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ZDH-Präsident Wollseifer plädiert im "Handelsblatt" für die Einbeziehung des Handwerks als starkem Partner zur Umsetzung der Fortschritts- und Modernisierungsversprechen der neuen Regierung."Modernisierung und Fortschritt, den sich die Ampel auf die Fahnen geschrieben hat, dürfen keine leeren Worthülsen bleiben. Die Vorhaben müssen jetzt auch mutig und entschlossen angepackt werden. Und: Wer ambitionierte Pläne hat, braucht starke Partner, um seine Ziele zu erreichen", so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer in seinem Gastbeitrag im "Handelsblatt" am Tag der Kanzlerwahl von Olaf Scholz. "Ab sofort muss der neue Regierungschef den Fortschrittsanspruch der Ampel-Regierung durch richtige Entscheidungen mit Substanz füllen. Es sollte sich nicht wiederholen, was wir bei der Pandemiebewältigung in Deutschland als wiederkehrendes Muster erleben – notwendige Entscheidungen werden so lange hinausgezögert, bis sie nicht mehr ausreichen, viel zu späte Abstimmung von Bund und Ländern, ein Hin und Her beim Infektionsschutzgesetz, stotternde Impfkampagnen. Too little, too late, würde man dazu wohl im angelsächsischen Raum sagen. Kein Wunder, dass auch die Betriebe und Beschäftigten im deutschen Handwerk zunehmend verunsichert sind, weil ihre Planungen ständig durcheinandergeworfen werden. Zu Beginn der Pandemie war es noch nachvollziehbar, dass die Politik sich an Lösungen herantasten musste. Doch nach fast zwei Jahren, in der mittlerweile vierten Welle, sollten die Verantwortlichen nicht mehr im Nebel stochern. Je früher und vorausschauender Entscheidungen getroffen werden, desto geringer sind die Folgeschäden für Bevölkerung, Betriebe und Beschäftigte.

Großes Arbeitsprogramm für den neuen Bundeskanzler

Die aktuelle Corona-Lage ist symptomatisch für vieles, was in unserem Land nicht gut läuft – so gibt es etwa bei der digitalen Transformation und Verwaltungsmodernisierung erheblichen Nachholbedarf. Investitionen in Infrastruktur wurden vernachlässigt. Planungs- und Genehmigungsverfahren sind für viele Betriebe schon lange eine Geduldsprobe. Außerdem wurden die wirtschaftlich erfolgreichen Jahre nicht genutzt, um unsere sozialen Sicherungssysteme generationengerecht zu gestalten. Die Zeiten voller Kassen haben eine trügerische Sicherheit vermittelt, die uns jetzt auf die Füße zu fallen droht. Entweder zehrt Deutschland von seiner Substanz, oder unsere Betriebe und Beschäftigte müssen künftig deutlich höhere Lasten schultern. Beides kann keine Option sein.

Den neuen Bundeskanzler erwartet also ein gewaltiges Arbeitsprogramm. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zeigt, dass die Regierung viele Defizite und Herausforderungen richtig erkannt hat. Doch Modernisierung und Fortschritt, den sich die Ampel auf die Fahnen geschrieben hat, dürfen keine leeren Worthülsen bleiben. Die Vorhaben müssen jetzt auch mutig und entschlossen angepackt werden. Und: Wer ambitionierte Pläne hat, braucht starke Partner, um seine Ziele zu erreichen.

Fortschrittspakt von der Industrie bis zum Handwerk

Wir schlagen daher einen Fortschrittspakt vor, der die Wirtschaft einbezieht, von der Industrie bis zum Handwerk. Im Kern geht es um die Konkretisierung, wie die Modernisierung unseres Landes gelingen kann, was die Wirtschaft und gerade auch das Handwerk dafür leisten sollen und welche Unterstützung unsere Betriebe benötigen. Politische Pläne werden nur dann Realität, wenn sie gemeinsam mit denjenigen entwickelt werden, die sie in der Praxis umsetzen.

Im Koalitionsvertrag zeigt sich an vielen Stellen, wie sehr die neue Regierung gerade auf das Handwerk angewiesen ist. So will die Ampel etwa eine Holzbauinitiative ins Leben rufen. Der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur für Elektrofahrzeuge soll massiv beschleunigt werden. Bei gewerblichen Neubauten werden  Solardächer verpflichtend, bei privaten Neubauten sollen sie die Regel sein. Die Liste ließe sich fortsetzen. Doch nur mit Handwerkerinnen und Handwerkern kann es gelingen, dass die vielen Vorhaben nicht nur bedrucktes Papier bleiben.

Handwerk trägt zur Zukunftssicherung bei

Das Handwerk sieht die politische Zeitenwende als Chance zur Modernisierung – und als Aufruf, sich mit ganzer Kraft an der Erneuerung unseres Landes zu beteiligen. In den Fortschrittspakt mit der Politik können wir drei Dinge einbringen: Gut eine Million Betriebe, über 5,5 Millionen Beschäftigte und unsere Selbstverpflichtung, die Fachkräfte der Zukunft auszubilden. Diese Ausbildungsleistung ist wohl der wichtigste Beitrag, den das Handwerk zur Zukunftssicherung beitragen will.

Nur mit gut ausgebildeten, qualifizierten Fachkräften lassen sich Nachhaltigkeit, Energiewende, Klimaschutz und Digitalisierung umsetzen. Diese Leistung muss gesichert und gestärkt werden, wenn Deutschland dauerhaft erfolgreich bleiben will. Wir brauchen eine Offensive für die berufliche Bildung, die von der Politik energisch vorangetrieben wird, und eine spürbare Entlastung von Ausbildungsbetrieben.

Das Handwerk erkennt an, dass der Koalitionsvertrag viele Punkte enthält, mit denen die berufliche Bildung gestärkt werden kann, etwa durch eine Exzellenzinitiative, den Ausbau der Begabtenförderung und mehr Berufsorientierung. Diese Punkte sind sinnvoll, die Weichen dafür müssen gleich zu Beginn der Legislaturperiode gestellt werden. Die Politik sollte sich dabei nicht auf Nebenschauplätze begeben – es fehlt nicht am Ausbildungswillen der Betriebe, die händeringend Nachwuchs suchen, sondern schlichtweg an Bewerbungen.

Wertschätzung, Gleichwertigkeit und Attraktivität

Die neue Regierung muss in der kommenden Legislaturperiode die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung gesetzlich festschreiben. Für unsere Zukunft brauchen wir den Forscher, der Impfstoffe entwickelt, aber ganz sicher auch die Handwerkerin, die Ladesäulen installiert oder Bäder altersgerecht umbaut. Bei der Bewertung dieser Leistungen darf es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben. Nur wenn junge Menschen das Gefühl haben, dass ihre Biografien anerkannt und wertgeschätzt werden, kann berufliche Ausbildung attraktiv bleiben. Diesen Punkt sollten vor allem FDP und Grüne, die bei der Bundestagswahl im September überproportional stark von jungen Menschen gewählt wurden, als Verpflichtung ansehen.

Wertschätzung und Attraktivität drücken sich auch in einer fairen und auskömmlichen Entlohnung aus. Das Vorhaben der Koalition, die Tarifbindung im Handwerk weiter zu stärken, geht in die richtige Richtung. Das deckt sich mit dem, was sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch bei der jüngsten Novelle der Handwerksordnung selbst auferlegt haben.  Nur eines sollte die Politik nicht tun: Die Sozialpartnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch eine zunehmend politisierte Tariflandschaft auszuhöhlen. Diese Partnerschaft ist eine der größten Errungenschaften, die wir in Deutschland haben. Sie muss gestärkt werden, nicht geschwächt.

Nachschärfen bei der Sozialabgabenquote

Enttäuschend ist, dass der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP einen entscheidenden Punkt vollständig ausklammert: Kein Wort dazu, wie die Sozialabgabenquote dauerhaft bei maximal 40 Prozent gehalten werden soll. Dabei ist das zentral dafür, wie leistungs- und wettbewerbsfähig unsere personalintensiven Handwerksbetriebe bleiben. Wenn Scholz es ernst meint mit einem Aufbruch, muss er vor allem an diesem Punkt das Regierungshandeln nachschärfen. Dieses Thema kann nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.

Pandemiebedingt startet die Ampel ohne Schonfrist in ihre Arbeit. Steigende Energiepreise, Inflation, Probleme bei den Lieferketten – all das duldet keinen Aufschub. Umso wichtiger ist es, dass Politik und Wirtschaft schnell in einen konstruktiven Dialog eintreten. Das Handwerk steht dafür bereit."

Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH)
Mohrenstraße 20/21
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