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In Ausbildungsqualität investieren - Qualitativ gute Ausbildung erfordert neben fundierter Berufsorientierung auch mehr Investitionen in die Bildungsstätten, schildert ZDH-Bildungsexperte Dr. Volker Born im Doppelinterview mit DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller in der DHZ. Herr Haggenmiller, die duale Ausbildung in Deutschland gilt weltweit als Vorbild. Der OECD- Bildungsbericht gibt ihr gute Noten. Nur im DGB-Ausbildungsreport fallen die Zensuren schlechter aus, gerade für das Handwerk. Wie passt das zusammen?

Haggenmiller: Wir haben rund 14.000 Auszubildende befragt. Anfangs sind die Jugendlichen im Handwerk stärker motiviert als der Durchschnitt der Befragten. Doch dann werden sie unzufriedener und geben vergleichsweise schlechtere Noten für die Ausbildungsbedingungen, für die Betreuung durch die Ausbilder und für ihre Vergütung. Und vielen jungen Menschen fehlt die Perspektive, übernommen zu werden. 

Born:  Für den DGB-Report wurden nur wenige Handwerks-Azubis befragt, diese kommen vor allem aus Dienstleistungsberufen. Ihre Kritik kann daher nicht pauschaliert werden.  Gerade bei der Vergütung haben wir eine große Bandbreite, die bis hin zu den Maurern und Gerüstbauern mit den höchsten Vergütungen für Auszubildende überhaupt reicht. Und was kleine Betriebe an Ausbildungsinhalten nicht vermitteln können, übernehmen ja überbetriebliche Bildungsstätten.

Wenn die Jugendlichen im Prinzip Lust auf Handwerk haben, wie kommt es dann, dass so viele Stellen unbesetzt sind?

Born: Richtig ist: Wer zu uns kommt, ist motiviert. Doch seit Jahren geht aufgrund des demografischen Wandels die Zahl der Schulabgänger zurück. Außerdem wollen immer mehr Jugendliche studieren. Hier sind wir alle aufgerufen, das Ansehen der dualen Ausbildung zu stärken und das Bild mancher Berufe der Realität anzupassen. Daran arbeiten wir im Handwerk intensiv. Und unsere Bemühungen zeigen Erfolg: Seit zwei Jahren steigen die Ausbildungszahlen im Handwerk moderat, gegen den Trend. Die Qualität der Ausbildung kann auch nicht so schlecht sein wie behauptet. Denn wir gewinnen immer mehr Jugendliche mit höheren Abschlüssen.

Herr Haggenmiller, Sie kritisieren gerade in kleinen Betrieben die Ausbildungsqualität. Aber verlangen wir von einem Handwerksmeister, der vor allem seinen Betrieb führen muss, nicht zu viel?

Haggenmiller: Die jungen Menschen sind, wie sie sind. Wenn man sie gewinnen will, müssen die pädagogischen Fähigkeiten des Ausbildungspersonals ganz klar zunehmen. Es fällt ganz einfach auf, dass gerade in den Branchen, wo die Ausbildungsqualität nach unseren Befragungen schlecht ist, Bewerber fehlen. Hinzu kommt, dass im Handwerk die Ausbildungen öfter abgebrochen werden als anderswo.

Herr Dr. Born, wie sehen Sie die Ausbildungsabbrüche im Handwerk?

Born: Wir wollen die Zahl der Vertragsauflösungen verringern. Jugendliche und Betriebe verlieren dadurch zu viel Zeit. Wir müssen stärker in eine gute Berufswahlentscheidung investieren. Der Bildungskettenansatz des Bundesbildungsministeriums geht in die richtige Richtung. Aber da ist noch großes Potenzial bei der Vernetzung von Berufsberatern, Lehrkräften und Ausbildungsberatern. Schulen sollten wir verpflichten, mit den jeweiligen Akteuren und Institutionen zu kooperieren. Sie müssen den Schülern besser zeigen, wo es nach der Schule hingeht.

Haggenmiller: Meiner Ansicht nach muss man noch viel stärker das Potenzial der jungen Leute sehen und es besser mit der breiten Palette an Ausbildungsberufen zusammenbringen. Außerdem sollte die Ausbildereignungsverordnung immer auf dem neuesten Stand sein. Es gibt heute ganz andere Herausforderungen, gerade auch, wenn junge Geflüchtete in die Betriebe kommen.

Stichwort Flüchtlingskrise. Was bedeutet das für das Handwerk?

Born: Wir stehen hier vor einer Herkulesaufgabe. 2015 haben wir ein Konzept entwickelt, um Flüchtlinge über eine vollständige Ausbildung – und nicht in Schnell- oder Teilqualifzierung – in Arbeit zu bekommen. Berufsorientierung und -vorbereitung sind dafür ganz wichtig. Bis 2018 wollen wir bis zu 10.000 junge Flüchtlinge durch die Bildungszentren auf die Ausbildung vorbereiten. Zurzeit haben rund 2.000 Flüchtlinge damit begonnen. Unabhängig von diesem Projekt bilden die Betriebe bereits  rund 2.500   junge Menschen aus den acht Ländern mit den höchsten Asylbewerberzahlen regulär aus.

Haggenmiller: Wir glauben, dass wir da Hand in Hand gehen müssen, Betriebe, Arbeitnehmervertreter und Flüchtlinge. Es ist eine Herausforderung, die Flüchtlinge zu integrieren. Das gilt nicht nur für die Sprachförderung. Unser duales Ausbildungssystem ist in Syrien, Afghanistan oder Eritrea überhaupt nicht bekannt. Aber die Motivation der Geflüchteten ist hoch. Das Handwerk behauptet immer, familiär zu sein. Das ist jetzt sehr wichtig für die Integration.

Auch aufgrund der vielen Flüchtlinge ist die Zahl der jungen Leute im Übergangsbereich auf knapp 280.000 gestiegen. Eine Fehlentwicklung?

Born: Ja. Uns gehen an der Schnittstelle von allgemeinbildender Schule und Berufsausbildung viel zu viele Jugendliche verloren. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit wissen wir oft nicht, wo sie bleiben. Wir brauchen einen zielgruppenorientierten Ansatz, müssen die jungen Leute  bei diesem Übergang unterstützen. Im Zusammenspiel zwischen den Agenturen für Arbeit, den Schulen und den regionalen Akteuren aus dem Handwerk gibt es noch viel mehr Potenzial. Die jungen Leute sollten über Praktika oder Einstiegsqualifizierungen möglichst schnell den Betriebsalltag kennenlernen können. Vielleicht gibt es dann einen Betrieb, der sagt: Wir versuchen es miteinander.

Haggenmiller: Ich stimme zu, dass die jungen Menschen einen schnelleren Kontakt zu Betrieben bekommen müssen. Fast 28 Prozent der Jugendlichen im Übergangsbereich haben einen mittleren Bildungsabschluss. Potenzial ist also da. Viele Bildungsträger im Übergangsbereich verknüpfen ihre Angebote gar nicht mit dem Ziel eines betrieblichen Abschlusses. Das wäre aber wichtig. Andererseits ist es auch eine Angebotsfrage. Das Handwerk bietet zwar wesentlich mehr Ausbildungsplätze an als der Durchschnitt der Wirtschaft. Insgesamt bilden aber nur noch 20,3 Prozent der Betriebe aus. Deshalb sind wir für eine Branchenumlagefinanzierung: Betriebe, die nicht ausbilden, sollten eine Abgabe zahlen an die Betriebe, die gut ausbilden.

Born: Das ist eine überholte Diskussion. Im Übrigen zählt die Statistik viele tausend Handwerksbetriebe nicht, die ausbilden wollen, aber seit langem keinen Azubi mehr finden.

Herr Haggenmiller, Sie wollen das Berufsbildungsgesetz modernisieren. Was versprechen Sie sich davon?

Haggenmiller: Das duale Ausbildungssystem steckt in der Krise. Der Gesetzgeber muss handeln. Hier geht es nicht nur um das Handwerk. Wir haben zum Beispiel massive Probleme im Hotel- und Gaststättengewerbe. Hier wäre das Berufsbildungsgesetz mit Blick auf die Überstunden auf jeden Fall ein Regulativ. Wir haben ganz neue Anforderungen an Ausbilder, auch werden Berufsschulzeiten oft nicht richtig angerechnet. Das muss korrigiert werden, damit die duale Ausbildung wieder so stark wird, wie sie einmal war. So steht es auch im Koalitionsvertrag. 

Born: Ausbildungsqualität ist auch uns wichtig. Wir haben mehrere Initiativen auf den Weg gebracht: „Stark für Ausbildung“ mit Tipps und Hilfen für Ausbilder, oder auch „primAQ“. Das steht für prima Ausbildungsqualität und reicht von Talentmanagement über Akquise bis zur Prüfungsvorbereitung. Entscheidend ist für uns der kleinstbetriebliche Ansatz. Die Initiativen greifen, mehr Gesetzesbürokratie ist überflüssig.

Müsste man jenseits der politischen Ebene die duale Ausbildung nicht auch besser vermarkten?

Born: Ja, Jugendliche brauchen Perspektiven. Die Botschaft muss sein: Mit der Ausbildung hört es nicht auf, damit beginnt die Karriere.  Das zeigt das Beispiel des Kfz-Mechatronikers, der sich nach der Lehre zum Kfz-Service-Techniker fortbilden und später den Kfz-Technikermeister und sogar den Betriebswirt im Kfz-Handwerk machen kann. Solche Laufbahnen wollen wir ausbauen. Wir müssen zeigen, dass jeder unabhängig vom Schulabschluss diese Möglichkeiten hat. Im Übrigen ist das Lebensarbeitseinkommen eines Meisters mit dem eines Fachhochschulabsolventen vergleichbar;  Meister werden sogar seltener arbeitslos als Akademiker.

Haggenmiller: Laufbahnkonzepte sind gut. Aber vielen jungen Menschen fehlt schon die Perspektive nach der Lehre. Nur ein Viertel der Jugendlichen in Handwerksberufen hatten zum Zeitpunkt unserer Befragung ein Übernahmeangebot.  Das macht viele unsicher.

Born: Unternehmen investieren viel Zeit und Geld in die Ausbildung. Für einen Handwerksbetrieb kostet ein Auszubildender 15.000  bis 16.000 Euro brutto im Jahr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Betriebe da am Ende so zurückhaltend sind.

Wie könnte neben all den Vorschlägen die Ausbildungsqualität noch verbessert werden?

Haggenmiller: Die Berufsschule ist eine wichtige Stellschraube. Fast die Hälfte der von uns befragten Auszubildenden war mit der fachlichen Qualität des Unterrichts nicht zufrieden. Gerade in der digitalen Ausstattung der Berufsschulen gibt es erhebliche Mängel. Die Schüler, aber auch die Lehrkräfte sind diejenigen, die es ausbaden. Sie haben es mit riesengroßen Klassen in unterfinanzierten Berufsschullandschaften zu tun.

Born: Und es werden immer weniger Lehrkräfte. Viele Bundesländer haben die Ausbildung und Qualifizierung von Berufsschullehrern in den letzten Jahren zurückgefahren. Und es gibt kein Konzept, dem zu begegnen. Wir müssen auch dringend mehr in unsere Bildungsstätten investieren, wenn wir qualitativ gut ausbilden wollen. Es kann nicht sein, dass der Bund über 20 Milliarden Euro in den Hochschulpakt steckt. Wenn der Hochschulpakt 2018 ausläuft, muss endlich mehr Geld in die berufliche Bildung fließen.

Zum Interview auf den Seiten der DHZ

Interview: Karin Birk und Barbara Oberst

Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.