Konjunkturumfrage der IHK Wiesbaden im Herbst. Die Aussichten trüben sich: Nach neun Jahren des Aufschwungs rechnen die Unternehmen in der Wirtschaftsregion Wiesbaden für die kommenden zwölf Monate mit schlechteren Geschäften. Das macht sich auch bei den Personal- und Investitionsplänen bemerkbar. Ihre aktuelle Geschäftslage beurteilen die Inhaber, Vorstände und Geschäftsführer in Wiesbaden, dem Rheingau-Taunus-Kreis und in Hochheim dagegen nach wie vor sehr gut, wenn auch etwas zurückhaltender. Das zeigt die repräsentativen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Wiesbaden für den Herbst 2019.
Der komplette IHK-Konjunkturbericht kann unter www.ihk-wiesbaden.de/konjunkturbericht kostenfrei abgerufen werden.
„Das schwierige außenwirtschaftliche Umfeld hinterlässt immer deutlichere Spuren: Die schwächelnde Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft und zunehmende politische Risiken wie die Unwägbarkeiten des Brexit und die globalen Handelsstreitigkeiten bremsen die internationalen Geschäfte der Unternehmen weiter aus. Daher sind insbesondere exportierende Unternehmen und Zulieferer zurückhaltender bei ihren Investitions- und Beschäftigungsplänen“, kommentiert Dr. Florian Steidl, Chefvolkswirt der IHK Wiesbaden. So befinde sich der Geschäftsklimaindex im Herbstblues: „Die Daten signalisieren zwar weiterhin einen positiven Wachstumsimpuls für die Wirtschaftsregion Wiesbaden, der sich aber deutlich abgeschwächt hat.“ So ist der aus Geschäftslage und -erwartungen gebildete Gradmesser für die regionale Wirtschaftsentwicklung gegenüber der Umfrage im Frühsommer 2019 von 127 auf 110 Punkte gesunken. Das ist der niedrigste Wert seit neun Jahren. Gegenüber dem hessenweiten Durchschnitt von 106 Punkten verliert der Wiesbadener Indikatorwert 7 Punkte, hat aber noch immer 4 Zähler Vorsprung.
Zurückhaltende Personal- und Investitionspläne
„Dabei ist die konjunkturelle Entwicklung zurzeit gespalten“, stellt Steidl fest. „Während die Industrie und Teile des Dienstleistungssektors schwächeln, bleibt die Handelsbranche stabil.“ So sorgen ein hoher Beschäftigungsstand und gute Einkommenszuwächse für eine anhaltend gute Verbraucherstimmung. Dies trage gemeinsam mit einem hohen Staatskonsum die Konjunktur. Allerdings rücke die Inlandsnachfrage immer stärker in den Fokus der wichtigen Geschäftsrisiken. „Hier sorgen sich mittlerweile mehr als die Hälfte der Unternehmen. Das ist der höchste Wert seit Jahren.“
Die steigende Verunsicherung zeige sich in der nochmals nachlassenden Investitionsbereitschaft der Unternehmen im Wirtschaftsraum Wiesbaden. Jeweils rund ein Viertel der Betriebe will das Investitionsbudget in den kommenden zwölf Monaten erhöhen. Auch bei ihren Personalplänen zeigen sich die Unternehmen zurückhaltender. „Der Beschäftigungsaufbau in den kommenden zwölf Monaten wird schwächer ausfallen als zuletzt“, so Steidl. Nur noch 16 Prozent der Unternehmen wollen neue Stellen schaffen (-6 Prozentpunkte), 12 Prozent ihre Belegschaft verkleinern (+2 Punkte) und 72 Prozent den Personalbestand halten (+4 Punkte). „Vor dem Hintergrund zunehmender Konjunktursorgen bedarf es jetzt einer unternehmerfreundlicheren Wirtschaftspolitik“, betont Steidl. Denn in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sehe jedes zweite Unternehmen ein Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung. „Sinnvoll sind Entlastungen insbesondere für den Mittelstand, etwa bei Steuern oder Regulierungsfragen. Auch an den Standortbedingungen vor Ort muss gearbeitet werden.“ Unternehmen haben zudem die Herausforderungen bei Umwelt- und Klimathemen im Blick. Mittlerweile 16 Prozent der Unternehmen erklären Investitionen in Umweltschutzmaßnahmen als prioritär. Dieses Investitionsmotiv hat in den vergangenen zwei Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen (+8 Prozentpunkte).
Geschäftslage weiter auf hohem Niveau
Im Detail wird die momentane Geschäftslage der Unternehmen im Bezirk der IHK Wiesbaden seit einem Jahr immer zurückhaltender beurteilt, ist aber noch immer auf einem hohen Niveau. 42 Prozent der Unternehmer beschreiben ihre Lage als gut (-9 Prozentpunkte), 12 Prozent als schlecht (+5 Punkte). Unternehmer haben ihre Geschäftserwartungen für die kommenden 12 Monate im Vergleich zum Frühsommer 2019 deutlich nach unten korrigiert. 16 Prozent der Betriebe haben jetzt positive Geschäftserwartungen (-8 Prozentpunkte). 22 Prozent rechnen mit schlechteren Aussichten (+10 Punkte). Über alle Branchen hinweg werden insgesamt rückläufige Geschäfte erwartet.
Im Herbst ist die Auslandsnachfrage für fast jeden fünften Betrieb ein bedeutendes Geschäftsrisiko. Dieser Wert wurde zuletzt vor drei Jahren erreicht. Die Exporterwartungen der exportierenden Unternehmen sind abermals deutlich rückläufig. Unternehmen rechnen mit einem Rückgang des Exportgeschäfts in den kommenden zwölf Monaten: So gehen im Herbst nur noch 14 Prozent der Unternehmen von wachsenden Ausfuhren (-7 Prozentpunkte) aus, 24 Prozent rechnen mit einem Rückgang (+3 Punkte). „Wenn es in den kommenden Monaten eine Einigung im Handelsstreit gibt, sich eine Lösung beim Brexit abzeichnet, und sich auch sonst keine Parameter fundamental verschlechtern, werden die Erwartungen wieder steigen und die Verunsicherung abnehmen“, so Steidl.
Sonderauswertung: Fachkräfte
Seit zwei Jahren identifizieren Unternehmen in der Wirtschaftsregion Wiesbaden den Fachkräftemangel als Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten. Fast jedes zweite Unternehmen kann derzeit offene Stellen längerfristig nicht besetzen, weil es keine passenden Arbeitskräfte findet. Hat heute ein Fünftel der Betriebe keine Probleme mit der Stellenbesetzung, war es vor einem Jahr noch ein Viertel. Ein Drittel hat keinen Personalbedarf. Vier von fünf Unternehmen erwarten, dass der anhaltende Fachkräftemangel Folgen für den eigenen Betrieb haben wird. So rechnet mehr als die Hälfte mit steigenden Arbeitskosten um Fachkräfte zu gewinnen oder zu halten. Zwei Drittel gehen von einer Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft aus. Ein Drittel will das Angebot einschränken beziehungsweise Aufträge ablehnen. Ein knappes Viertel erwartet den Verlust von Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. 15 Prozent wollen in technische Lösungen wie IT-Anwendungen oder Roboter als Ersatz für fehlende Fachkräfte investieren.
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