„Hartz IV hat schon vielen zurück in Arbeit geholfen. 60.000 Langzeitarbeitslose weniger in Hessen, Entbürokratisierung ist richtig, Sanktionen müssen bleiben. Nichts ist falscher, als das erfolgreiche Grundsicherungssystem schlecht zu reden und so Angst vor Armut und Ausgrenzung zu schüren. Ein 55-jähriges Ehepaar z. B. kann Geld- und Altersvorsorgevermögen von insgesamt 100.000 Euro behalten, dazu noch zwei angemessene Autos sowie ein Haus. Die Grundsicherung ist eine große Unterstützungsleistung unseres Sozialstaats, für die Hessens Steuerzahler jährlich 3 Milliarden € aufbringen. Seit 2007 hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Hessen um 60.000 verringert und damit mehr als halbiert. Richtig aber ist an der Diskussion, dass die Anreize zur Arbeitsaufnahme und für Vollzeitarbeit verbessert werden müssen. Und natürlich kann man ein 13 Jahre altes Gesetz auf den Prüfstand stellen – allerdings sollte man die Vor- und Nachteile sauber und ehrlich analysieren“, erklärte Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU).
Es stimme einfach nicht, wie Grünen-Chef Habeck behauptet, dass Arbeitslosengeld-II-Bezieher gezwungen werden könnten, „den Küchentisch oder das Auto zu verkaufen“, und es deshalb höhere Freibeträge für Ersparnisse geben müsste. Wer lange gearbeitet habe, müsse deshalb nicht "seine Ersparnisse verbrauchen, bevor er überhaupt Ansprüche hat", wie SPD-Chefin Nahles meint. Auch wer keine Arbeit hat, bekomme zuverlässig Geld für Wohnen, Essen, Kleidung, Krankenversicherung sowie vergünstigte Nahverkehrstickets und Eintritt in Museen.
Gegenleistung müsse sein, dass die so von den Steuerzahlern Unterstützten alles dafür tun, um in Arbeit zu kommen und ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie soweit und so schnell wie möglich selbst verdienen. Die Jobcenter hätten schon vielen zurück in Arbeit geholfen und seien bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen weiter besonders gefordert. Dagegen seien vor dem Jahr 2005 Sozialhilfeempfänger von Arbeitsförderung weitgehend ausgeschlossen.
„Es ist nur fair gegenüber Steuerzahlern, die z. B. um sechs Uhr früh aufstehen, ihre Kinder zur Schule bringen, zur Arbeit fahren und 9 Stunden auch in nicht so gut bezahlten Jobs arbeiten, dass Grundsicherungsbezieher bei fehlender Mitwirkung mit einer Kürzung der Geldleistungen rechnen müssen", sagte Pollert. Den von Frau Nahles und Herrn Habeck geforderten Erleichterungen oder gar einer Abschaffung der Sanktionen sei deshalb eine Absage zu erteilen.
Richtig seien dagegen Forderungen, die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu verbessern und das Grundsicherungssystem zu entbürokratisieren. Von den rund 300.000 erwerbsfähigen Arbeitslosengeld-II-Beziehern in Hessen seien zwar 80.000 erwerbstätig (sog. Aufstocker), davon aber gerade einmal 14.000 in Vollzeit. „Viele Arbeitslosengeld-II-Bezieher mit Job sind durch gesetzliche Fehlanreize leider nur in Teilzeit.
Der Gesetzgeber sollte die Anrechnungsregeln fortentwickeln: Wer mehr arbeitet, sollte mehr behalten dürfen. Aktuell sind die ersten 100 Euro vollständig, darüber hinaus aber nur noch 20 bzw. 10 Prozent eines Erwerbseinkommens anrechnungsfrei. Längeres Arbeiten lohnt sich deshalb oft nicht. Die Hessische Landesregierung sollte sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass stattdessen die ersten 200 Euro einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich voll auf Arbeitslosengeld II angerechnet und ab da großzügigere Freibeträge gewährt werden. So steigt der Anreiz zur Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung“, sagte Pollert.
15 Punkte für weniger Langzeitarbeitslosigkeit in Hessen
In Hessen beziehen über 430.000 Menschen Arbeitslosengeld II. Davon sind 300.000 erwerbsfähig, 100.000 arbeitslos (davon 50.000 langzeitarbeitslos), 80.000 in Arbeit mit aufstockendem Arbeitslosengeld II und 150.000 Kinder.
Vermittlungspraxis der Jobcenter verbessern
1. Die Jobcenter müssen die individuellen Fähigkeiten, Stärken und Qualifikationen der Langzeitarbeitslosen in Hessen detailliert erfassen und für eine passgenaue Beratung, Förderung und Vermittlung nutzen.
2. Die Jobcenter müssen gesundheitliche Einschränkungen der Langzeitarbeitslosen erfassen und frühzeitig Reha-Maßnahmen einleiten, damit die Beschäftigungsfähigkeit schnell wieder hergestellt wird und Dauerkrankheit vermieden werden kann. Denn erwerbsfähig ist nach dem SGB II bereits, wer mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann.
3. Die Jobcenter müssen die rund 30.000 Aufstocker in Hessen, die lediglich einen Minijob oder eine selbständige Tätigkeit ausüben, mit der sie ihre Existenz nicht selber sichern können, durch Einfordern von Eigenbemühungen und Arbeitsangebote in eine existenzsichernde Beschäftigung führen. Deshalb sollte der gesetzliche Fehlanreiz, sich in Kleinstbeschäftigungen einzurichten und diese mit Arbeitslosengeld II zu ergänzen, gestrichen werden.
4. Nur etwas über die Hälfte der Langzeitarbeitslosen, die eine sozialversicherte Beschäftigung aufnehmen, sind auch nach 12 Monaten noch in Arbeit. Deshalb sollten ehemalige Arbeitslosengeld-II-Bezieher bei Bedarf auch nach Aufnahme einer Arbeit weiter durch die Jobcenter beraten und unterstützt werden, damit sie sich im Job wieder zurechtfinden und nicht in Arbeitslosigkeit zurückfallen.
5. Die Jobcenter müssen für die Bürger in einem verständlichen Bericht Rechenschaft über Kosten und Nutzen der Arbeitslosengeld-II-Verwaltung ablegen. Nur hierdurch entsteht für die Jobcenter der Anreiz, ihre Arbeit systematisch zu verbessern.Präventiv ansetzen – Eigenverantwortung stärken
6. Die Hauptursache für Arbeitslosigkeit ist fehlende Bildung. Über die Hälfte der Arbeitslosen hat keinen Berufsabschluss. Deshalb muss die Zahl der Schulabbrecher und Personen ohne Berufsabschluss reduziert werden, indem insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten frühzeitig und individuell gefördert werden. Die Teilzeitausbildung bietet Betrieben und jungen Menschen eine noch zu selten genutzte Möglichkeit, trotz familiärer Pflichten einen Berufsabschluss zu erlangen.
7. Auch die Anstrengungen, Erwachsene zu einem beruflichen Abschluss zu bringen, müssen intensiviert werden. Weiterbildung sollte sich aber nicht nur an den Stärken und Interessen des Einzelnen, sondern auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientieren. Nur so können auch Enttäuschungen und Motivationsverluste bei den betroffenen Menschen vermieden werden. Die15 Punkte für weniger Langzeitarbeitslosigkeit – 30. Oktober 2018 2Weiterbildung sollte nur gefördert werden, wenn der im Ergebnis erzielteBerufsabschluss gute Arbeitsmarktperspektiven bietet und die Aussichten auf einemöglichst dauerhafte Beschäftigung oberhalb der Helferebene verbessert.
8. Arbeitslose unter 25 Jahren dürfen nicht die Erfahrung machen, ohne Gegenleistungvon der Solidargemeinschaft alimentiert zu werden. Wenn ihnen nicht sofort eine Arbeit,Ausbildung oder Qualifizierung vermittelt werden kann, muss Ihnen umgehendeine verpflichtende Arbeitsgelegenheit angeboten werden.
9. In Hessen gibt es 6.800 Familien mit fünf oder mehr Mitgliedern in denen niemanderwerbstätig ist. Aus diesen Familien sollte immer mindestens ein Erwachsener inArbeit oder eine Maßnahme vermittelt werden, damit die Kinder und Jugendlichenicht die Erfahrung machen, dass Wohnung, Essen und Kleidung auf Dauer ohneGegenleistung vom Amt bezahlt werden.
10. Die Kommunen müssen Sozialen Brennpunkten insbesondere im städtischen undgroßstädtischen Bereich mit vielen Arbeitslosen und Arbeitslosengeld-II-Bezieherndurch ein wirksames Quartiersmanagement begegnen – mit Stadtentwicklung undVernetzung der örtlichen Akteure aus Verwaltung, Politik, Vereinen und Wirtschaft einerseitsund den Bewohnern andererseits.
11. Ein funktionsfähiger Sanktionsmechanismus ist unentbehrlich für die konsequenteAktivierung der Langzeitarbeitslosen. Die bestehenden Sanktionen überfordern dieHilfebedürftigen in keiner Weise und unterstreichen das richtige und notwendigeGegenleistungsprinzip der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II.Hindernisse für die Aufnahme von Arbeit abbauen
12. Flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse,Teilzeit und Minijobs sind für Langzeitarbeitslose das Sprungbrett in Beschäftigung.Diese Jobchancen dürfen nicht durch immer neue Regulierungen geschwächtwerden.
13. Viele Langzeitarbeitslose sind gerade beim Einstieg in Arbeit den Anforderungeneines Arbeitsplatzes, der mit 8,84 Euro entlohnt werden kann, noch nicht gewachsen.Die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose muss von 6 auf 12 Monateausgeweitet werden um insbesondere Niedrigqualifizierten den Einstieg in Arbeit zuermöglichen.
14. Fast jeder zweite Langzeitarbeitslose im Arbeitslosengeld-II-Bezug in Hessen hateinen Migrationshintergrund. Langzeitarbeitslose mit Migrationshintergrund müssengezielt beim Erwerb der deutschen Sprache gefördert werden. Förderangebotemüssen ausreichend dotiert sein, dauerhaft zur Verfügung stehen und allenErwerbsfähigen mit sprachlichen Defiziten offen stehen.
15. In Hessen gibt es rund 40.000 Alleinerziehende im Arbeitslosengeld-II-Bezug. KeineBeschäftigungsaufnahme darf an fehlender Kinderbetreuung scheitern. DieKommunen sind hier in der Pflicht, ausreichend Betreuungsmöglichkeiten zuschaffen oder notfalls Geld für Tagesmütter bereitzustellen. Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. (VhU)