SPD, Grüne und FDP nehmen Koalitionsverhandlungen auf. Das vorgestellte Ergebnis der Sondierungsgespräche weist für den Deutschen Mittelstands-Bund (DMB) zwar grundsätzlich in die richtige Richtung, mehr Mut und weiterhin hohes Tempo für Entlastungen sind jetzt allerdings gefragt. Die deutsche Wirtschaft steht vor einem Umbruch und vor erheblichen Herausforderungen, die nur mit hohen Investitionen in die eigene Zukunftsfähigkeit gestemmt werden können. Die finanziellen Reserven vieler kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) wurden in den letzten 18 Monaten arg strapaziert und sind mittlerweile auch aufgebraucht. Marc S. Tenbieg, geschäftsführender Vorstand des DMB, sieht in den erzielten Verhandlungsergebnissen zwar grundsätzlich positive Zeichen für den Wirtschaftsstandort, fordert aber mehr Entschlossenheit und Konkretisierung für den Koalitionsvertrag: „Es ist zu begrüßen, dass neuen Belastungen eine klare Absage erteilt wurde. Aus Perspektive des Mittelstandes müssen die erzielten Ergebnisse jedoch mit stringenten Zeit- und verbindlichen Umsetzungsplänen konkretisiert werden. Ob die Ampel tatsächlich als „Koalition des Aufbruchs“ wahrgenommen wird, entscheidet sich insbesondere an konkreten, mutigen Maßnahmen und am Umsetzungstempo.“
Konvergenz zwischen Unternehmensforderungen und Sondierungsergebnissen. Tenbieg weiter: „Die Ampel-Parteien scheinen verstanden zu haben, dass Deutschland einen Aufbruch braucht. Einen solchen hat der DMB bereits vor der Bundestagswahl gefordert und mit klaren inhaltlichen Schwerpunkten verbunden.“ Der DMB hat unter dem Leitspruch „Den Aufbruchsturbo zünden“ ein konkretes Maßnahmenpaket vorgestellt, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von KMU zu sichern.
Bürokratieabbau: Nicht kleckern, sondern klotzen!
Eine DMB-Mitgliederbefragung vom 8. Oktober 2021 zeigt, dass wesentliche Unternehmensforderungen im Sondierungsergebnis zwar genannt werden, nun aber weiter konkretisiert werden müssen. Insbesondere beim Bürokratieabbau wünschen sich Unternehmen mutige Schritte und einen echten Aufbruch eines möglichen Ampel-Bündnisses. Befragt nach den wichtigsten Maßnahmen, die in einem Koalitionsvertrag unbedingt aufgenommen werden müssen, antworteten 250 Unternehmen, dass
• sie sich ein wirksames Bürokratieentlastungsgesetz wünschen (100 Prozent);
• sie sich Erleichterung durch verbesserte Abschreibungsregeln für Investitionen erhoffen, die gezielt in die eigene Klimaneutralität und Digitalisierung getätigt werden (96,3 Prozent);
• Steuererhöhungen unbedingt vermieden werden müssen (89,3 Prozent);
• sie sich für einen vereinfachten Fachkräftezuzug aussprechen (86,4 Prozent);
• der verfassungsrechtlich bedenkliche Solidaritätszuschlag für alle Steuerzahler abgeschafft werden muss (81,6 Prozent).
Tenbieg: „Ein erstes Etappenziel ist erreicht. Jetzt müssen die erzielten Grundsätze mit derselben Konsequenz und Ernsthaftigkeit in einen tragfähigen und konkret umsetzbaren Koalitionsvertrag überführt werden. Gerade beim Thema Bürokratieabbau muss das Motto lauten: nicht kleckern, sondern klotzen!“
Die stark angestiegenen Preise auf Energieträger belasten die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks erheblich. „Die Preissprünge werden unweigerlich zu Preissteigerungen führen. Für Transporte brauchen Betriebe ihre Fahrzeuge. Auch für die Arbeit in den Werkstätten, in Lackierkabinen oder am Backofen wird immer teurer werdende Energie benötigt. Die Margen der Betriebe sind so knapp bemessen, dass die immensen Steigerungen nicht ausgeglichen werden können“, sagt Dirk Neumann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle.
Der Hauptgeschäftsführer fordert staatliche Maßnahmen, um zügig auch Betriebe zu unterstützen und verweist als positives Beispiel auf Tschechien, wo in den Monaten November und Dezember die Umsatzsteuer auf Strom und Gas nicht erhoben werden soll. „Dieser Nachlass von 19 Prozent, die der Staat erhebt, würde die Betriebe entlasten“, so Neumann.
Zum Start der Koalitionsverhandlungen in Berlin sagt IHK-Präsident Daniel-Jan Girl: „Es darf kein „Weiter so“ geben, das haben die Koalitions-Unterhändler versprochen. Im Sondierungspapier ist dies aber noch nicht zu erkennen. Bereits laut vorherigem Koalitionsvertrag sollten 20.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden genauso wie die Tangentialverbindung Ost. Selbst „Herzens-Projekte“ wie der Ausbau der Straßenbahn oder Fahrradwege kamen kaum voran. Die Umsetzung der existentiell wichtigen Themen Verwaltung und Digitalisierung bleibt vage. Jeden Tag kämpfen die Berliner mit den eigentlich lösbaren Problemen. Für eine europäische Metropole wie Berlin ist es beschämend genug, dass die Grundversorgung für Bürger und Unternehmen überhaupt noch verhandelt werden muss. Hoffnungsschimmer ist, dass die Verhandlungspartner erkannt haben, dass die Wirtschaft für Berlin relevant ist. Das ist ein Lichtblick. Das gleiche gilt für das angekündigte Bündnis für Wohnungsbau und die Planungen im Verkehrsbereich. Der Koalitionsvertrag muss ein Businessplan werden, um die Stadt wieder zum Funktionieren zu bringen. Mit klaren Zielvorgaben, Zeitplan und Verantwortlichkeiten. Wir brauchen kurzfristig messbare Ergebnisse. Die Wirtschaft wartet darauf Berlin gemeinsam zu gestalten.
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