Landesregierung vor der Entscheidung: IHK Südthüringen warnt vor Insolvenzwelle -In den letzten Tagen häufen sich Medienberichte, die ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zeichnen. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen warnt die Politik davor, diese zu ignorieren und fordert die unverzügliche Ausweitung von Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen für Unternehmen. In Deutschland sind inzwischen 55 Prozent der Unternehmen bedingt durch die Corona-Krise in Kurzarbeit, wie aus einer kürzlich veröffentlichen Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervorgeht. Nach Informationen der IHK Südthüringen haben ungefähr 5 000 Unternehmen in Südthüringen Kurzarbeit angezeigt. Sind je Unternehmen im Durchschnitt 20 Beschäftigte von den Anzeigen betroffen, dann befinden sich bereits 100 000 Südthüringer Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Südthüringen beträgt 139.923 (Stichtag 30. Juni 2019). Damit wären 71 Prozent der Südthüringer Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen.
Nach einer heute veröffentlichten ifo-Umfrage, sehen viele Unternehmen ihre Existenz aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen bedroht. Demnach sagen 29 Prozent der rund 9 000 befragten Unternehmen, sie könnten drei Monate oder kürzer überleben. Sechs Monate oder kürzer könnten 53 Prozent durchhalten. In der deutschen Industrie hat jede vierte Firma Kraft für ein Vierteljahr. Nach einem halben Jahr müsste fast jedes zweite Industrieunternehmen aufgeben. Parallel dazu informierte das ifo Institut jüngst darüber, dass das Geschäftsklima aktuell einen historischen Tiefstand erreicht habe und eine „katastrophale Stimmung“ herrsche.
„Angesichts dieser Tatsachen ist nicht auszudenken, was uns noch bevorsteht. Da die Insolvenzanzeigepflicht bis September ausgesetzt ist, wird im Herbst eine große Insolvenzwelle auf uns zu rollen. Dann droht Arbeitslosigkeit von bislang nicht gekanntem Umfang auch in unserer Region“, befürchtet Dr. Ralf Pieterwas, Hauptgeschäftsführer der IHK Südthüringen.
Die IHK Südthüringen fordert den Freistaat Thüringen daher auf, jetzt zu überlegen, wie viel Geld er für die Unternehmen ausgeben kann. Die angekündigten Mittel in Höhe von 300 Mio. Euro sind aus heutiger Sicht der IHK Südthüringen deutlich zu wenig. Um die Wirtschaftsstruktur zu erhalten, sollten 10 Prozent eines Landeshaushalts gemessen an der Bedeutung machbar sein. „Die Thüringer Politik sollte sich bewusstwerden, dass neben dem Gastgewerbe und den Dienstleistern inzwischen ein Drittel der Thüringer Industrieunternehmen akut existenzgefährdet ist. Wenn der Freistaat jetzt nicht mehr für die Unternehmen tut, wird die Landespolitik am Ende einen großen Haufen Scherben zusammenkehren. Nicht zuletzt sind dann ungekannte Auswirkungen auf die Beschäftigung und enorme Steuerverluste in den kommenden Jahren vorprogrammiert“, so Dr. Pieterwas.
Die zweite Stufe der Corona-Hilfen sollte allerdings zielgerichteter aufgesetzt werden. Vorschläge dazu haben die Thüringer IHKs bereits eingebracht. Danach sind gerade für Industriebetriebe mit 51 bis 100 Mitarbeitern nichtrückzahlbare Zuschüsse in Höhe von bis zu 60.000 Euro sinnvoll. Für Betriebe mit 101 bis 250 Mitarbeitern sollte es ein die Eigenkapitalbasis stärkendes Nachrangdarlehen bis zu 600 000 Euro geben. Für Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten sollte zügig eine zweite Tranche der bewährten Thüringer Soforthilfe aufgelegt werden, die diesmal durchaus an Erfolgskriterien geknüpft werden könnte.
Abgesehen von den finanziellen Hilfen benötigt die Industrie eine europaweit abgestimmte Strategie der Lockerungen. Aufgrund der internationalen Verflechtungen von Lieferketten und Kundenbeziehungen ist die Industrie dringend auf die Öffnung von Grenzen angewiesen.
„Zunächst darf Thüringen mit Blick auf die anstehende Ministerpräsidentenkonferenz keinesfalls bei der Öffnung von Kindergärten und Geschäften der Dienstleister, der Freizeitwirtschaft und des Gastgewerbes hinter den anderen Bundesländern hinterherhinken. Der Paradigmenwechsel zur branchenunabhängigen Öffnung von Geschäften bei Einhaltung entsprechender Hygienestandards muss jetzt kommen. Dazu sollten sich die Ministerpräsidenten unbedingt verständigen“, so Dr. Pieterwas.
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