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28.08.2020 - IHK Südthüringen zur Diskussion um die Vier-Tage-Woche  - In diesem Sommer kam aus Gewerkschaften und Politik die Diskussion auf die Vier-Tage-Woche. Manche Stimmen sprachen sich für eine temporäre Regelung in einzelnen Branchen aus, andere plädierten für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Aus Sicht der Industrie- und Handelskammer Südthüringen (IHK) stehen der Entlastung der Sozialkassen durch weniger Kurzarbeit und Kündigungen Einkommenseinbußen für die betroffenen Beschäftigten gegenüber. Angesichts der Fachkräfteengpässe erscheint daher für Betroffenen die berufliche Umorientierung als bessere Strategie. Für IG-Metall-Chef Hofmann ist Arbeitszeitverkürzung ein Instrument, um Arbeitsplätze in Branchen mit starkem Strukturwandel zu erhalten. Er spricht sich für eine entsprechende Option im Tarifvertrag aus, die einzelne Betriebe ziehen können, und verlangt dafür einen Lohnausgleich. Die Vier-Tage-Woche würde somit für die betroffenen Beschäftigten nicht mit einer proportionalen Lohnanpassung um 20 Prozent, sondern um einen geringeren Anteil einhergehen. Gesamtwirtschaftlich ist es sicherlich besser, wenn Absatzschwierigkeiten einzelner Branchen nicht auf die Gesamtheit der Beitragszahler umgelegt werden und zu höheren Ausgaben für Arbeitslosengeld I und für Kurzarbeitergeld führen.

Betriebswirtschaftlich ergeben sich jedoch Schwierigkeiten. Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich funktioniert lediglich in einer Modellökonomie mit stabiler, preisunabhängiger Nachfrage ohne Ausland. In einer solchen Modellökonomie wären alle Unternehmen einer Branche gleichzeitig betroffen von einem gleichartigen Anstieg der Lohn-Stück-Kosten aufgrund geringerer Produktion und unveränderten Lohnkosten. Zur Gegenfinanzierung müssten die Unternehmen Preiserhöhungen vornehmen.

Wie leicht ersichtlich, hat diese Modellökonomie wenig mit der Realität zu tun, denn darin gibt es das Ausland und eine Nachfrage, die auf Preisänderungen reagiert. Ins Ausland verkauft die deutsche Industrie 50 Prozent der von ihr hergestellten Waren. Damit die Modellökonomie trotzdem funktioniert, dürfte es im Ausland keine Hersteller vergleichbarer Waren geben. Das ist sehr unwahrscheinlich. Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich im Inland ohne entsprechende Maßnahmen im Ausland würde zu einem heimischen Anstieg der Lohn-Stück-Kosten im Vergleich zu den Wettbewerbern führen. Entsprechende Preiserhöhungen würden die Nachfrage sofort zu den ausländischen Wettbewerbern verschieben. Daher bliebe den inländischen Herstellern nichts Anderes übrig, als die Waren mit Verlust zu verkaufen und sukzessive aus dem Markt ausscheiden.

Eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich und ohne Preiserhöhungen kann es nur dann geben, wenn die Produktivität im Umfang der Arbeitszeitverkürzung steigen würde. Einen Anstieg der Arbeitsproduktivität erreicht man durch Automatisierung. Große Produktivitätsfortschritte lassen sich jedoch nicht bis auf weiteres realisieren, sondern dazu ist eine grundlegende Neuorganisation der Produktion erforderlich. Im Fall z. B. der personenbezogenen Dienstleister wie Friseure, dem Gastgewerbe oder der Pflege könnte die Produktivität jedoch nicht durch den Einsatz von Maschinen erhöht werden. Der Vorschlag aus der Politik, die allgemeine Wochenarbeitszeit sogar für alle Branchen um acht Stunden zu reduzieren, würde daher in vielen Fällen mit dauerhaften Einkommensanpassungen für die Beschäftigten einhergehen müssen.

„Nicht umsonst sind viele Anhänger einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung zugleich Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens. Aber wenn man genau hinsieht, besteht ohnehin keine Notwendigkeit zu Arbeitszeitverkürzungen. Selbst in der aktuellen Wirtschaftskrise sind die Fachkräfteengpässe nicht verschwunden. Statt also das geringere innerbetriebliche Arbeitsvolumen neu unter den Beschäftigten zu verteilen, sollten Mitarbeiter besser freigesetzt werden, damit sie sich neuen Herausforderungen in Betrieben mit Personalbedarf stellen können. Flankierende Umschulungen könnten den Übergang erleichtern“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Pieterwas.


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