschiedliche Abteilungen aus dem eigenen Haus einlud, von denen jedoch nur drei erschienen. Geschäftsführer Rainer Pöppel: „Die Vertreter der anderen vier Abteilungen sagten kurzfristig ab und baten um einen weiteren Abnahmetermin zu einem späteren Zeitpunkt. Zu diesem erschienen statt der angekündigten vier jedoch nur zwei Abteilungen. Die Abnahme durch die verbliebenen zwei Abteilungen wurde mittlerweile durch Vorlage der gewünschten Unterlagen und deren Prüfung im Amt erledigt.“ Bei einer anderen Kontrolle wurde übrigens ein fehlendes Brandschutzkonzept für einen Lagerraum beanstandet. In ihm erkannten die Kontrolleure einen Arbeitsplatz, weil dort zufällig ein Tisch und ein Stuhl standen. Alle Beteuerungen seitens des Unternehmers halfen nichts. Erst, nachdem kurzerhand beide Gegenstände aus dem Raum entfernt wurden, war kein solches Konzept mehr erforderlich. Hans-Peter Langer: „In solchen Fällen wird Verwaltungshandeln zur Farce. Es muss erwartet werden können, dass sich Behördenmitarbeiter in die Situation des Unternehmers hineinversetzen. Je besser dies verwaltungsseitig geschieht, desto weniger Frust entsteht.“
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