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Reihe „Bildungspolitik in den Wahlprogrammen der Parteien in Hessen 2018“:  Bündnis 90/Die Grünen wollen Arbeitsbedingungen an Schulen verbessern und setzen Schwerpunkte bei Betreuung, Ganztagsschulen und attraktiver Besoldung. - Das 37. VhU-Bildungsforum am 18.06.2018 führt die langjährige Tradition fort, sich vor der Landtagswahl mit den bildungspolitischen Zielen der hessischen Parteien in ihren Wahlprogrammen auseinanderzusetzen. Nach der FDP im April 2018 stellte der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Fraktionsvorsitzende, MdL Mathias Wagner, die zentralen Bildungsziele seiner Partei für die nächste Legislaturperiode vor.

Im Vordergrund stehe die Bildungs- und Chancengerechtigkeit, die Bildungschancen unabhängig von dem sozialen Hintergrund der Eltern ermöglichen müsse. Als Fortführung bisheriger bildungspolitischer Ziele der GRÜNEN solle die Devise „ermöglichen statt verordnen“ zielführend bleiben. Der Status quo im Schulsystem sei noch nie so gut in der Ausstattung gewesen, allerdings auch bei noch nie so großen und zusätzlichen Aufgaben.

Fahrt aufnehmen wollen Bündnis 90/Die Grünen insbesondere bei der pädagogischen Freiheit, um selbstständige Schulen mit neuem Leben zu füllen. An den Orten mit den größten Herausforderungen sollten die besten Schulen etabliert werden. Dafür brauche es multiprofessionelle Teams und eine 110 % Lehrerversorgung. Der auf Bundesebene beschlossene Rechtsanspruch auf Betreuung der Grundschulkinder solle zügig umgesetzt werden, ebenso spiele der Ausbau rhythmisierter Ganztagsschulen eine wichtige Rolle.

Um die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte an Schulen zu verbessern, sollten diese von unnötigen Verwaltungsaufgaben entlastet und dafür zusätzliche Verwaltungsstellen geschaffen werden. Grundsätzlich seien jedoch bürokratische Vorgaben auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Die Grünen wollen auf eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit hinwirken. Das Grundschullehramt solle künftig durch eine bundesweite Verständigung auf eine Gehaltssteigerung aufgewertet werden. Lehrkräfte würden dann auch an Grundschulen mit der Gehaltsstufe A 13 einsteigen.

Obwohl der Schulbau eine kommunale Aufgabe bleibe, wollen Bündnis 90/Die Grünen ein weiteres kommunales Investitionsprogramm (KIP) auflegen. „KIP III“ solle insbesondere für sanitäre Anlagen an Schulen verwendet werden.

Bei einer erneuten Regierungsbeteiligung wollen die Grünen jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung ermöglichen. Zur Umsetzung dieser Pläne spielten die Berufsschulen eine wesentliche Rolle. Laut Wagner sollen dabei die Berufsfachschulen zum Übergang in Ausbildung (BÜA) wegweisend werden. Auch sollten verstärkt Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Begleitung junger Menschen in Ausbildung genutzt werden.

Schließlich müssten auch die Möglichkeiten der Digitalisierung gut abgewogen genutzt werden. Hier betonte Wagner, die Entwicklung sei nicht verschlafen worden. Aber ebenso wenig wolle man jedem neuen Trend bedingungslos hinterherlaufen. Es bedürfe solider und nachhaltiger Lösungen, um nicht gewartete Investitionsruinen zu vermeiden. Wagner schlug stattdessen vor, den Digitalpakt zwischen dem Bund und den Ländern um einen Digitalpakt zwischen dem Land und den Kommunen zu ergänzen.

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, MdL Armin Schwarz, stellte fest: „Wir haben in der Bildung alle Koalitionsvereinbarungen erfüllt. Mit mehr als 4.300 Lehrerstellen zusätzlich konnten wir die Lehrerversorgung weiter deutlich verbessern. So sind zum Beispiel die Inklusion, die Integration oder der Ausbau von Ganztagsschulen mit Augenmaß auf dem richtigen Weg, auch wenn in den nächsten Jahren noch viel zu tun ist. Die begabungsgerechte Vielfalt der Bildungswege muss erhalten bleiben und noch mehr Durchlässigkeit ermöglicht werden. Dabei ist für uns als CDU wichtig, gerade bei ganz jungen Schülerinnen und Schülern nicht nur die Wahlmöglichkeiten für Eltern zu erhalten und auszubauen, sondern an erster Stelle unserer Leitlinien das Kindeswohl zu sehen. In der nächsten Legislaturperiode wollen wir im Zeichen neuer pädagogischer Herausforderungen eine Weiterentwicklung der Lehrerausbildung angehen.“

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, MdL Christoph Degen, betonte viele Übereinstimmungen in der Politik zur Analyse der zentralen und auch neuen Herausforderungen, betonte aber auch unterschiedliche Bewertungen und Handlungsansätze: „Für meine Partei stehen nicht nur genügend Ressourcen für das Schulsystem, sondern auch neue Investitionen mit Schwerpunkten im Vordergrund. Insbesondere der bisherige Sozialindex muss weiter ausgebaut und vor allem viel mehr an der Schülerschaft der einzelnen Schule schulscharf ausgerichtet werden. Wir befürworten eine Aufwertung der Besoldung von Grundschullehrkräften, deren Arbeit immer aufwändiger und komplexer wird. Gleichzeitig muss das Tempo beim Ausbau von Ganztagsschulen deutlich mehr Fahrt aufnehmen und das Angebot für Schüler, Eltern und Lehrer attraktiver gemacht werden. Wir wollen durchgängig mehr Chancengleichheit und mit einer Ausbildungsgarantie auch sichere Übergänge von der Schule in eine Anschlussbildung“.

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, MdL Wolfgang Greilich, kritisierte bei den Regierungsfraktionen einen zu großen Blick zurück, während es doch um die Herausforderungen und unterschiedlichen Wege der Politik für die anstehende Legislaturperiode gehe: „Es sollte mehr darauf ankommen, was die Parteien jeweils anders machen wollen, als Herausforderungen abzugleichen und die Nähe bei den großen Linien in der Schulpolitik zu beschreiben. Uns geht es bei zentralen Zielen wie z. B. der Inklusion oder dem Ausbau der Ganztagsschule darum, hier nicht nur Ressourcen umzuverteilen, sondern Investitionen zwar behutsam, aber spürbar aufzustocken, nicht aber die Schulen mit der Umsetzung allein zu lassen. Eine von uns durchgeführte Anhörung im Landtag Anfang des Monats hat gezeigt, dass in Schulen und Lehrerverbänden die heutige Situation als besorgniserregend, wenn nicht sogar als katastrophal empfunden wird. Mehr Aufgaben, mehr Bürokratie durch den Abbau von Unterstützung in der Schulverwaltung und ein zu hoher Kontrolldruck insgesamt haben das Vertrauen in das Schulsystem und die eigene Arbeit von Schulleitungen und Lehrenden nachhaltig beschädigt.“

Aus Sicht der hessischen Wirtschaft beschrieb der VhU-Geschäftsführer für Bildungspolitik, Jörg E. Feuchthofen, Handlungsfelder zu bildungspolitischen Inhalten im Vorfeld des Wahlkampfs in Hessen: „Sorgen bereitet uns als Wirtschaft derzeit vor allem auf der Bundesebene die Diskussion um neue und zusätzliche Bildungsgremien, von einem Bildungsrat über einen Digitalpakt bis hin zu einer Weiterbildungsallianz. Hier stehen wieder einmal Strukturen, Stimmanteile und Finanzströme in der föderalen Abstimmung unseres Bildungssystems im Vordergrund, statt mehr gemeinsame Linien inhaltlich zu befeuern. Die Praxis in den Schulen hat aus unserer Sicht andere Sorgen, von der Nachwuchsgewinnung bei den Berufsschulen wie auch Grundschulen bis hin zu einem überzeugenden Gesamtkonzept zur Digitalisierung unserer Schulen. Auch die Reform der Lehrerausbildung ist seit Jahren als Großbaustelle im Bildungssystem bekannt und sollte konsequent angegangen werden.“

Hintergrund
Die Marke VhU-Bildungsforum greift seit 2004 aktuelle Themenstellungen in der hessischen Schulpolitik auf und bietet leitenden Vertretern des Schulsystems eine Plattform, mit in der Regel nur einem renommierten Gastreferenten zu diskutieren. Die schulpolitischen Sprecher der Fraktionen im Hessischen Landtag greifen Vortrag und Diskussion auf und ziehen jeweils ein eigenes Fazit. Die breite Spannweite der VhU-Forenthemen reicht von der Vorstellung erfolgreicher Schulsysteme im Ausland über die Diskussion neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bis hin zu den bildungsbezogenen Wahlprogrammen der Parteien und zentralen Veränderungen aufgrund des Regierungshandelns im hessischen Schulwesen.

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. (VhU)