Dieseldebatte und kein Ende – jetzt reicht’s! - Immer weiter wird weiter heftig über die Zukunft des Selbstzünders diskutiert. Vielerorts drohen Fahrverbote. Politiker fordern die Einführung einer blauen Plakette, eine höhere Besteuerung von Dieselkraftstoff, technische Nachrüstungen, Mindestquoten für E-Autos oder gar den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. - Die Debatte ist aus den Fugen geraten. Sie muss an Maß, Orientierung, Wahrheit und an Ehrlichkeit gewinnen, sonst droht aus schrillen Diskussionen nach dem Wahlsonntag politischer Aktionismus zu werden, der dem Wirtschafts- und Technikstandort Deutschland schadet, ohne der Umwelt zu helfen.
Wir brauchen den Verbrennungsmotor noch lange.
Wir brauchen Fakten für eine sachliche Diskussion. Um es klar zu sagen: Abgasmanipulationen, wie sie der Volkswagen-Konzern vorgenommen hat, sind völlig inakzeptabel. Diejenigen, die das getan haben, müssen sich ihrer rechtlichen Verantwortung stellen sowie verloren gegangenes Vertrauen ihrer Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre wieder aufbauen. Autohersteller haben sich wie jeder von uns an geltende Regeln und Gesetze zu halten.
Wegen den Verfehlungen Einzelner dürfen wir aber nicht eine ganze Schlüsseltechnologie zum Abschuss freigeben. Für Kunden weltweit sind Benziner und Diesel aus Deutschland Inbegriffe deutscher Ingenieurskunst. Und dies zu Recht. Die Verbrennungsmotoren deutscher Hersteller sind nicht nur mit Blick auf Effizienz, Fahrleistung und Zuverlässigkeit technologisch führend. Sie sind meist auch sauberer als ihre internationale Konkurrenz.
Umso befremdlicher finde ich, dass nun auf breiter Front die deutschen Automobilbauer – auch die, die nicht manipuliert haben – am Pranger stehen. Während sie nun über 5 Mio. ihrer Fahrzeuge mit Softwareupdates zur Abgasreinigung nachrüsten, kenne ich keinen einzigen ausländischen Hersteller, der dies zugesagt hat und auch machen würde, obwohl es bei vielen von ihnen dringlicher wäre. Die Politik darf den Wettbewerb nicht weiter zulasten deutscher Antriebstechnologien verzerren. Das wäre wirtschaftlich und umweltpolitisch ein folgenreiches Eigentor. Sollte sich herausstellen, dass es technischer Nachrüstungen bedarf, müssten diese sowohl von den deutschen, als auch den ausländischen Herstellern eingefordert werden.
Moderne Pkw-Verbrennungsmotoren aus Deutschland sind umweltfreundlicher als die aufgeregte Diskussion über CO2 und Feinstaub und Stickoxide suggeriert. Nehmen wir das Thema Feinstaub: Obwohl heute viel mehr Autos auf unseren Straßen fahren als noch vor 20 Jahren, hat die durch den Verkehr ausgelöste Feinstaubbelastung stark abgenommen.
Und der größte Teil des Feinstaubs, der auf den Straßen entsteht, wird gar nicht durch Motoren verursacht, sondern durch Abrieb bei Bremsen, Kupplungen und Reifen. Künftig werden neben den Diesel-Pkw zunehmend auch die Benziner mit Partikelfiltern ausgerüstet sein. Feinstaub durch Pkw-Verbrennungsmotoren ist daher für die Zukunft kein Problem. Ganz abgesehen davon produzieren Landwirtschaft, Industrieanlagen, Baustellen und Heizungen ohnehin mehr Feinstaub als der ganze Verkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft zusammengenommen.
Auch rund um die Stickoxide ist eine schiefe Diskussion entstanden. Richtig ist, dass Autoabgase an vielen hochfrequentierten Straßen in Ballungsräumen maßgeblich dazu beitragen, dass die erlaubten EU-Grenzwerte überschritten werden. Und der Diesel hat hier keine weiße Weste. Ein hoher Stickoxidausstoß ist allerdings vor allem ein Problem der älteren Dieselgenerationen, die nach und nach durch moderne ersetzt werden. Diesel-Pkw, welche die seit September geltenden Euro-6d-Abgasnormen erfüllen, stoßen kaum noch Stickoxid aus, weder im Labor noch auf der Straße.
Zu einer ehrlichen Diskussion über die Stickoxidbelastung gehört für mich auch, anzuerkennen, dass die Luft in Deutschland immer besser wird. Neben den CO2- und Feinstaubemissionen haben auch die Stickoxidemissionen stark abgenommen – um 60 % seit 1990. Und das, obwohl heute viel mehr Diesel auf unseren Straßen fahren. Diese erfreuliche Entwicklung liegt wesentlich daran, dass die Verbrennungsmotoren und gerade auch der Diesel immer sauberer geworden sind.
Mir scheint aber auch die Frage erlaubt, wie sinnhaft die EU-Grenzwerte für Stickoxidemissionen als Indikator für mögliche Gesundheitsbelastungen überhaupt sind. Der erlaubte Grenzwert für die Außenluft beträgt im Jahresmittel 40 µg/m³, während an Industriearbeitsplätzen das bis zu 23-Fache zulässig ist. Diese extremen Unterschiede von Grenzwerten für die Außenluft und maximale Arbeitsplatzkonzentration an Industriearbeitsplätzen werfen die Frage auf, ob Grenzwertüberschreitungen an besonders stark befahrenen Straßen wirklich das große allgemeine Gesundheitsrisiko sind, zu dem sie häufig gemacht werden.
Während der Verbrennungsmotor ins Fadenkreuz von Politik, Umweltaktivisten sowie Umweltlobbyisten, die Abmahnungen zu ihrem Geschäft machen, geraten ist, glauben viele, dass die Elektromobilität auf geradezu magische Weise individuelle Mobilität garantieren, die Umwelt schonen und dabei auch noch das Klima retten kann.
Hier ist mehr Realismus gefragt. Die Elektromobilität hat Potenzial, eine signifikante Rolle in der mobilen Welt von morgen einzunehmen. Bis es soweit ist, sind aber noch erhebliche Herausforderungen zu meistern. So muss eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufgebaut werden, die Autos müssen günstiger werden, ihre Reichweiten größer und die Batterien langlebiger. Aber selbst wenn es gelingen sollte, bis 2025 oder 2030 E-Autos damit für Millionen von Autokäufern attraktiv zu machen, bleibt die Frage, was die Umwelt und das Klima davon haben.
Dies ist weniger klar, als viele denken. Mit Blick auf den Feinstaub besitzen E-Autos gegenüber modernen Benzinern oder Diesel kaum Vorteile. Denn auch batteriebetriebene Fahrzeuge verursachen Abrieb von Bremsen und Reifen, was der Hauptverursacher für Feinstaub durch Pkw ist. Ein Vorteil der E-Autos ist, dass sie im elektrischen Betrieb lokal weder Stickoxide noch CO2 ausstoßen. Dafür fallen diese Emissionen nur woanders an, nämlich bei der Herstellung und der Stromerzeugung für den elektrischen Antrieb. Die Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien verursacht sogar sehr viel CO2.
Und da der Strom für den Antrieb in Deutschland zur Hälfte aus Kohle und Gas kommt, bei deren Erzeugung ebenfalls CO2 emittiert wird, ist auch die Gesamt-CO2-Bilanz eines E-Autos heute schlechter, als die eines Diesel-Pkw. Mit steigendem Anteil regenerativer Energien am künftigen Strommix kann sich die CO2-Bilanz der Elektromobilität verbessern. Dies passiert aber nicht von heute auf morgen und wie hoch der Anteil des grünen Stroms in 10 oder 15 Jahren wirklich sein wird, darüber streiten sich die Energieexperten.
Der Diesel schlägt heute aber nicht nur das E-Auto in der CO2-Bilanz, sondern auch den Benziner. Denn Dieselmotoren stoßen bis zu 20 % weniger CO2 als Benziner aus. Damit ist klar, dass auch mittelfristig am Diesel kein Weg vorbeiführt, wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz und damit dem Kampf gegen die Klimaerwärmung.
Statt den Diesel ins Fadenkreuz zu nehmen, sollten wir uns auf die Fakten besinnen und anerkennen, dass wir die Verbrennungsmotoren noch über Jahre brauchen, bis sie schrittweise durch alternative Technologien ergänzt und vielleicht irgendwann ersetzt werden.
Welche Technologien im Jahr 2030 über 40 Mio. Autos auf unseren Straßen bewegen werden, weiß heute kein Mensch und die Politik darf nicht so tun als wüsste sie es. Stattdessen sollte sie einen Rahmen setzen, der den offenen Wettbewerb der Antriebskonzepte zulässt. Nur so können sich die Technologien durchsetzen, die möglichst optimal freie Mobilität mit dem Schutz von Umwelt-, Klima-, und Gesundheit verbinden. Diesel, Benziner, Gas, Elektromobilität, Hybride, Brennstoffzelle und was den Ingenieuren morgen sonst noch so alles einfallen mag: Möge die beste Technologie gewinnen!
Um zu einer besser informierten Diskussion über die Herausforderungen und Potenziale der verschiedenen Antriebs- und Abgastechnologien beizutragen, werden die VDI nachrichten Anfang Oktober eine Reihe unter dem Titel „Brennpunkt Technik“ starten, in der technische und naturwissenschaftliche Fakten und Tatsachen neutral und unabhängig vorgestellt werden. Ich wünsche Ihnen schon jetzt viel Spaß beim künftigen Lesen und uns allen eine Diskussion mit mehr Sachkenntnis und Augenmaß zu den Antriebstechnologien von heute und morgen!
VDI-Präsident Prof. Udo Ungeheuer plädierte in den VDI nachrichten 38/2017 für mehr Sachlichkeit in der Debatte um den Dieselmotor.-
Foto: VDI/Catrin Moritz
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