Im Interview mit der Saarbrücker Zeitung spricht ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer über das Sondierungsergebnis, den Meisterbrief und die Auswirkungen des Dieselskandals für das Handwerk .- Herr Wollseifer, wäre eine neue große Koalition gut für das Handwerk? Jamaika hätte der Wirtschaft und der Politik insgesamt einen Modernisierungsschub geben können. Das sehe ich bei den Verhandlungen zur großen Koalition bislang noch nicht. Aber warten wir das Ergebnis ab. - Was muss in einem Koalitionsvertrag stehen, damit Sie Union und SPD loben? Die große Koalition darf nicht zu teuer werden. Allein mit Geldausgeben bekommen wir keine Modernisierung hin. Eine Regierung mit Spendierhosen und die Wirtschaft als ihr Zahlmeister, nein danke.
Wir brauchen gesellschafts- und wirtschaftspolitische Vernunft. Das muss sich im Koalitionsvertrag widerspiegeln. Beispiel Steuern: Bei stetig steigenden Einnahmen wäre viel mehr Entlastung drin gewesen. Eine Interimsteuer wie der Soli muss für alle abgeschafft werden. Ich bezweifle, ob die geplante Zwei-Klassen-Entlastung überhaupt verfassungsgemäß ist.
Vom Dieselskandal sind auch viele Handwerker betroffen. Was erwarten Sie dazu im Koalitionsvertrag?
Die Kundengruppe Handwerk ist beim Diesel hinters Licht geführt worden. Handwerker besitzen Hunderttausende dieser Fahrzeuge. Es wurde ihnen geraten, Diesel zu kaufen - wegen des geringeren Verbrauchs und der geringeren Kosten. Euro 5 könnt ihr im üblichen Abschreibungszyklus günstig fahren, hat es geheißen. Das war eine Falschaussage. Jetzt drohen Fahrverbote. Durch die Manipulationen einiger Autohersteller haben die Fahrzeuge zudem einen riesigen Wertverlust erlitten.
Was fordern Sie?
Ich fordere für das Handwerk die notwendige Hardware-Nachrüstung der Nutzfahrzeuge. Dazu muss ein Gesetz her, das diejenigen, die den Schaden verursacht haben, dazu verpflichtet, ihn auch wieder in Ordnung zu bringen.
Ihre Branche plagen massive Nachwuchssorgen. Warum zieht offenbar der alte Spruch nicht mehr, Handwerk hat goldenen Boden?
Dazu hat die Politik Einiges beigetragen. 2004 ist mit der Deregulierung der Handwerksordnung für 53 Berufe die Meisterpflicht weggefallen. Seitdem wird in diesen Berufen viel weniger ausgebildet. Die Zahl der Solo-Selbstständigen hat sich deutlich erhöht. Jeder kann jetzt zum Gewerbeamt gehen und sagen, ich bin Raumausstatter, Gold- und Silberschmied oder Parkettleger – ohne Qualifikationsnachweis. Politisch motiviert lag in den letzten Jahren der Fokus auf Abi und Studium. 2014 kam dann die Rente mit 63, durch die bis heute Hunderttausende Fachkräfte früher in Rente gingen und den Betrieben fehlen. Das alles hat den Mangel befördert.
Heißt das, Sie wollen Deregulierungen zurücknehmen?
Die künftige Regierung muss Fehler der Vergangenheit, die sich als solche erwiesen haben, revidieren. In den Gewerken, in denen das der Fall ist, sollte der Meister wieder eingeführt werden. Was sicher auch die Qualität wieder nach oben bringen würde.
Den Satz, Wollseifer beklagt Qualitätsverlust im Handwerk, würden Sie somit unterschreiben?
Nein. Aber das Handwerk stemmt sich gegen Qualitätsverlust durch jene, die sich Handwerker nennen, aber keine sind. Die fügen unserer Branche einen erheblichen Imageschaden zu. Unsere Handwerks-Meisterbetriebe hingegen bieten sehr hohe Qualität - und das ist, was die Kunden erwarten.
Derzeit wird stark über eine Eindämmung befristeter Jobs debattiert. Wie sieht es damit konkret im Handwerk aus?
In unseren kleinen, oft familiär geprägten Betrieben ist das Miteinander ganz wichtig. Die sachgrundlose Befristung ist ein gutes Instrument, um sich kennenzulernen. Aber ich versichere Ihnen, wir gehen verantwortungsvoll damit um.
Für den Arbeitnehmer bedeutet das unter Umständen Kettenverträge.
Die sind im Handwerk eher unüblich. In der Regel erkennen wir schnell, ob jemand in den Betrieb passt und die Leistung stimmt.
Die SPD will die Abschaffung.
Das wäre eine weitere Einschränkung. Für Jobeinsteiger oder Langzeitarbeitslose könnte es schwerer werden, weil Betriebe davor zurückschrecken, direkt ins volle Risiko zu gehen. Das Handwerk ist sehr personalintensiv, stärker als die Industrie, wir brauchen Flexibilität.
Wer ist ihnen lieber: Wieder ein Wirtschaftsminister von der SPD oder doch einer von der Union?
Wir brauchen einen Wirtschaftsminister, der die Rahmenbedingungen für uns verbessert. Das ist entscheidend, nicht sein Parteibuch.
Das Interview führten Stefan Vetter und Hagen Strauss. Es ist am 2. Februar 2018 in der Saarbrücker Zeitung erschienen.
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