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„Globale Biodiversität in der Krise – Was können Deutschland und die EU dagegen tun?“ Mit dieser Frage befasst sich das heute veröffentlichte Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Aus den Erkenntnissen leiten sich Handlungsempfehlungen ab, die beispielsweise in die deutsche nationale Biodiversitätsstrategie oder auch in das noch zu beschließende neue Arbeitsprogramm 2021-2030 zum UN Übereinkommen über die biologische Vielfalt eingehen sollen. Die Ökosystemforscherin Almut Arneth vom KIT gehört zu den zwölf Autoren des Diskussionspapiers. „Der Verlust an Biodiversität gehört wie der Klimawandel zu den größten Herausforderungen, vor denen die Menschheit zurzeit steht“, sagt Almut Arneth, Professorin am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) am KIT Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen. „Beide Probleme beeinflussen sich wechselseitig und lassen sich nur gemeinsam lösen. Biodiversitätsschutz trägt auch zum Klimaschutz bei – und umgekehrt.“

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus verschiedenen Bereichen der Biologie, Ökologie, Ökonomie und Anthropologie kommen, in dem Diskussionspapier feststellen, ist die weltweite Biodiversitätskrise vom Menschen verursacht. „Ein Großteil der Abnahme der globalen Biodiversität ist auf den Landnutzungswandel und die intensive agrarische Nutzung zurückzuführen“, erklärt Arneth. Dabei wirkten sich unter anderem die Umwandlung von natürlichen Wald- und Grasflächen in landwirtschaftlich genutzte Flächen, der Düngemitteleinsatz, die Agrarbewässerung, der Pestizideinsatz und der Ausstoß von Treibhausgasen aus. „Die intensive und übermäßige Erzeugung von Fleisch, Milch und anderen Tierprodukten bildet eine wichtige Ursache für den Biodiversitätsverlust wie für den Klimawandel“, ergänzt die Ökosystemforscherin. Diese Produktion sei außerordentlich flächenintensiv und beanspruche 60 bis 70 Prozent der globalen wie auch der europäischen Agrarflächen. Andererseits lieferten Fleisch und Milch weniger als 20 Prozent der globalen Nahrungsmittelkalorien.

 

 

Da die Staaten der Europäischen Union über 600 000 Quadratkilometer Landflächen außerhalb von Europa für die Einfuhr von Agrar- und Holzprodukten beanspruchen, zur Überfischung und Nährstoffanreicherung der Meere beitragen sowie fast zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen, tragen sie eine erhebliche Mitverantwortung an der globalen Biodiversitätskrise, wie die Autoren des Papiers weiter ausführen. Almut Arneth erklärt die Konsequenzen: „Agrar- und Fischereipolitik müssen sich unter den Aspekten des Klima- und Biodiversitätsschutzes neu ausrichten. Ein umfassendes Netz von Schutzgebieten sollte den Schutz der biologischen Vielfalt sicherstellen. Und Kosten von Umweltzerstörung und Klimawandel sollten sich viel direkter in Produktpreisen widerspiegeln – als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tragen wir sie ja sowieso.“

 

 

Die Vielfalt der Arten, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme auf der Erde sichern die Lebensgrundlagen aller Lebewesen und damit auch aller Menschen. Denn die Biodiversität reguliert fundamentale Prozesse wie Bodenbildung, Klima, Wasser-, Gas- und Nährstoffkreisläufe. Die biologische Vielfalt nimmt jedoch kontinuierlich ab. Inzwischen erreicht dieser Verlust ein bedrohliches Ausmaß: Forscher rechnen damit, dass rund eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind und viele davon bereits innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben könnten – mehr als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Drei Viertel der natürlichen Land- und Süßwasserökosysteme und rund zwei Drittel der Meeresökosysteme sind bereits erheblich beeinträchtigt oder teilweise zerstört.

 

 

 

Die Autoren formulieren ihre Handlungsempfehlungen als einen Zehn-Punkte-Plan zum Biodiversitätsschutz, der sich auf Landnutzung, Landwirtschaft und Verbraucherverhalten sowie Schutzgebiete und Wälder bezieht. Unter anderem sollen überhöhter Fleischkonsum und Nahrungsmittelverschwendung in Deutschland und Europa reduziert werden, beispielsweise durch Ernährungsempfehlungen, entsprechende Angebote in Kantinen sowie die Aufhebung von Umsatzsteuervergünstigungen für Fleisch und Fleischprodukte. Die EU-Agrarpolitik soll umwelt- und grundwasserschonende Bewirtschaftungsformen unterstützen. Die Biotopvielfalt in der Agrarlandschaft soll durch Tümpel, Hecken, Schutzstreifen an Waldrändern und Stilllegungsflächen sowie wirksame Biotopverbünde und Korridore gefördert werden. Deutschland und die EU sollen eine politische Initiative zur Einrichtung, Überwachung und Finanzierung von Schutzgebieten starten, um die Biodiversität auf mindestens 30 Prozent der Landfläche aller Ökoregionen der Erde und auf 40 Prozent der Meeresfläche zu bewahren. In der bevorstehenden 15. Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD-COP 15) sehen die Forscherinnen und Forscher eine Chance, Beschlüsse zu fassen, die – falls sie denn umgesetzt werden – die Biodiversitätskrise entschärfen helfen, mit Mehrwert für den Klimaschutz und das Wohlergehen der Menschheit.

 

 

Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Hrsg.): Globale Biodiversität in der Krise – Was können Deutschland und die EU dagegen tun? Diskussion Nr. 24, Halle (Saale) 2020.

 

 

Das Diskussionspapier steht zum Download bereit unter:

 

 

https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/globale-biodiversitaet-in-der-krise-was-koennen-deutschland-und-die-eu-dagegen-tun-2020

 

 

 

 

Im Portal „KIT-Expertinnen und -Experten“ finden Sie weitere Ansprechpersonen zu Highlights aus der Forschung des KIT sowie zu tagesaktuellen Themen: https://www.sek.kit.edu/kit_experten.php

 

 

 


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