24.11.2021 - „Zu viel Staat, zu viel Verschuldung, zu wenig neuen Raum für unternehmerische Freiheit und für Wettbewerb auf Märkten.“ So bewertet die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Pläne von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP im heute vorgestellten Entwurf des Koalitionsvertrags im Bund. - „Mehrausgaben auf Pump – das kann jeder. Das ist keine Staatskunst, sondern ein finanzpolitischer Fehlstart. Indem die Ampel kreditfinanzierte Sonderfonds einrichtet, staatlichen Institutionen mehr Verschuldung erlaubt und die Tilgung von Corona-Schulden verzögert, schafft sie intransparente Schattenhaushalte, umgeht die Schuldenbremse, verschiebt Lasten auf kommende Generationen und drückt sich um eine Priorisierung von Aufgaben und Ausgaben in der Gegenwart“, kritisierte VhU-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert in einer ersten Bewertung. Die VhU bedauert, dass die Ampel nur vage Absichtserklärungen zur Überprüfung der Ausgaben und insbesondere der Subventionen vornehme.
„Wir sind zwar erleichtert, dass keine neuen Steuern oder höheren Sätze bei den großen Steuern vorgesehen sind, aber enttäuscht, dass faktisch die Tür für niedrigere Unternehmenssteuern zugeschlagen wurde. Immerhin soll die Verlustverrechnung bis 2023 verlängert und auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeweitet werden. Und hinsichtlich der nötigen, aber leider nicht geplanten Soli-Abschaffung können wir jetzt nur noch auf das Bundesverfassungsgericht hoffen“, sagte Pollert.
Dass in der Rente der Beitragssatz 20 Prozent nicht übersteigen solle, sei zwar erfreulich, aber lediglich ein „frommer Wunsch“, um auf Dauer die umlagefinanzierte Rente demographiefest zu machen, da die Ampel Rentenkürzungen und eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ausschließe, kritisierte Pollert und stellte fest: „Auch das ist eine Lastverschiebung in die Zukunft, anstatt jetzt in der Gegenwart nötige große Reformen anzupacken.“ Er lobte aber, dass der Nachholfaktor wieder aktiviert werden solle. Der Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung könne ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Auf klare Ablehnung der VhU stößt die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. „Deutschland ist nach vielen Jahren überzogener Umverteilung und Reglementierung in der Wachstumsdynamik zurückgefallen. Die Ampel muss Deutschland als Investitions- und Innovationsstandort für private Unternehmen stärken“, sagte Pollert. Positiv wertet die VhU die geplante Abschaffung der EEG-Umlage bis Ende 2022 und die geplante Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren.
AHK zum Koalitionsvertrag: „Mehr Bürokratie – weniger Exzellenz“
„Von großem Wurf, Aufbruch und Zukunft im Bereich Wissenschaft, Studium und Forschung – keine Spur.“ So kommentierte heute in München der CSU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des zuständigen Arbeitskreises der CSU (AHK), Dr. Stephan Oetzinger den Koalitionsvertrag der Ampelkoalition. „Was im Ampelvertrag zum Thema Hochschul- und Forschungspolitik vermerkt ist, scheint mit heißer Nadel gestrickt. Es fehlt eine klare Forschungs- und Exzellenzorientierung unserer Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Kunsthochschulen sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen“, resümiert der Landesvorsitzende. „Die finanziellen Versprechen scheinen im ersten Moment großzügig, werden aber zu mehr Zentralismus und zu mehr Bürokratie führen. Vorausgesetzt die neue Bundesregierung bekommt das überhaupt gebacken.“ Als „eher vernachlässigt“ erscheinen Oetzinger der Bildungsföderalismus und die Hochschulautonomie. „Davon ist nichts zu lesen“, kritisierte er. „Als CSU müssen wir für unsere bayerischen Hochschulen einstehen, die auf vielen Feldern weltweit in der Forschung an der Spitze mitmischen. Die Exzellenz unserer Forschung ,Made in Bavaria‘ ist nicht verhandelbar.“ Große Sorgen bereitet Oetzinger darüber hinaus die Tatsache, dass „die Wissenschaftsfreiheit im Kapitel Internationales eher kleingedruckt abgehandelt wird. Ein klares Bekenntnis zur Wissenschaftsfreiheit an den deutschen Hochschulen hätte anders ausgesehen.“
Rasche Regierungsbildung bringt Planbarkeit
Zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen und der Vorlage des gemeinsamen Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP am Mittwoch erklärt Hans Peter Wollseifer: „Es ist gut und schafft Planbarkeit, dass die neuen Ampelkoalitionäre unseren Betrieben und dem Land insgesamt mit dem raschen Abschluss der Koalitionsverhandlungen eine Hängepartie und lange Wochen eines politischen Schwebezustands erspart haben. Mit dem vorgelegten Koalitionsvertrag bekommt die Ampel endlich konkrete Konturen und wird mit Substanz unterlegt. Das versetzt unsere Betriebe in die Lage, Investitionen sowie Beschäftigungs- und Ausbildungsplanungen vorzunehmen. Mehr denn je ist es in der jetzigen Phase wichtig, dass es eine handlungsfähige Regierung gibt und das Verantwortungsvakuum, das wir und unsere Betriebe in den vergangenen Wochen erlebt haben, hoffentlich ein Ende hat. Das ist schon deshalb erforderlich, weil die Coronapandemie keine Schonfrist gibt.
Mit der Vorlage des Koalitionsvertrages haben die Ampelkoalitionäre immerhin schon einen selbstgesteckten Anspruch erfüllt, nämlich zügig eine neue Regierung zu bilden. Ob ihre Vereinbarungen jedoch auch dem eigenen Gestaltungsanspruch und Erneuerungs- und Modernisierungsversprechen gerecht werden, kann erst die genaue Analyse zeigen. Unser erster Eindruck ist: Der Vertrag enthält große Ambitionen, etwa beim Klimaschutz, aber auch große Fragezeichen, etwa bei der dringend notwendigen Reform der Sozialen Sicherungssysteme, die zukunftsfest gemacht werden müssen
Dass sich in dem 177-seitigen Koalitionsvertrag keine Aussage zu einer Deckelung des Gesamtversicherungsbeitrages auf maximal 40 Prozent und auch kein erkennbarer Reformwille für grundsätzliche strukturelle Reformen zur Finanzierung der Sozialversicherungssysteme findet, ist schon jetzt für unsere lohn- und damit beitragsintensiven Handwerksbetriebe kein gutes Signal und lässt eine Zukunftsorientierung vermissen.
Erkennbar ist eine stärkere Fokussierung der Ampel-Koalition auf die berufliche Bildung. Das tut dringend Not. Es braucht mehr Wertschätzung für berufliche Bildung, die zwingend notwendig ist, weil sich Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende sowie Digitalisierung nur mit beruflich qualifizierten Fachkräften des Handwerks werden umsetzen lassen. Das Handwerk wird die weitere inhaltliche Debatte konstruktiv begleiten.“
quellen:
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