Das abgelaufene Jahr hat den Berliner Unternehmen einiges abverlangt. Die Konjunktur läuft zwar zum Jahreswechsel immer noch auf Hochtouren, die Einnahmen für die öffentliche Hand sprudeln. Aber die Zeiten werden unsicherer. Umso wichtiger wäre eine verlässliche und unternehmensfreundliche Standortpolitik. Hier bleiben aus Sicht der Berliner Unternehmen leider viele Wünsche offen, Geschenke vom Senat gab es 2018 nur für andere. Die IHK blickt zurück auf einige wirtschaftspolitische Schlaglichter im Jahr 2018 – und nennt Wünsche für das neue Jahr.
Ordnungspolitischer Kompass
Der Umgang des Senats mit vielen grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Fragen hat 2018 bei den Unternehmen einen negativen Beigeschmack hinterlassen. Einen Tiefpunkt erreicht die Debatte bei der aktuell aufgeworfenen Frage nach einem Volksentscheid zur Enteignung der Deutsche Wohnen und anderer privater Wohnungsanbieter. Hinzu kommt, dass die rasant fortschreitende Ausweitung von Milieuschutzgebieten sowohl notwendige werterhaltende Investitionen als auch neuen Wohnraum verhindert, z.B. in Dachgeschossen. Die Anwendung des Vorkaufsrechts durch die Bezirke belastet zwar den öffentlichen Haushalt, lässt aber keine einzige weitere Wohnung neu entstehen. Besitzstandswahrung für wenige statt Neubau für viele: Aus Sicht der Wirtschaft sind das kostspielige Klientelgeschenke. Auch die Einführung eines zusätzlichen Feiertags am 8. März ist im Senat beschlossen, könnte die Berliner Wirtschaftsleistung aber um rund 160 Millionen Euro verringern. Für den Handel waren Ladenöffnungszeiten 2018 kein gutes Thema. Die Auswirkungen der Klage gegen die Sonntagsöffnungen waren noch nicht ausgestanden, da kamen im Herbst sogar Stimmen aus der SPD auf, einen der verkaufsoffenen Adventssonntage kurzfristig wieder zu streichen.
Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin: „Die jüngsten Forderungen nach einer Enteignung von privaten Wohnungsbauunternehmen setzen der ohnehin schon völlig ideologisch-überhitzten Debatte die Krone auf. Sinnvoll wäre es, die Ressourcen wieder auf das zu lenken, was die Berliner wirklich brauchen: den Bau neuer Wohnungen. Ein zusätzlicher Feiertag mag ein nettes Geschenk an die Wähler sein – umsonst ist er nicht. Erst recht nicht in einer Stadt, deren Bruttowertschöpfung immer noch unterhalb derer vergleichbarer Regionen liegt. Dass beim Thema Sonntagsöffnungen zum Jahresende Vorstöße zum kurzfristigen Streichen eines weiteren verkaufsoffenen Sonntags kamen, ist den Unternehmen nicht mehr zu vermitteln.“
Auf die Wirtschaft kommt es an – oder doch nicht?
Die Berliner Wirtschaftsunternehmen sind die Basis für das aktuelle Wachstum der Stadt und die anhaltend gute Beschäftigungslage. Doch die Gewerbetreibenden müssen sich nicht nur gegenüber den Konkurrenten am Markt behaupten, auch von Seiten der Berliner Politik bläst ihnen der Wind teils kräftig ins Gesicht. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass es nicht selten an der Verlässlichkeit der Politik mangelt: So wurde in Kreuzberg ein Sicherungskonzept für Gewerbehöfe verabschiedet – kurze Zeit später findet sich einer der Standorte auf der Liste der neu zu errichtenden Modularen Flüchtlingsunterkünfte. Ein prosperierendes Fintech-Unternehmen muss seine Firmenzentrale verlegen, weil das Land in bester Innenstadtlage lieber Verwaltungsmitarbeiter unterbringen möchte. Zur Umgestaltung des Checkpoint Charlie wird mit dem Investor ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren durchgeführt – ehe sich am Ende die Pläne des Senats noch einmal fundamental ändern. Der private Eigentümer des alten Postscheckamts in Kreuzberg befindet sich seit Jahren in einem Bebauungsplanverfahren zur Umgestaltung des Gebäudes – am Ende übernimmt die landeseigene Degewo. Selbst der Weltkonzern Google scheiterte an Berlin mit seinem Versuch, in Kreuzberg einen Campus für Start-Ups zu eröffnen. Und führende Vertreter der Regierungskoalition finden das sogar noch eine gute Lösung.
Jan Eder: „Die Wirtschaft ist das Fundament des Berliner Aufschwungs. Berlin sollte – nicht zuletzt im internationalen Wettbewerb der Standorte – ein Ort sein, an dem Verlässlichkeit als einer der wichtigsten Standortfaktoren gilt. Daher ist unser Anliegen an die Politik: Bestandspflege statt Blockade für die erfolgreichen Berliner Unternehmer. Und eine echte Willkommenskultur statt Abwehrkampf für neue Investoren. Die Ansiedlung des Siemens-Innovationscampus zeigt, wie es anders – und besser - geht, wenn man denn will.“
Die Aufgaben bleiben – Ausblick auf 2019
2019 geht der rot-rot-grüne Senat in die Halbzeit. Die Herausforderungen werden in der zweiten Hälfte der Legislatur nicht kleiner. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Im kommenden Jahr muss der Senat das Urteil des Verwaltungsgerichts zu möglichen Dieselfahrverboten umsetzen. Bei diesem Thema kommt es ebenso wie bei der weiteren Erarbeitung des Mobilitätsgesetzes darauf an, dass die Anforderungen des Wirtschaftsverkehrs angemessen berücksichtigt werden.
Große Erwartungen lasten auf dem Senat bei der Modernisierung der Berliner Verwaltung. Der geplante „Zukunftspakt Verwaltung“ zwischen Senat und Bezirken muss sich an den Forderungen der Alt-Kommission messen lassen. Beim Masterplan Industrie steht die Umsetzung an. Die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie im engen Schulterschluss mit Stakeholdern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft muss endlich in die Gänge kommen. Brandenburg war schneller und hat Anfang Dezember seine Strategie bereits verabschiedet. Auch zu Jahresbeginn 2019 wartet die Wirtschaft noch auf die angekündigte Digitalagentur. Und nicht zuletzt muss die anstehende Novellierung des Berliner Vergabegesetzes dazu genutzt werden, den Sinkflug der Attraktivität der öffentlichen Hand als Auftraggeber in der Privatwirtschaft zu stoppen. Anderenfalls steht es in Zukunft schlecht um die Funktionsfähigkeit der Stadt.
Jan Eder, IHK Berlin: „Die Zeit für große wirtschaftspolitische Weichenstellungen in dieser Legislaturperiode wird kürzer. Umso mehr gilt es, jetzt die richtigen Impulse zu setzen. Allen Berlinreisenden – etwa aus süddeutschen Mittelzentren - sei gesagt: Berlin bleibt auch 2019 funktionierender Teil Deutschlands, in dem man selbst ohne Dienstausweis sicher nach Hause kommt. Dennoch täte der Senat gut daran, seinen ordnungspolitischen Kompass neu zu justieren anstatt sich in ideologischen Debatten zu verzetteln. Wirtschaftlicher Erfolg fällt nicht vom Himmel. Und vom Länderfinanzausgleich allein lassen sich die Wählergeschenke jedenfalls nicht bezahlen.“
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