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Täglich lesen wir von Industrie 4.0, Handwerk 4.0, Mittelstand 4.0. Man geht fast inflationär mit diesen Begriffen um und könnte glauben, dass der Mittelstand bis heute noch keine IT-Abteilung hat, nicht weiß, was CAD und CNC bedeutet. Dabei haben mittelständische Unternehmen nach wie vor ganz andere Themen abzuarbeiten.

Was sind daher die wichtigsten Eigenschaften eines Beraters, wenn er bei einem mittelständischen Kunden die internen Logistikprozesse, Randbedingungen, die Mitarbeiter und Nebengeräusche analysieren und Vorschläge für Verbesserungen erarbeiten soll? Richtig, ein gewisses Maß an Misstrauen für die vorgelegten Zahlen, Daten und Arbeitszeiten, als auch ein gesunder Menschenverstand.

Prozessanalyse 3.0 (drei.null) bei einem mittelständischen Pharmaunternehmen

Ohne sich selbst ein Bild zu machen und eigene Aufschreibungen, kann man relativ schnell von den bestehenden Auswertungen verwirrt sein. Besser ist es daher jeden Sub-Prozess genau zu betrachten und die verschiedensten Mitarbeiter zu der analysierten Situation zu befragen. In den meisten Fällen stößt man sofort auf fehlende Standards, Richtlinien und anzuwendende Korrekturmaßnahmen. Geht man tiefer in der Betrachtung und nimmt ganz nebenbei die Ausführungszeiten, erkennt man schon die ersten Potenziale. Dies alles unaufgeregt und im Gespräch mit den Mitarbeitern. Man muss aber die situativen Aussagen der einzelnen Mitarbeiter zuerst sammeln und erst dann bewerten und hinterfragen, wenn die Summe aller Aussagen ein vollständiges Bild ergeben. Natürlich ist es aber bei einer Prozessanalyse sehr wichtig, die externen Einfluss- und Störparameter zu erkennen und in das Puzzle einzubauen. Bis dahin und auch in der weitergehenden Detailbetrachtung, ist die seit einigen Jahren hochgelobte Digitalisierung meistens bereits schon länger mehr oder weniger vollumfänglich Praxis. Wie bei festgefahrenen und verkrusteten Strukturen und Denkweisen, bzw. Argwohn gegenüber Veränderungen hier Industrie 4.0 einen Ansatz bietet, ist fraglich.

Zurück zur Analyse; in aller Regel sind die Mitarbeiter willens sich zu engagieren, jedoch frustriert darüber, dass ihre Vorschläge beim Management keine Beachtung finden. Dazu kommt noch die Betriebsblindheit weil man sehr lange im Unternehmen ist und keinerlei Vergleiche zu anderen Betrieben kennt. Für den Berater stellen sich nach Analyse seiner eigenen Datensammlung daher ganz andere Fragen. Gerade wenn Prozesse von mehreren Seiten, zu unterschiedlichen Tageszeiten und auch die sogenannten Ausnahmen betrachtet werden, ergeben sich ganz neue Aspekte für Verbesserungen. Plötzlich erkennt man, dass die Mitarbeiter zu zwei Drittel des Tages vor dem einzigen Aufzug warten um Paletten über drei Ebenen zu transportieren. Wenn das Unternehmen auch noch in absehbarer Zeit die Verdoppelung der Produktion anstrebt, verdoppelt sich auch das Risiko, dass ein Ausfall zu einem sofortigen Stillstand des Unternehmens führt. Da hilft auch kein optimierter Materialfluss oder Ansätze einer One-Piece-Flow-Produktion. Waren können nicht mehr bewegt, weiterverarbeitet und versendet werden. Um allerdings mehr temporäre Lagerfläche zu schaffen, müssen nicht nur Mindestbestände und Anliefermengen in Frage gestellt, sondern auch neue Lagerszenarien angedacht werden. Ab- oder Umbau bestehender Anlagen und Maschinen, welche nur selten im Einsatz sind, können weitere Flächen ermöglichen.

Selbstredend ist es aber, sich über einen zweiten Transportweg zwischen den Geschossen, und sei es nur ein sehr einfacher Lastenaufzug oder Palettenförderer an der Außenseite des Gebäudes Gedanken zu machen. Ähnliches gilt bei halbautomatischen Vorrichtungen, welche nur singulär vorhanden, aber elementar für die Herstellung oder Verpackung sind. Und ganz nebenbei entdeckt man viele Prozesse, welche die Gesundheit der Mitarbeiter gefährden, da man nie an die Ergonomie gedacht hat. Logisch ist das Umsetzen eines 20 kg-Behälters von Alu- auf Holzpaletten kein Problem, wen dies aber durch nur einen Mitarbeiter bis zu einhundert Mal am Tag geschieht, dann sind dies je Arbeitstag doch zwei Tonnen und nicht gerade gesundheitsfördernd, geschweige denn verbessert dies die Arbeitsmoral der Mitarbeiter.

Um mit Kleinigkeiten unspektakulär, aber relativ schnell einen Erfolg bzw. eine Einsparung zu haben, bedarf es vom Berater aber eine ganzheitliche Betrachtung über den ursprünglich definierten Analysebereich hinaus. Die Reduzierung eines Versandkartons um nur einen Zentimeter, bedeutet bei einer täglichen Luftfracht von 100 Kartons so nebenbei eine tägliche Einsparung von 400 €uro oder 100.000 €uro im Jahr. Dies sind nur einige wenige Beispiele,       wie bodenständige Berater. Wenn dann die Mitarbeiter zufriedener sind, Standards existieren, der Lagerbestand dem Bedarf entspricht und das Material verschwendungsarm durch die Produktion fließt und Arbeitsplätze ergonomisch eingerichtet sind, genau dann kann man darüber nachdenken welche Arbeitsschritte und Informationen systemunterstützt umgesetzt werden können. 

Zusammenfassend kann ich sagen, dass solche Analyseprojekte bei mittelständischen Unternehmen richtig Spaß machen und wenn man dann, gemeinsam mit den Mitarbeitern, auch noch mit der Umsetzung der aufgelisteten Potenziale beauftragt wird, umso besser.

Projekte dieser Art, als auch Bewertungs-(Due Dilligence), Transfer- oder Akquisitionsprojekte zwischen unterschiedlichen kulturellen Standorten können wir aber ebenso durchführen.

Autor : Gerhard W. Kessler   -  GWK-Unternehmensberatung für KMU und Handwerk

Datum : 9.12.2017