Die seit langem rasante konjunkturelle Entwicklung im Süden Sachsen-Anhalts erhält aktuell einen leichten Dämpfer. Der Geschäftsklimaindex der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) geht auf 28,9 Punkte zurück. Laut IHK sind dafür ausschließlich eingetrübte Erwartungen in einzelnen Branchen verantwortlich. Die Geschäftslage bleibt unverändert robust. „Die konjunkturelle Entwicklung in der Region ist nicht mehr so einheitlich wie in den letzten Quartalen. Während Baugewerbe und Verkehr Verbesserungen melden, haben Industrie und Handel rückläufige Erwartungen“, erläutert Danny Bieräugel, IHK-Konjunkturexperte. Dies bedeute aber nicht, dass der Aufschwung nun beendet sei – dafür gäbe es bisher keine Anzeichen. „Die Dynamik der Entwicklung allerdings lässt ein wenig nach und es wird ein gewisses Unbehagen spürbar, das sich in eingetrübten Erwartungen niederschlägt“, so Bieräugel.
Dafür nennt IHK-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Thomas Brockmeier verschiedene Gründe: „In der Industrie dürften die Handelspolitik der USA, der Brexit und die Sanktionen gegen Russland und Iran die Aussichten beeinflussen.“ Hinzu kämen steigende Energie- und Rohstoffpreise. Die größten Risiken sähen die Unternehmen jedoch weiter bei fehlenden Fachkräften und den Arbeitskosten. „Das Fachkräfteproblem fängt schon beim Azubimangel an. Die duale Berufsausbildung wieder attraktiver zu gestalten, muss daher oberste Priorität haben“, so Brockmeier. Hierbei seien alle Beteiligten gefordert. IHK und Handwerkskammer hatten der Landesregierung erst kürzlich einen Zehn-Punkte-Katalog mit Handlungsempfehlungen vorgelegt; darin wurden unter anderem eine bessere Berufsorientierung sowie Bemühungen um Verkürzung der oft zu langen Wege und Fahrtzeiten zu den Berufsschulen angemahnt.
Die Ergebnisse des IHK-Konjunkturberichtes im Einzelnen:
In der Industrie werden die Erwartungen durch Unbehagen getrübt. Das Geschäftsklima fällt auf 27,8 Punkte zurück. Damit liegt es in etwa auf Vorjahresniveau. Gründe sind die ungewissen Aussichten bezüglich wichtiger Rahmenbedingungen (Exportbarrieren, Energiekosten) sowie das hohe Niveau der Geschäftslage. Diese erreicht den Spitzenwert des Vorquartals. Insbesondere der Umsatz konnte im abgelaufenen Quartal zulegen. Mit einem Auslastungsgrad von gut 88 Prozent verzeichnen die Unternehmen nahezu Rekordstände.
Das Baugewerbe ist weiter top, besonders die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Das Geschäftsklima steigt auf 44,6 Punkte an. Die Einschätzung der Geschäftslage verbessert sich insbesondere aufgrund kräftiger Zuwächse bei Umsätzen und Auftragseingängen. Die Auftragsreichweite beläuft sich aktuell auf rekordverdächtige 18 Wochen. Bei ihren Geschäftserwartungen sind die Unternehmen unverändert optimistisch. Sie rechnen weiterhin mit steigenden Umsätzen.
Im Dienstleistungsgewerbe ist die Lage weiter auf Höchstniveau. Der Geschäftsklimaindex liegt mit 31,5 Punkten auf dem Niveau des Vor- und Vorjahresquartals. Die Geschäftslage bleibt auf dem Spitzenniveau des Vorquartals. Die Geschäftserwartungen sind ausgeglichen. Auch die Umsatzerwartungen deuten mit nahezu neutralem Saldo auf eine stabile Entwicklung hin.
Das Geschäftsklima im Handel dagegen trübt aktuell deutlich ein. Mit 7,5 Punkten liegt es deutlich unter dem Vor- und Vorjahresquartal. Der überraschend starke Rückgang resultiert weitgehend aus deutlich gesunkenen Erwartungen vor allem im Einzel- und Kfz-Handel. Zu vermuten ist, dass die Verbraucher angesichts konjunktureller Unsicherheiten und der Auswirkungen der regionalen Hitzewelle grundsätzlich zurückhaltender sind.
Das Verkehrsgewerbe fährt mit Vollgas aufs Allzeithoch. Das Geschäftsklima steigt gegenüber dem Vorquartal auf 37,6 Punkte an. Saisonbereinigt erreicht auch der Verkehr damit ein neues Allzeithoch. Die Geschäftslage steigt dabei stark an, die Erwartungen sind ebenfalls recht optimistisch. Die Unternehmen rechnen mit weiteren Umsatzsteigerungen.
Zur Methodik:
Für den Konjunkturbericht befragt die IHK viermal im Jahr eine repräsentative Stichprobe ihrer Mitgliedsunternehmen. Diese geben dabei unter anderem an, wie sie ihre aktuelle Geschäftslage bewerten und welche Entwicklung sie zukünftig erwarten.
Die Umfragedaten aus den verschiedenen Branchen werden um saisonale Effekte bereinigt, nach Branchen gewichtet und ausgewertet. Indexwerte zeigen jeweils den Saldo zwischen dem Anteil positiver und negativer Einschätzungen.
Lesebeispiel: Wenn 60 Prozent der befragten Unternehmer die Geschäftslage als gut einschätzen, 25 Prozent als neutral und 15 Prozent als schlecht, dann beträgt der resultierende Wert 45 Punkte. Im Gesamtindex werden Lagebewertung und Erwartungen zusammengefasst.
Sowohl die Befragung als auch die Auswertung und Hochrechnung der Ergebnisse erfolgen nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden. Im südlichen Sachsen-Anhalt nehmen regelmäßig etwa 600 Unternehmen an der Befragung teil.