ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer äußert sich zur Herbstprognose der Bundesregierung zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. - "Mit Blick auf die wirtschaftlich weiter fragile Lage erwartet das Handwerk von der künftigen Regierung, die Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Betriebe nicht weiter zu überfordern, sondern im Gegenteil durch Entlastungen zu stärken. Unsere Betriebe müssen sich aktuell in einem Umfeld mit zahlreichen Sondereffekten behaupten – bei den Lieferengpässen und der Preisexplosion bei einer Reihe von Materialien, bei den Energiekosten, beim offenen Fachkräftebedarf und bei der sich abzeichnenden erneut angespannteren Corona-Lage. Angesichts dieser schwierigen Situation sind unsere Betriebe maximal gefordert, um wirtschaftlich erfolgreich durch diese unruhigen Zeiten zu kommen. Die nächste Bundesregierung muss sicherstellen, dass Steuern zu verkraften sind, Sozialbeiträge nicht weiter ansteigen und Bürokratie unsere Handwerkerinnen und Handwerker nicht erdrückt. Die künftige Koalition muss einen Weg finden, der Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg gleichermaßen ermöglicht. Die Kostenbelastungen durch Klimaschutz, Energie- und Verkehrswende dürfen nicht aus dem Ruder laufen. Denn nur mit einer starken Wirtschaft und starken Handwerksbetrieben werden wir in der Lage sein, die Klimaschutzherausforderung zu finanzieren und zu bewältigen.
Erheblich vergrößern muss die künftige Regierung ihre Anstrengungen, die Attraktivität der beruflichen Bildung zu stärken und berufliche Bildung auch finanziell gleichwertig zur akademischen Bildung zu fördern. Denn der zentrale Schlüssel zur Fachkräftesicherung ist die berufliche Ausbildung. Wir brauchen faire, vergleichbare Ausgangsbedingungen auch in der Bildung – keine erste und zweite Klasse, sondern einzig Weltklasse. Diese Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung muss gesetzlich festgeschrieben und im politischen Alltag gelebt werden. Das gebietet allein schon die Tatsache, dass sich nur mit genügend fachlich qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern der Wohlstand und die Wirtschaftskraft unseres Landes auch in der Zukunft sichern lassen.
Zu einer Modernisierung gehört unabdingbar, unsere Infrastrukturen und Verwaltungen endlich konsequent auf die Erfordernisse der Digitalisierung hin anzupassen und auf den neuesten Stand zu bringen. Längst überfällig sind zudem Entlastungsimpulse im Steuerrecht, wo beispielsweise durch verbesserte Abschreibungsbedingungen sofort Impulse für zusätzliche Investitionen gesetzt werden könnten. Unbedingt angeraten ist eine mittelstandsfreundliche Verbesserung der Thesaurierungsrücklage, um die Innenfinanzierung und damit die Investitionskraft auch des deutschen Handwerks zu stärken. Eine künftige Regierung muss alles daran setzen, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei 40 Prozent des Bruttolohns dauerhaft auch über das Jahr 2021 hinaus zu stabilisieren, damit Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gerade im lohnintensiven Handwerk nicht noch weiter belastet werden und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nicht abnimmt."
"Handwerksbetriebe fair besteuern"
Eine mittelstandsfreundliche Steuerpolitik fordert ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke im "Deutschen Handwerksblatt" (DHB). - Die Erwartungen des Handwerks an die Steuerpolitik der künftigen Bundesregierung hat ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke im Interview mit Kirsten Freund vom Deutschen Handwerksblatt (DHB) formuliert: Dazu gehören steuerliche Entlastungen für Betriebe, strukturelle Reformen des Unternehmenssteuerrechts und eine Verbesserung und praxisgerechte Ausgestaltung der Thesaurierungsbedingungen. Welche Erwartungen haben Sie an die künftige Bundesregierung? Sind Erleichterungen bei Steuern und Abgaben für kleine und mittelständische Unternehmen möglich oder befürchten Sie im Gegenteil neue Belastungen und zusätzliche Abgaben?
Wir erwarten von der künftigen Bundesregierung, dass sie ein faires steuerliches Umfeld für die Betriebe schafft, damit sie wettbewerbsfähig arbeiten können und somit auch Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten oder schaffen können. Ohne eine faire Besteuerung ist das nicht möglich. Um die Wirtschaft in Deutschland nach der beispiellosen Corona-Pandemie nachhaltig zu stärken und um damit Beschäftigung und Steuereinnahmen auch in der Zukunft zu sichern, muss die künftige Bundesregierung bei den Unternehmenssteuern endlich nachbessern. Ziel muss ein international wettbewerbsfähiges Steuerbelastungsniveau für alle in Deutschland tätigen Unternehmen von maximal 25 Prozent auf Ebene der Gesellschaft sein. Flankierend sind strukturelle Reformen des Unternehmenssteuerrechts notwendig. Keinesfalls darf es dazu kommen, dass neue Substanzsteuern eingeführt werden, da diese die Unternehmenssubstanz angreifen. Ebenso wenig darf es dazu kommen, dass die Erbschaftsteuer mit den Verschonungsregeln für das Betriebsvermögen verschärft wird.
Das Handwerk erwartet schon lange eine umfassende Reform der Unternehmensteuer, auch zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der Betriebe. Die Reform der Körperschaftsteuer im Frühjahr hat der ZDH als Mogelpackung bezeichnet. Was erwarten Sie von dem Optionsmodell, das ab dem 1. Januar 2022 zur Verfügung steht?
Wir rechnen nicht damit, dass das Optionsmodell für Handwerksbetriebe eine große Relevanz bekommen wird. Zum einen steht es nur Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften offen. Dadurch ist die Mehrzahl der Handwerksbetriebe ausgeschlossen, die regelmäßig als Einzelunternehmen oder gegebenenfalls auch als GbR firmieren. Zum anderen bestehen auch für Personenhandelsgesellschaften erhebliche Optionshindernisse, beispielsweise wegen der vorgesehenen zwingenden Miteinbringung des Sonderbetriebsvermögens.
Erwarten Sie eine Reform der Thesaurierungsbegünstigung und wie sähe die dann im Idealfall aus? - Die künftige Regierung sollte endlich die Thesaurierungsbegünstigung praxisgerecht ausgestalten. Wie das gemacht werden könnte, dazu hat der ZDH bereits zahlreiche Vorschläge gemacht. Beispielsweise könnte darauf verzichtet werden, zwingend eine Verwendungsreihenfolge zunächst begünstigter thesaurierter Gewinne vorzusehen. Wegfallen könnte auch die Voraussetzung, dass man mit einer prozentualen Mindestquote am Betrieb beteiligt sein muss, ehe man überhaupt Thesaurierungsrücklagen bilden darf. Diese Vorgabe schließt für viele Gesellschafter die Möglichkeit aus, eine Thesaurierungsrücklage zu bilden. Die Vorschläge liegen also auf dem Tisch. Die Politik muss sie nur endlich umsetzen, um unsere Handwerksbetriebe steuerlich zu entlasten und so die Eigenkapitalbasis der Betriebe zu stärken. Denn gerade die Corona-Pandemie hat deutlich werden lassen, dass eine gute Eigenkapitalbasis für die Betriebe existenziell wichtig ist.
Was sind darüber hinaus steuerpolitisch die zentralen Themen beziehungsweise Forderungen des Handwerks in den nächsten Wochen und Monaten? Wie sähe eine mittelstandsfreundliche Steuerpolitik aus? - Mittelstandsfreundlich ist eine Steuerpolitik, bei der Betriebe deutlich weniger mit Steuern belastet werden. Nur so bleibt ihnen Luft für dringend erforderliche Investitionen. Das lässt sich beispielsweise erreichen, indem die Abschreibungsbedingungen – besonders für Investitionen in den Klimaschutz und den digitalen Wandel – oder aber auch die Möglichkeiten zur Verlustverrechnung verbessert werden.
Dringend geboten ist es darüber hinaus, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen, weil ertragsstarke Einzelunternehmer und Mitunternehmer faktisch und Körperschaften de jure derzeit von dieser Entlastung gänzlich ausgeschlossen sind.
Wo sehen Sie Spielraum für eine Entbürokratisierung? - Die sehe ich zum Beispiel bei der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter. Die bisherige Grenze für die Sofortabschreibung auf jetzt 800 Euro anzuheben, war zwar ein richtiger Schritt. Allerdings muss für Wirtschaftsgüter zwischen 800 Euro und 1.000 Euro noch immer die sogenannte Poolabschreibung angewendet werden, was die Betriebe mit Bürokratie belastet. Um es für Betriebe spürbar leichter zu machen, sollte die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro angehoben werden. Der ZDH hat im Übrigen der Politik einen ganzen Katalog mit konkreten Vorschlägen übergeben, wie für Handwerksbetriebe die Bürokratiebelastungen spürbar verringert werden könnten.
Die Anforderungen an die bargeldintensiven Betriebe bezüglich ihrer Kassensysteme – Bonpflicht, TSE et cetera – waren zuletzt enorm. Haben die Betriebe die Umstellung inzwischen gut bewerkstelligt? -Die Kassen an die neuen gesetzlichen Anforderungen anzupassen, war gerade in der Corona-Zeit eine erhebliche Belastung für die betroffenen Betriebe. Nach unseren Beobachtungen hat die überwiegende Zahl der Handwerksbetriebe dennoch die Umstellung abgeschlossen und arbeitet nach den neuen Vorgaben. Leider gibt es aber weiter offene Fragen, die die Finanzverwaltung bisher nicht abschließend beantwortet hat. Und besonders unverständlich: Die Finanzämter sind bis heute mangels einer geeigneten EDV-Lösung nicht in der Lage, die im Gesetz vorgesehene Meldung der Kassen entgegenzunehmen.
BAUINDUSTRIE und ZIA fordern Modernisierungsschub am Bau
„Wir brauchen einen echten Modernisierungsschub am Bau, um unsere künftigen Lebens- und Arbeitswelten nachhaltig und resilient zu gestalten. Nötig sind mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie bei der Stadt- und Infrastrukturplanung sowie straffere Genehmigungsprozesse. Ohne dynamischere, schnellere und flexiblere Ansätze lassen sich die baupolitischen Ziele einer neuen Regierung nicht erreichen.“ Diesen Appell richteten die Hauptgeschäftsführer der Spitzenverbände der Bau- und Immobilienwirtschaft, Tim-Oliver Müller, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), und Oliver Wittke, Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), heute in Berlin zum Start der Verhandlungen auf Fachebene an die potenziellen Koalitionäre.
Um schneller und nachhaltiger zu bauen, müssten die oft zu bürokratischen Prozesse, etwa für Baugenehmigungen, in standardisierte, digitale Verfahren überführt werden. „Was bei der ELSTER-Steuererklärung heute schon möglich ist, sollte auch bei Baugenehmigungsprozessen zum Standard werden. Zumindest eine digitale Vollständigkeitsprüfung von Antragsunterlagen sollte in kürzester Zeit eingeführt werden. Am Ende müssen aber virtuelle 5D-Pläne beziehungsweise der digitale Gebäudezwilling die Grundlage sein“, so Wittke. Durch diese digitalen Ansätze könne es auch endlich gelingen, Planung und Bau stärker miteinander zu verzahnen, um Bauwerke bereits im Planungsprozess durch eine Kooperation zwischen Auftraggebern, Planern und Bauunternehmen zu optimieren – Stichwort Building Information Modelling (BIM). „BIM ist in erster Linie ein Kooperationstool, um ganzheitlich im Team planen und daraufhin zielgenau bauen zu können. Eine gute Gelegenheit, damit der Bau künftig nicht nur smart, sondern auch vernetzt agieren kann, anstatt sein Silo-Denken zu pflegen“, betonte Müller.
Um die Produktivität weiter zu steigern und Baukosten zu senken, sprachen sich die Verbände zudem für eine weitere Förderung industrieller Bauverfahren aus. Serielle und modulare Fertigung ist ein entscheidender Hebel, um ressourceneffizientes und kostengünstiges Bauen enorm nach vorne zu bringen. Was heute im Wohnungsbau bereits gut funktioniert, sollte deshalb auch stärker im Bereich von Gewerbeimmobilien und Verwaltungsgebäuden eingesetzt werden. „Um bestmöglich von seriellen Bauweisen zu profitieren, brauchen wir eine bundeseinheitliche Anwendung der Musterbauordnung sowie länderübergreifende Typenbaugenehmigungen. Es kann nicht sein, dass unsere Unternehmen ganze Produktionsstätten neukonfigurieren, nur weil die Brüstungshöhe in Bundesland A zehn Zentimeter niedriger ist als in Bundesland B“, bemerkte Müller.
Auch die Städtebauförderung sei ein geeignetes Instrument einer modernen und nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik. „Insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie kämpfen viele Innenstädte um ihr Überleben“, so Wittke. „Heute brauchen wir lebendige, verdichtete und integrierte Stadtquartiere mit einer ausgewogenen Mischung aller Nutzungsarten im direkten Umfeld. Nur mit dem Dreiklang aus Leben, Arbeit und Versorgung können unsere Städte funktionieren und bleiben das Rückgrat der wirtschaftlichen Struktur unserer Gesellschaft. Wir werden uns daher auch in Zukunft für den Erhalt einer zielgerichteten Städtebauförderung einsetzen.“
quellen:
Zentralverband des Deutschen Handwerks
Mohrenstraße 20/21
10117 Berlin
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin