Wildbienen geraten vor allem in Siedlungsräumen auf der Suche nach Nistmöglichkeiten und Nahrungspflanzen auch in die Gärten, auf Balkone und Terrassen. Dabei ist es wichtig, den Wildbienen und anderen Insekten diverse Nist- und Nahrungshabitate zur Verfügung zu stellen, da sie in bebauten Gebieten kaum noch natürliche Habitate finden können. Viele Menschen sind im Umgang mit diesen Insekten unsicher und haben große Ängste vor einem Stich. In diesem Beitrag sollen einige Fragen rund um Wildbienen erläutert und bestimmte Verhaltensweisen für das Zusammenleben mit den Wildbienen empfohlen werden.
Das Wichtigste zuerst – Wildbienenschutz und Nutzen der Tiere
Nicht jeder weiß, dass alle Wildbienenarten Deutschlands, zu denen auch alle Hummelarten zählen, unter besonderem Artenschutz gestellt sind. Das bedeutet, man darf weder die Tiere belästigen oder töten noch ihre Brut-, Ruhe- und Fortpflanzungsstätten zerstören (§ 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BNatSchG). Das Fangen, Verletzen, Töten von Wildbienen sowie für die Beschädigung oder Zerstörung der Fortpflanzung- oder Ruhestätten wird in Deutschland mit einen Bußgeld von bis zu 50.000 € geahndet (Quelle: § 69 BNatSchG).
Aber es besteht ohnehin kein Grund zur Panik, wenn sich mal eine Biene auf den Balkon, die Terrasse oder im Garten umschaut. Ganz im Gegenteil! Die Wildbienen sind die fleißigsten und effektivsten Bestäuber die wir haben. Allein in Europa wird der monetäre Wert der Bestäubung durch Insekten auf über 14 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, zu dem Wildbienen einen beachtlichen Beitrag leisten. Damit sind Wildbienen ein wichtiger Bestandteil der Landwirtschaft, die ohne die Hilfe von Insekten große Schwierigkeiten bei der Produktion von Naturgütern hätte. Sie bestäuben neben unseren Gartenblumen auch zirka 80 Prozent der Nutzpflanzen und Wildkräuter. Ohne Wildbienen hätten wir kein Obst und Gemüse, in den Regalen unserer Supermärkte wären weit weniger Lebensmittel zu finden, als heute. Eine bekannte Supermarktkette hat zusammen mit dem NABU in einer Filiale den Versuch gewagt, ihren Kunden und Kundinnen deutlich zu machen, welchen Beitrag Wildbienen und Insekten für uns täglich leisten. Sie haben alles aus den Regalen verbannt, was auf irgendeine Weise auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen ist. Das Ergebnis war erschreckend! Von den 2500 Artikeln, die in dieser Filiale angeboten wurden, waren etwa 60 Prozent direkt oder indirekt auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen und damit aus den Regalen verschwunden (Quelle: https://www.nabu.de/news/2018/05/24422.html).
Das Gemüt der Wildbiene
Trotz ihres wehrhaften Stachels sind Wildbienen im Allgemeinen sehr friedliche Tiere und eher stechfaul als angriffslustig. Wildbienen stechen nie ohne Grund, sondern nur wenn sie sich akut bedroht fühlen. Bei staatenbildenden Wildbienenarten, wie Hummeln und einigen Furchen- und Schmalbienenarten, kann es in Nestnähe zu gelegentlichen Angriffen gegen Störenfriede kommen. Dieses Verhalten ist typisch für staatenbildende Insekten und dient der Verteidigung des Volkes. Entfernt vom Nest sind aber auch diese Arten eher friedlich. Die meisten Wildbienenleben als Einzelgänger und finden häufig nur während der Paarungszeit zueinander. Daher haben diese keinen Bienenstock, den sie verteidigen müssen und sind sehr angenehme und ruhige Nachbarn. Beim Umgang mit diesen Tieren sollten vor allem Ruhe und Geduld walten. Hektische und abrupte Bewegungen machen nicht nur Familie und Angehörige nervös, sondern erhöhen auch das Risiko eines Stiches.
Nisten was das Zeug hält!
Solitäre, also einzelgängerische Wildbienen leben nur einige Wochen bis wenige Monate im Jahr als vollentwickelte Fluginsekten, danach sterben sie. Die ersten Wildbienenarten schlüpfen im Frühjahr ab Februar/März, je nach Region, und die letzten kommen im August dazu. Die Männchen schlüpfen in der Regel zuerst und warten auf die Weibchen, um diese meist sofort nach deren Schlupf zu begatten. Die Männchen leben nur wenige Wochen, manchmal sogar nur einige Tage, und sterben recht bald nach der Fortpflanzung – ihr Soll ist damit erfüllt. Die Weibchen sind nach dieser Zeit mit dem Bauen von Niströhren und Brutzellen hochbeschäftigt. Die Brutzellen, in denen die Weibchen ihre Eier ablegen, werden mit allem Nötigen ausgestattet, was die Larven nach dem Schlupf aus dem Ei zum Gedeihen benötigen.
Nicht selten kommt es vor allem in Städten vor, dass sich Wildbienen auch in Gärten oder auf Balkonen und Terrassen nach Strukturen umsehen, in die sie ihre Eier legen können. Gerade dann heißt es Ruhe bewahren und die kleinen Bauarbeiter machen lassen. In der heutigen Zeit der starken Urbanisierung fehlt es den Tieren zunehmend an natürlichen Nistmöglichkeiten und sie steigen auf menschengemachte, vorhandene Angebote um. Dabei gibt es unter den Wildbienenarten große Unterschiede bei der Nistplatzwahl: 75 % der Arten graben ihre Nester unterirdisch in sandigen und/oder lehmigen Boden. Die Brutröhren können dabei bis zu eineinhalb Meter tief ins Erdreich reichen, von denen mehrere Brutzellen zur Seite abgehen. Von außen betrachtet ähneln die Nisteingänge manchmal den Eingängen von Ameisenbauten: Kleine Löcher und Hügel im Boden.
Einige der bodenbrütenden Bienenarten bevorzugen allerdings das Graben in Steilhängen und Abbruchkanten, was vor allem in witterungsreichen Gegenden von Vorteil sein kann. Durch Häuser- und Straßenbau ist der Boden aber vor allem in Städten zu stark versiegelt und die Bienen müssen auf andere Strukturen ausweichen oder werden schlichtweg aus den Städten verdrängt. Die restlichen 25 % der Wildbienenarten nisten in oberirdisch vorkommenden Hohlräumen, wie in alten Pflanzenstängeln, Totholz oder Schneckenhäusern. Kommen nicht genügend natürliche Nistmöglichkeiten vor, weichen die Bienen auch gerne auf vorhandene Strukturen wie Löcher in Häuserfassanden, in Gartenmöbeln oder in Rollladenkästen und Fensterfugen aus.
Bauunterbrechung – jetzt hab ich Hunger!
Während des Baus der vielen Brutzellen müssen sich die adulten Wildbienen natürlich auch zwischendurch mal stärken. Wildbienen ernähren sich von Nektar und Pflanzensäften. Für die Larven wird der energiereiche Pollen der Blüten als Proviant mit in die Brutzellen gelegt. Etwa 30 % der Wildbienenarten haben sich bei der Nahrungs- und Proviantwahl auf bestimmte, meist wenige Pflanzenfamilien bzw. -gattungen spezialisiert (Oligolektie). Die sich immer weiter ausbreitenden Monokulturen der Landwirtschaft mit artenarmen Ackerrandstreifen bieten allerdings kein ausgeglichenes Nahrungsspektrum und blühen nur für einen kurzen Zeitraum einmal im Jahr. Bei ca. 580 Wildbienenarten in Deutschland (http://www.wildbienen-kataster.de/; → Datenbank → Download Liste) schlüpfen nicht alle Arten zur gleichen Zeit. Alle Arten benötigen über das gesamte Jahr ein artenreiches und gesichertes Nahrungsangebot. Durch Bepflanzung der Ackersäume, Verkehrsinseln und Ausgleichsflächen in Städten mit regionalen Saatgutmischungen kann den Wildbienen und anderen blütenbesuchenden Insekten ein vernünftiges Nahrungsangebot bereitgestellt werden.
Was kann ich tun?
– Nahrungsvielfalt schaffen
Wer sich für den Wildbienen- und Insektenschutz einsetzen möchte, hat viele Möglichkeiten: Mit wenig Aufwand kann das Nahrungsangebot für blütenbesuchende Insekten auch im heimischen Garten oder auf dem Balkon gesteigert werden. Regionale und über die gesamte Vegetationsperiode blühende Saatgutmischungen sind mittlerweile überall zu erhalten und bereichern die Nahrungsvielfalt für Wildbienen und andere Insekten. Dabei ist darauf zu achten, dass exotische Baumarktpflanzen und Pflanzen mit gefüllten Blüten nicht das Angebot dominieren, da die Wildbienen diese nicht nutzen können. Am besten sollten nur gebietsheimische Wild- und Kulturpflanzen gesät werden. Auf Insektizide, Herbizide und Pestizide jeglicher Art sollte unbedingt in der heimischen Grünanlage verzichtet werden, nicht nur zum Schutz der Tiere.
– Nistmöglichkeiten für hohlraumbrütende Wildbienenarten
Neben der Sicherung der Nahrungsvielfalt, ist das Bereitstellen von Nistmöglichkeiten und Überwinterungsquartieren genauso wichtig. Für die in Hohlräumen nistenden Wildbienen ist die Hilfe einfach. Wenn das natürliche Angebot solcher Strukturen zu knapp wird, kann den Wildbienen und anderen Insekten künstlich angelegte Nistmöglichkeiten angeboten werden. Dabei sollte auf die Wahl der Materialien geachtet werden. Viele der herkömmlichen, im Baumärkten und Co. erhältlichen „Insektenhotels“ weisen Mängel auf, die beim Selbstbauen zuhause vermieden werden können. Häufig werden Materialien verwendet, die für Insekten ungeeignet sind.
Löchrige Ziegelsteine mit sehr großen Innendurchmessern zum Beispiel können von Insekten nicht genutzt werden, da sie die Löcher nicht füllen können. Eine der einfachsten und schnellsten Möglichkeiten, ein Nistangebot zu bauen, ist, Bambus- oder Schilfrohre in eine alte Konservendose möglichst eng zu packen, am Dosenboden festzukleben und waagerecht in südliche oder süd-östliche Richtung anzubringen. Die verschieden breiten Stängel bieten einer Vielzahl verschiedener Wildbienenarten eine geeignete Brutstätte. Aus alten Baumscheiben oder Holzklötzen, die beim Heimwerken übrig geblieben sind, lassen sich ebenfalls einfach kleine Nistgelegenheiten basteln. Es müssen lediglich verschieden große Löcher eingebohrt werden, am besten mit einem Innendurchmesser zwischen drei und sechs Millimetern. Nach dem Bohren müssen die Löcher noch einmal mit feinem Schleifpapier glatt geschliffen werden, damit sich die Insekten nicht an den scharfen Holzsplittern die Flügel aufreißen.
Beim Bau solcher Nistmöglichkeiten ist darauf zu achten, dass Harthölzer wie Eiche und Buche verwendet werden und keine Nadelhölzer, die durch den Harz die Flügel der Insekten verkleben können. Außerdem dürfen sie nicht mit Holzschutzmitteln behandelt sein, um die Tiere nicht zu vergiften. Beim Bohren ist es wichtig, nicht in die Stirnseite der Hölzer, sondern in die Längsseite (an der Seite der Rinde) zu bohren. Die Stirnseite reißt beim Trocknungsprozess mit der Zeit und kann die Brutröhren zerstören. Wenn Holzstämme oder -scheiben verwendet werden, muss die Rinde entfernt werden, da auch diese mit der Zeit reißt und die Brutröhren zerstört (Mehr Infos unter: http://wildbienen.de/wbschutz.htm).
– Nistmöglichkeiten für bodenbrütende Wildbienenarten
Für bodenbrütende Wildbienenarten sollten unbearbeitete, offene Bodenstellen und Bereiche mit sandigem oder lehmigem Boden bereitgestellt werden. Kleine Hügel aus einem Sand-Lehm-Gemisch in sonnenexponierter Lage mit Abbruchkanten, aber auch mit flachen Flächen können in ruhigen, eher ungenutzten Bereichen der Gärten angelegt werden. Diese Flächen und Hügel sollten ab und an von wildem Bewuchs befreit werden. Auch sollte gewährleistet sein, dass die Hügel nicht beim ersten Starkregen davongespült werden. Eine Umrandung mit Steinen kann das Problem eindämmen. In Beeten sollte, bevor mit der Harke umgegraben wird, auf die charakteristischen Nisteingänge geachtet werden, um die Niströhren möglichst nicht zu zerstören.
Für steilwandnistende Wildbienenarten kann mit Lehm und Sand eine geeignete Nisthilfe geschaffen werden. Einfach das Lehm/Sand-Gemisch in eine Kiste drücken und trocknen lassen. Das richtige Lehm-zu-Sand-Verhältnis muss durch ausprobieren getestet werden, da verschiedene Lehm- und Sandarten auch verschiedene Härtegrade erreichen können. Damit das Gemisch abrutscht, darf die Wand nicht zu locker sein – aber auch nicht zu trocken und hart. Wenn der Lehm noch mit dem Fingernagel gut abzukratzen ist, können auch die Bienen gut Röhren graben. Um den Bienen ihre Arbeit zu erleichtern, können mit einem Stock mehrere Löcher in den noch weichen Lehm vorgebohrt werden. Über die Lehmwand und die anderen Nistgelegenheiten sollten kleine Dächer aus Dachpappe oder Holzbrettern genagelt bzw. geschraubt werden, damit die Larven vor Regen geschützt sind.
– Winterquartiere bereitstellen
Zusätzlich sollte Totholz im Garten liegen gelassen werden. Dieses wird nicht nur als Nistmöglichkeit von diversen Insekten genutzt, sondern ist auch als Überwinterungsquartier von immens hoher Bedeutung. Die meisten Wildbienenarten überwintern als bereits entwickelte Insekten in der Bruthöhle und schlüpfen dann im Frühjahr aus der Brutzelle aus. Viele andere Wildbienen- und Insektenarten nutzen verblühte Pflanzenreste, Laub und Totholz als Unterschlupf für die Winterruhe. Daher ist es wichtig, in Gärten, Parks, aber auch auf dem Balkon den Insekten solche Winterquartiere bereitzustellen und bis in den fortgeschrittenen Frühling liegen zu lassen.
Mit vielen einfachen Tricks kann die Wildbienenvielfalt so deutschlandweit geschützt und wieder gestärkt werden. Das Verbundprojekt BienABest setzt sich durch die Erstellung standardisierter Biodiversitätsmaßnahmen für den Schutz von Wildbienen ein. Mit dem Ziel, die Ökosystemleistung „Bestäubung durch Wildbienen“ langfristig und bundesweit zu sichern, werden im Namen des Projektes neue Nist- und Nahrungshabitate in der Agrarlandschaft etabliert und die Entwicklung der lokalen Wildbienenpopulationen wissenschaftlich dokumentiert.
Das Projekt BienABest wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. Weiterhin wird das Projekt vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, BASF SE und dem Bee Care Center der Bayer AG finanziell unterstützt.
titelforo: Bild: Sabine Leisten
VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.
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Autorin: Jana Beckert, studentische Hilfskraft im Bereich Innovationsbegleitung und Innovationsberatung in der VDI Technologiezentrum GmbH