IHK-Diskussionsveranstaltung – Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit - IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster (links) diskutierte mit Experten des Kreises Siegen-Wittgenstein, der Bildungsträger, der Agentur für Arbeit und des Jobcenters über bereits durchgeführte Integrationsmaßnahmen und mögliche zukünftige Schwerpunkte. – Die Einreise von Flüchtlingen nach Deutschland hatte im Jahr 2015 ihren Höhepunkt. Seitdem sind die Zahlen deutlich rückläufig – das mag vor allem am Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei liegen.
Dieser Rückgang der Zahlen veranlasst bereits einige Kommunen, einen Teil ihrer Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge zu schließen. Heißt das, die Arbeit ist getan? Nein – denn auch wenn nicht mehr ganz so viele Menschen aus dem Iran, Irak, Syrien oder Afghanistan zu uns kommen, geht die Integration derjenigen, die gekommen sind, jetzt erst richtig los. Mit diesem Eingangsstatement eröffnete IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster die Diskussionsveranstaltung „Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit“ in den Räumen der Industrie- und Handelskammer Siegen. Experten des Kreises Siegen-Wittgenstein, der Bildungsträger, der Agentur für Arbeit und des Jobcenters haben dazu aus ihrer Arbeit berichtet. Es ging um eine erste Bilanz der schon durchgeführten Integrationsmaßnahmen und eine Erörterung möglicher Schwerpunkte und Bedarfe der nächsten Jahre. Rund 60 Teilnehmer waren der Einladung durch die IHK Siegen und den Kreis Siegen-Wittgenstein gefolgt.
Aktuell gibt es laut Martin Schreier von der Ausländerbehörde des Kreises 1228 Asylbewerber in Siegen-Wittgenstein (die Stadt Siegen erhebt eigene Zahlen). Davon haben 455 Personen gute Bleibeperspektiven, denn sie befinden sich im sogenannten qualifizierungsfähigen Alter. Hierzu zählen diejenigen zwischen 18 und 50 Jahren.
Die zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge und Zuwanderer – die mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben dürfen oder zumindest eine Duldung bekommen – ist der Integration Point Siegen. Er befindet sich in den Räumen des Jobcenters. Seine Aufgabe: Flüchtlinge so früh wie möglich in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren. Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist die entsprechende Förderung, insbesondere im Bereich der Sprache, aber auch auf anderen Gebieten. „Die ersten kommen gerade aus den Qualifizierungsmaßnahmen zurück“, berichtete Nina Appel. Sie ist im Integration Point für die Arbeitsagentur zuständig und führte weiter aus: „Die Sprachkenntnisse entwickeln sich dabei schlechter als gedacht.“ Nicht jeder könne oder dürfe einen Integrationssprachkurs absolvieren, das sei von Fall zu Fall unterschiedlich. Alternativ bekämen sie andere Maßnahme angeboten. „Das wollen aber nicht alle“, so Appel. Ein erforderliches Grundniveau für einen Sprachkurs bestünde aber nicht, ergänzte sie.
Das Jobcenter betreut momentan 1.400 Kunden im Integration Point und zusätzlich ca. 500 geflüchtete Menschen in den regionalen Anlaufstellen. An den Integration Point vermittelt werden die Geflüchteten vor allem über die Städte und Gemeinden in Siegen-Wittgenstein und Olpe. Hier äußerte Nina Appel den Wunsch, dass die Kommunen mit genug Informationsmaterial ausgestattet werden, um zu einer besseren Vermittlung beizutragen. Eine andere Anregung kam aus dem Teilnehmerkreis. André Schmidt von der Stadt Siegen kritisierte den zentralen Standort: „Wer zum Beispiel aus Wittgenstein kommt, hat es unglaublich schwer, nach Siegen zu gelangen. Es wäre besser, wenn der Integration Point in die Kommunen reinginge.“ Achim Otto vom Jobcenter in Siegen merkte an, dass die Betreuung bereits teilweise in der Fläche erfolge. Darüber hinaus biete der Integration Point bedarfsabhängig Sprechstunden vor Ort an.
„Grundsätzliches Ziel des Jobcenters ist“, so Achim Otto in seinem Diskussionsbeitrag, „die Flüchtlinge nicht in spezielle Flüchtlingsqualifizierungen zu stecken, sondern in ‚normale‘. Dadurch funktioniert die Integration besser“. Ein wichtiger Punkt dabei: Betriebspraktika. So früh wie möglich müsse eine berufsbegleitende Qualifizierung stattfinden. Otto erhofft sich deshalb, mehr Unternehmen ließen sich genau darauf ein. Dazu müsste zunächst die Bereitschaft der Einzelnen besser erfasst werden, um sie im Anschluss entsprechend schnell nutzen zu können. IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster fügte hinzu: „Wir haben im Berufsbildungszentrum die Erfahrung gemacht, dass der Wille, Flüchtlinge zu integrieren und auch auszubilden, groß ist.“ Er ergänzte: „Der nächste Schritt ist jetzt, Betriebe systematisch nach Praktikumsplätzen anzufragen.“
Einen Schritt früher setzt das kommunale Integrationszentrum des Kreises Siegen-Wittgenstein an: Die Integration der Kinder und Jugendlichen in den Schulen. In einem Gespräch sucht Friederike Schlehbusch die passende Schulform aus. Aber auch hier wird ein Problem offenkundig: „Wir haben das mit der Sprache unterschätzt“, sagte sie im Rahmen der IHK-Veranstaltung. Für Kinder und Jugendliche sei es schwierig, Deutsch zu lernen. Normalerweise bräuchte man sechs bis acht Jahre, um eine Sprache soweit zu beherrschen, dass man im Unterricht mitkäme. Das sei Grundvoraussetzung, um zum Beispiel die gymnasiale Oberstufe zu meistern. „Bei den meisten besteht allerdings der unbedingte Wunsch, ein Gymnasium zu besuchen“, verdeutlichte Friederike Schlehbusch weiter. „Sehr wenige schaffen das – aktuell sind es vier. Wenn man das den Kindern und Jugendlichen kundtut, sinkt die Motivation ganz schnell.“
Am Ende der Veranstaltung kristallisierten sich zwei wesentliche Gesichtspunkte heraus, die für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit unabdingbar sind und in Zukunft verstärkt behandelt werden müssen: Zum einen geht es um die Fördermaßnahmen. Diese müssen so abgestimmt werden, dass keine zeitlichen Lücken zwischen ihnen entstehen. So wird verhindert, dass Flüchtlinge das Erlernte durch die besagte zeitliche Trennung wieder vergessen. Zum anderen geht es um Betriebspraktika. „Eine berufliche Qualifizierung muss in den Betrieben stattfinden“, resümierte IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster. Denn nur durch eine Kombination aus Arbeit und Qualifikation lernten Flüchtlinge die Arbeitswelt kennen und könnten eigene Ziele entwickeln. „Sie haben dann eine Perspektive vor Augen“, so Fenster abschließend.
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