28.08.2024 - IHKs positionieren sich gegen eine Aufteilung des Landes. Die deutschen Industrie- und Handelskammern (IHKs) der Landeskammern Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Saarland, die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW sowie der Wirtschaftsbeirat Bayern sprechen sich entschieden gegen eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen aus. In einem gemeinsamen Appell fordern sie eine einheitliche Positionierung aller Bundesländer und betonen die Bedeutung einer einheitlichen Strompreiszone für die deutsche Wirtschaft, insbesondere im Kontext der Energiewende.
Die IHKs, Übertragungsnetzbetreiber und der Wirtschaftsbeirat Bayern warnen vor negativen Folgen einer Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen: höhere Strompreise, geringere Investitionssicherheit und eine Beeinträchtigung des Ausbaus der Übertragungsnetze. Sie argumentieren, dass eine einheitliche Strompreiszone stabile Rahmenbedingungen, Versorgungssicherheit und die Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele sicherstellt.
Dr. Frank Thomé, Hauptgeschäftsführer der IHK Saarland, betont: "Deutschland muss eine einheitliche Strompreiszone bleiben! In der gegenwärtigen Situation brauchen wir keine zusätzlichen Umbrüche, sondern stabile Rahmenbedingungen und vor allem keine steigenden Energiepreise." Besonders hervorzuheben sei, dass die aktuelle Methodik zur Überprüfung der Strompreiszonen, der "Bidding Zone Review", den fortschreitenden Netzausbau in Deutschland nicht ausreichend berücksichtige. Der Bericht, der voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres veröffentlicht wird, könne aufgrund dieser Schwächen eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen empfehlen. Eine solche Aufteilung würde den Ausbau erneuerbarer Energien gefährden, insbesondere den für die Energiewende wichtigen Ausbau von Offshore-Windkraftwerken. Gleichzeitig würde die energieintensive Industrie mit deutlich höheren Strompreisen konfrontiert, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands insgesamt schwächen würde. Das Saarland mit seiner überdurchschnittlich exportorientierten Industrie wäre hiervon besonders betroffen.
Die IHKs, Übertragungsnetzbetreiber und der Wirtschaftsbeirat Bayern appellieren daher an die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für den Erhalt einer einheitlichen Strompreiszone stark zu machen und zeitnah Gespräche mit den Ländern und der EU-Kommission aufzunehmen. Ziel sei es, eine gemeinsame Position zu finden, die die Interessen der deutschen Wirtschaft und die Bedeutung einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung in den Vordergrund stellt.
Hier finden Sie dazu einen Brief, den die IHK an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben haben:
Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Herrn Dr. Robert Habeck, MdB
Scharnhorststraße 34-37
11019 Berlin
26. August 2024
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
die IHKs in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland, die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW sowie der Wirtschaftsbeirat Bayern begrüßen, dass sich das BMWK in seinem Papier „Strommarktdesign der Zukunft“ für den Erhalt der einheitlichen Stromgebotszone einsetzt.
Wir appellieren an Sie, diese Position auch weiterhin in dieser Klarheit insbesondere auch auf europäischer Ebene zu vertreten.
Obwohl der aktuelle strukturelle Engpass in der deutschen Stromversor- gung mit der Inbetriebnahme verschiedener Netzausbauprojekte weiter zurück- geht, droht Deutschland eine Aufteilung in mehrere Stromgebotszonen.
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion, TransnetBW, TenneT und 50Hertz gehen davon aus, dass wesentliche HGÜ-Vorhaben in den nächsten Jahren in Betrieb genommen werden. Hierzu zählen der SuedOst- (Inbetriebnahme Ende 2027) und SuedLink (Inbetriebnahme Ende 2028) sowie das Projekt A-Nord/Ultranet (Inbetriebnahme 2026/2027). Zudem werden weitere wichtige Wechselstrom-Verbindungen und Interkonnektoren fertiggestellt, wodurch die kritisierten Engpasssituationen in Deutschland weiter reduziert werden.
In der Zwischenzeit jedoch werden im vierten Quartal 2024 die Übertragungs- netzbetreiber der EU-Mitgliedstaaten einen Bidding Zone Review vorlegen. Der Prognosehorizont dieses Berichts endet aber bereits 2025 und ist damit sehr kurzfristig. Es besteht die Gefahr, dass die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) andauernde gravierende Netzengpässe im deutschen Stromnetz feststellen und der Europäischen Kommission empfeh- len wird, Deutschland in zwei oder mehrere Strompreiszonen aufzuteilen.
Die Einführung mehrerer Strompreiszonen in Deutschland würde sich über mehrere Jahre, über das Ende des Prognosehorizonts hinaus, erstrecken und wäre mit enormem Aufwand verbunden. Die Teilung würde erst greifen, wenn der ursächliche Engpass bereits weitestgehend behoben ist. Die Erfahrung mit bisherigen Gebotszonenaufteilungen zeigt, dass sich die gewünschten Ergebnisse nicht eingestellt haben.
Auch die Akzeptanz für den Übertragungsnetzausbau würde beeinträchtigt, die Beseitigung von Netzengpässen würde als weniger dringlich wahrgenommen. Der Ausbau des Übertragungsnetzes ist jedoch entscheidend für die Versor- gungssicherheit, die Systemstabilität und die Erreichung der Klimaziele in Deutschland und Europa. Eine Verzögerung dieser wichtigen Netzvorhaben muss daher unter allen Umständen vermieden werden.
Die Investitionsbereitschaft der Industrie, insbesondere im Kraftwerksbau dürfte wegen der Unsicherheiten, die mit einer Marktteilung verbunden wären, stark sinken. Zudem würden Erneuerbare Energien im Norden wegen des dort voraussichtlich niedrigeren durchschnittlichen Marktpreises weniger profitabel, im Süden müssten stromintensive Industrien mit deutlich höheren Preisen rechnen.
Da die deutschen Strompreise bereits jetzt zu den höchsten weltweit gehören, wäre eine weitere Steigerung für die süd-/westdeutsche Wirtschaft und vor allem für die energieintensive Industrie ein weiterer Nackenschlag. Stromintensive Unternehmen würden ihre Investitionen nicht von Süd- nach Norddeutschland umleiten, sondern - wie Unternehmensbefragungen zeigen - sie zurückfahren unterlassen oder ins Ausland verlagern. Wir bitten Sie deshalb nochmals eindringlich, sich weiterhin für den Erhalt der einheitlichen deutschen Stromgebotszone einzusetzen.
Freundliche Grüße
Initiatoren der einheitlichen Stromgebotszone für Deutschland
Einheitliche Stromgebotszone für Deutschland