Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, dass Fahrverbote unter bestimmten Bedingungen zulässig sind, erklärt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH): „Fahrverbote sind der falsche Weg. Wir lehnen sie weiter entschieden ab und appellieren an die Kommunen und Städte, alles zu tun, um sie zu vermeiden. Das aktuelle Urteil, Fahrverbote grundsätzlich zu ermöglichen, ist keinesfalls ein Freifahrtschein, um in ganz Deutschland Dieselfahrzeuge aus den Städten auszuschließen. Fahrverbote sind nicht alternativlos! Es gibt zahlreiche Maßnahmen und Lösungswege, mit denen sich Schadstoffe spürbar reduzieren lassen.
Diese Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Mit intensiven Anstrengungen aller Beteiligten ist es in den meisten Städten möglich, die Grenzwerte in absehbarer Zeit zu unterschreiten. Das Handwerk wird sich an diesen Anstrengungen weiter aktiv beteiligen.
Es ist aus unserer Sicht richtig, dass das Bundesverwaltungsgericht anmahnt, die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Fahrverboten zu prüfen. Fahrverbote sind massive Eingriffe in Eigentumsrechte, in die Mobilität und in die Freiheit beruflicher Betätigung. Es ist nicht einzusehen, dass unsere Handwerksbetriebe über enteignungsgleiche Fahrverbote für die Fehler von Herstellern und Politik haftbar gemacht werden. Verursacher des Dieselproblems sind die Autohersteller, nicht wir Handwerker. Wir sehen deshalb in erster Linie die Autohersteller in der Pflicht, über Softwareupdates hinausgehend endlich auch technische Nachrüstungen vorzunehmen und als Verursacher der Misere dafür die Kosten zu tragen. Es kann nicht sein, dass Handwerker und Verbraucher die Zeche zahlen. Die Politik muss für diese Nachrüstungen den entsprechenden gesetzlichen Rahmen schaffen.
Außerdem müssen sich Politik, Städte und Kommunen sofort daran machen, alle zur Verfügung stehenden Optionen zur Schadstoffreduzierung noch intensiver umzusetzen, um Fahrverbote überflüssig zu machen. Die Fördermittel stehen bereit! Der ÖPNV muss ausgebaut und Dieselbusse nachgerüstet werden.
Es muss in Verkehrsleitsysteme für einen stauvermeidenden Verkehrsfluss investiert werden. Zudem muss eine Infrastruktur für E-Mobilität, aber auch für andere innovative Antriebssysteme geschaffen werden. Die Industrie hat die Aufgabe, schadstoffarme, leistungsfähige und für das Handwerk geeignete Transporter auf den Markt zu bringen. In diesem Segment gibt und gab es fast nur Diesel. Es ist mehr als enttäuschend, dass die Autohersteller auch zu Beginn des Jahres 2018 kaum für das Handwerk geeignete Fahrzeuge mit der neuesten Norm Euro 6d und sehr niedrigen NO2-Werten anbieten. Das Handwerk ist auf leistungsstarke Fahrzeuge angewiesen, aber es kann nur die Fahrzeuge kaufen, die auf dem Markt sind.
Von Fahrverboten betroffen wären neuwertige Euro 5 Fahrzeuge von 2015 oder 2016 mit teils besseren Abgaswerten als aktuelle Euro 6 Fahrzeuge. Das kann uns keiner als Verbot von alten Dieselstinkern verkaufen! Wir werden hier weiter auf unserem Recht des Vertrauens- und Eigentumsschutzes beharren.
Wir sind offen für neue Verkehrskonzepte in den Städten. Fahrverbote jedoch sind für unsere Handwerksbetriebe existenzbedrohend. Denn die Fuhrparks unserer Betriebe bestehen zu 80 bis 90 Prozent aus Dieselfahrzeugen, und Mobilität gehört zum Geschäftsmodell von Handwerkern. Heizkessel, Fensterglasscheiben oder sperrige Rohre lassen sich nicht auf dem Fahrrad oder in der U-Bahn zum Kunden transportieren.
Werden Dieselfahrzeuge aus der City verbannt, kann es zu großen Verwerfungen bei der Nahversorgung kommen. Wenn Gerichte auf Basis des aktuellen Urteils einzelnen Städten mit sehr hohen Überschreitungswerten keine Wahl lassen, müssen Fahrverbote eingegrenzt werden. Es muss für die notwendigen Dienste des Handwerks für Verbraucher und Städte umfassende Ausnahmeregelungen geben. Bisher vorliegende Urteile von Verwaltungsgerichten ermöglichen es, so vorzugehen. Völlig inakzeptabel ist ein Dieselverbot ohne Übergangsfristen, in denen sich unsere Betriebe auf Fahrverbote einstellen und ihre Fahrzeugflotte umrüsten können.
Es gibt auch nach dem Urteil keinen Grund, jetzt eine bundesweite „blaue Plakette“ zu verlangen. Das könnte dazu führen, dass schnell das vermeintlich einfache Mittel Fahrverbot auch in den Städten angewendet wird, die mit anderen Maßnahmen die Grenzwerte unterschreiten könnten. Eine blaue Plakette ist keine Alternative zu Fahrverboten, sondern käme fast einem Komplettverbot gleich, weil nur ein minimaler Anteil der heutigen Dieselfahrzeuge Euro-6-Standard hat und dieser bei den Nutzfahrzeugen im Handwerk sogar unter 10 Prozent liegt. Ausnahmeerteilungen erfolgen ohnehin unabhängig von Plakettenlösungen.
Das Handwerk tritt für eine Luftreinhaltepolitik ein, die alle Schadstoffemittenten in den Blick nimmt und nicht einzelne Emittenten wie etwa die Dieselfahrzeuge einseitig verteufelt und benachteiligt. Wir setzen uns für eine Luftreinhaltepolitik mit Augenmaß ein, die an allen Emissionsquellen ansetzt und moderne Techniken voranbringt. Und das Handwerk engagiert sich hierfür vor Ort!
Zentralverband des Deutschen Handwerks
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