Gemeinsamer Appell der Industrie- und Handelskammern Berlin, Cottbus, Ostbrandenburg und Potsdam - Den „Strategischen Gesamtrahmen Hauptstadtregion“ wollen Berlin und Brandenburg am kommenden Dienstag beschließen. Die Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg haben den Entstehungsprozess eng begleitet. In einem gemeinsamen Appell fordern sie von den Landesregierungen mehr Mut und Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Im Vergleich zu anderen Metropolregionen besteht für Berlin und Brandenburg noch erheblicher Nachholbedarf, vor allem in den Bereichen gemeinsamer Standortpolitik, Digitalisierung und Infrastruktur.- Die Metropolregion Berlin-Brandenburg ist Heimat für fast sechs Millionen Menschen und Standort für eine halbe Million Unternehmen. Fast drei Millionen Erwerbstätige arbeiten, entwickeln und forschen hier. Die von intensiven wirtschaftlichen Verflechtungen geprägte Region wird dabei von administrativen Grenzen durchzogen, von denen die Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg die einschneidendste ist.
Die Zusammenarbeit beider Länder findet aktuell jedoch nur punktuell statt und folgt dabei keinem gemeinsamen strategischen Fahrplan. Die Unternehmen der Region erwarten nun, dass der gemeinsame strategische Gesamtrahmen keine Absichtserklärung bleibt, sondern die Vorhaben auch partnerschaftlich angepackt und umgesetzt werden. Daher ist der strategische Gesamtrahmen zwar ein guter erster Schritt, um die Zusammenarbeit der Länder zu verstetigen. Ziel muss es aber sein, ein einheitliches Management für die Entwicklung der gesamten Region zu etablieren.
Als wichtigste Handlungsfelder haben wir folgende Themen identifiziert und appellieren an die Landesregierungen, diese Forderungen mit Nachdruck zu verfolgen:
1. Mit einer gemeinsamen Standortpolitik zum Erfolg
Beispiele, wie die erfolgreiche Tesla-Ansiedlung, zeigen deutlich die inhaltlichen Anknüpfungspunkte sowie die dringende praktische Notwendigkeit auch für eine internationale Zusammenarbeit in der Hauptstadtregion. Insbesondere Projekte von überregionaler Strahlkraft müssen stärker länderübergreifend begleitet werden. Daher fordern wir insbesondere:
· Einen gemeinsamen industriepolitischen Masterplan, der Großprojekte aufführt und die Strategien beider Länder verzahnt.
· Einen länderübergreifenden Investitionsfonds, um finanzielle Hürden und unterschiedliche Zuständigkeiten bei gemeinsamen Projekten zu überwinden.
· Eine intensivierte Außenwirtschaftskooperation sowie strategische Leitlinien der Zusammenarbeit auf Basis der Außenwirtschaftskonzepte beider Länder, entlang derer synergetische Maßnahmen umgesetzt und internationale Ansiedlungen zum Erfolg gebracht werden können.
· Den BER als gemeinsames Projekt auch für die gemeinsame touristische Vermarktung zu begreifen und einen touristischen Masterplan BER zu erstellen.
2. Investitionen in Bildung und Ausbildung zusammen vorantreiben
Die Metropolregion bildet einen durch Pendler eng verbundenen Arbeitsmarkt. Zudem spannen sich Bildungsketten und Lebensläufe der Fachkräfte in der Region längst über die Ländergrenzen hinweg. Um Fachkräfte und Know-how in der Region zu halten, fordern wir insbesondere:
· Für die bessere Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse eine engere Angleichung bei den Kompetenzen und Standards in den Rahmenlehrplänen.
· Die bestehenden länderspezifischen Förderungen der Verbundausbildung zusammenzuführen, um Unternehmen künftig die Suche von Verbundpartnern in der gesamten Metropolregion zu ermöglichen.
· Eine übergreifende Fachkräftestrategie zu erstellen, die auch die gemeinsame Anwerbung ausländischer Fachkräfte vorsieht.
3. Bei Mobilität, Gewerbeflächen und Wohnen nicht in Landesgrenzen planen
Bei kaum einem Thema muss die Zusammenarbeit so schnell vorangetrieben werden, wie bei der Verkehrs- und Flächenplanung. Knappe Wohn- und Gewerbeflächen in der Hauptstadtregion und der Ausbau der wichtigsten Verkehrsadern in der Region sind die größten Handlungsfelder. Deswegen fordern wir insbesondere:
· Ein länderübergreifendes Flächen-Monitoringsystem einzuführen, um die gemeinsame Flächenplanung und -vermarktung als Hauptstadtregion zu unterstützen.
· Die Schaffung leistungsfähiger Infrastruktur und attraktiver ÖPNV-Angebote nicht nur an der Nahtstelle zwischen Berlin und Brandenburg, sondern im gesamten Metropolraum.
· Eine Verbesserung der Verkehrsanbindung und schnellstmögliche Engpassbeseitigung bei der Flughafen- und Umfeldanbindung am BER und der Tesla-Fabrik in Grünheide.
4. Umwelt- und Klimaschutz kennt keine Grenzen
Die strukturellen Voraussetzungen der Hauptstadtregion bieten ideale Voraussetzungen, die jeweiligen Stärken von Flächenland und Metropole auszuspielen, sie gemeinsam im Sinne einer „Smart City“ zu verknüpfen und zum weltweit beachteten Reallabor der Energiewende zu entwickeln. Dafür fordern wir insbesondere:
· Die Klimastrategien beider Länder zusammenzuführen, um gemeinsam die Klimaneutralität im Jahr 2050 zu erreichen.
· Eine gemeinsame Wasserstoffstrategie zu entwickeln, um Produktion und Nutzung in beiden Ländern sicherzustellen.
· Eine Tank- und Ladeinfrastruktur für die Region sicherzustellen, um insbesondere den Ausbau der Elektromobilität zu beschleunigen.
5. Digitalisierung gemeinsam gestalten
Ein engeres Zusammenrücken beider Länder bei Strukturen und Projekten der digitalen Transformation ist zwingend erforderlich und von beiderseitigem Vorteil. Gerade beim Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruktur und der Verwaltung ist ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen sinnvoll. Dafür fordern wir insbesondere:
· Ein länderübergreifendes Digitalkabinett einzusetzen, um der gemeinsamen Initiative Sichtbarkeit und Durchsetzungskraft zu verleihen.
· Ein unterbrechungsfreies Mobilfunknetz – unabhängig von Ländergrenzen und im gesamten Metropolenraum.
· Den Glasfaserausbau als gemeinsame Aufgabe zu verstehen und damit der Region das digitale Rückgrat zu stärken.
Beatrice Kramm, Präsidentin der IHK Berlin: „Nie war offensichtlicher als in diesen Zeiten, dass die stärkere Zusammenarbeit und engere Abstimmung in wichtigen politischen Fragen unserer beiden Länder notwendig sind: Infektionsschutzverordnungen, Entscheidungen zu Schulöffnungen und Hygienekonzepten im Handel reichen zwar juristisch nur bis an die Landesgrenzen, wirken jedoch weit über diese hinweg. Ich wünsche mir insbesondere, dass wir diese Erfahrungswerte auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur in beiden Ländern übertragen. Es ist heute nicht mehr vermittelbar, bei einer S-Bahn-Fahrt ins Berliner Umland in einem Funkloch zu landen. Zudem hat die aktuelle Krise gezeigt, dass unabhängig vom Arbeitsort, die Breitbandversorgung am Wohnort zum Flaschenhals bei der Umsetzung von Homeoffice-Lösungen werden kann. Die digitale Zukunft der Länder liegt im Ausbau der Glasfasernetze und unterstützt damit das notwendige Zusammenwachsen von Lebens- und Arbeitsverhältnissen in der Metropolregion.“
Peter Kopf, Präsident IHK Cottbus: „Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Unsere Unternehmen spüren das bereits deutlich, z. B. am steigenden Niederschlagsdefizit in der Region. Die Industrie und das produzierende Gewerbe aber auch der Tourismus sind auf eine auskömmliche Wasserversorgung angewiesen. Berlin und Brandenburg brauchen daher gemeinsame Konzepte und Strategien. Das Niedrigwasserkonzept des Landes Brandenburg sowie die jeweiligen Energie- und Klimastrategien müssen schnellstmöglich aufeinander abgestimmt werden. Darüber hinaus ist es sehr wichtig, die Unternehmen dabei zu unterstützten in Klimatechnologien zu investieren. Hier würden uns abgestimmte Förderrichtlinien zwischen den beiden Ländern weiter voranbringen."
Carsten Christ, Präsident der IHK Ostbrandenburg: „Angesichts der Planungen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg halten wir die aktuell laufende Identifizierung von Gewerbeflächen in Brandenburg ohne die Einbeziehung von Berlin für kontraproduktiv. Zu sämtlichen Fragen der Flächennutzung, sei es für Wohnraum- oder Gewerbeentwicklung, aber auch für die dringend notwendige Verkehrswende, muss es eine gemeinsame Koordinierung für den gesamten Metropolenraum geben. Ein Beispiel: Wenn Berlin Pkws aus dem Stadtraum verdrängen will, müssen in Brandenburg ausgleichende Park- und ÖPNV-Angebote geschaffen werden.“
Peter Heydenbluth, Präsident der IHK Potsdam: „Die Unternehmensentscheidungen von Tesla, Siemens und DHL für die Hauptstadtregion zeigen, dass die Standortchancen unserer Wirtschaftsregion herausragend sind. Berlin und Brandenburg verfügen über optimale Standortsynergien, die noch viel besser entwickelt werden müssen. Um das große Potenzial für Unternehmensansiedlung und -erweiterungen optimal nutzen zu können, ist eine gute Versorgung der Wirtschaft mit qualifizierten Industrie- und Gewerbeflächen die zentrale Grundvoraussetzung. Zudem ist eine enge Kooperation hinsichtlich bedeutsamer internationaler Ansiedlungsprojekte besonders wichtig. Zunehmende Flächenengpässe in unserer Region können nur durch eine engere länderübergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit in der Flächenplanung beseitigt werden. Zur Nutzung der großen wirtschaftlichen Chancen ist perspektivisch eine gemeinsame Entwicklung und Vermarktung von Gewerbeflächen anzustreben. Dafür müssen die Wirtschaftsfördergesellschaften der beiden Länder intensiver zusammenarbeiten.“
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