Auf der Suche nach dem Abenteuer - Unterwegs in Handwerkskluft mit Hut und Stenz (Wanderstock) und der „Charlottenburger“ (Bündel) geht es Richtung Zugspitze. Vorab wollen die drei Wanderer sich in Wilhelmshaven mit neuer Arbeitskleidung eindecken. Von Links: Die Zimmerer Jan Kienzle (26) aus Eutin, Max Pahnke (27) aus Lübeck sowie Neuling Tischler Jonas Schrader (26) aus Eutin. - Während des Corona-Stillstands wurde die Reisefreiheit der Wandergesellen ausgebremst. Von Ostfriesland geht es jetzt weiter Richtung Gebirge. Ein neuer Aspirant ist mit auf dem Weg.- Die Freiheit genießen und die Welt sehen, das sind einige der Gründe, warum die drei Gesellen sich auf die Wanderschaft gemacht haben. Während einer kurzen Stippvisite in der Handwerkskammer für Ostfriesland berichteten die Zimmerer Jan Kienzle (26) aus Eutin, Max Pahnke (27) aus Lübeck sowie Tischler Jonas Schrader (26) aus Eutin von ihren Erlebnissen. Durch das Reiseverbot waren die Schleswig-Holsteiner an der Küste „festgesetzt“. „Auch wir müssen uns an die staatlichen Vorgaben halten“, erklärt Jan Kienzle, der sich nach dem Gebot der Bruderschaft immer „ehrbar und rechtschaffend“ verhält, damit auch der nächste Wandergeselle gern gesehen wird.
Ausgestattet mit Maske und in zünftiger Kluft holten sich die drei jungen Männer ohne festen Wohnsitz ihren Stempel und die Unterschrift für ihr Wanderbuch ab, welches die Arbeitszeugnisse auflistet und die Reisestationen dokumentiert. Sie gehören dem „Rolandschacht“, einer Vereinigung von Bauhandwerksgesellen, die auf traditioneller Wanderschaft sind oder waren, an. Erkennbar sind sie an einem krawattenähnlichen Tuch, der sogenannten blauen Ehrbarkeit.
Im Wanderbuch sind die Arbeitszeugnisse aufgelistet und die Reisestationen vermerkt.
Jan Kienzle und Max Pahnke verbrachten die letzten Wochen in Ostfriesland. Gerade als sie ihre Projekte fertiggestellt hatten, bekamen die Rolandsbrüder die Order, in der Region zu verweilen. Zeitgleich hatte Tischler Jonas Schrader (26) an der Ostsee Schwierigkeiten, Kontakt zu anderen Wandergesellen aufzunehmen, um mit seinem Abenteuer zu starten. „Alle Treffpunkte waren ja geschlossen“, erzählt er. So bat er seine ehemaligen Schulfreunde darum, ihn anzulernen. Dank einer Ausnahmegenehmigung durften Jan Kienzle und Max Pahnke ihren Freund aus Eckernförde abholen. Mit dem Paddelboot und zu Fuß ging es zurück Richtung Nordsee. Der Tischler ist nun seit drei Wochen dabei und begeistert. Richtig aufgenommen wird er, nach seiner Aspirationszeit, die drei bis zwölf Wochen dauern kann. In dieser Einführungsphase zeigen ihm seine Weggefährten, „was er alles wissen muss“, erzählen sie. Also wie man sich Arbeit sucht, einen Schlafplatz findet, ohne moderne Kommunikationsmedien lebt und trotzdem mit den anderen Kontakt hält. Ein Treffpunkt in der Region ist beispielsweise die Bahnhofsgaststätte in Augustfehn.
Gereist wird drei Jahre und einen Tag, dabei dürfen sie den Bannkreis von 60 Kilometern um ihren Heimatort nicht betreten. Hat sich der fremde Rolandsbruder während dieser Zeit ehrbar verhalten, kann er sich einheimisch melden. Während der Wanderschaft haben die Gesellen keinen festen Wohnsitz. Jan Kienzle und Max Pahnke sind bereits zwei Jahre auf „Tippelei“. „Man sagt: Anfangs ist es schwer, die Heimat zu verlassen und am Ende ist es schwer, wieder zurückzukehren“, erzählen sie. Die zwei Freunde waren schon in ganz Deutschland, in der Schweiz, in Island, Norwegen, Spanien und Portugal auf Wanderschaft. Einen nachhaltigen Eindruck hat Norwegen bei Max Pahnke hinterlassen. „Die Landschaft mit den Fjorden, den Wasserfällen, den Bergen und Wäldern, das war sehr beeindruckend“, berichtet er. Sie haben sich auf die Reise begeben, „um das Freiheitsgefühl zu genießen, um neue Wege zu gehen, neue Menschen kennenzulernen und den Beruf in seiner Vielfältigkeit zu erleben“, erzählen sie. Besonders ein Projekt im Hafen von Reykjavik ist ihnen in Erinnerung geblieben. In der Hauptstadt von Island verbrachten sie zwei Monate um einen Eisbrecher zum Expeditionsschiff umzubauen.
In Ostfriesland verrichteten sie Dachdeckerarbeiten. Seit kurzem haben sie wieder grünes Licht bekommen, innerhalb Deutschlands zu reisen. „Es juckt in den Fingern, wieder loszuziehen“, sagt Jan Kienzle. Er und Max Pahnke wollen unbedingt die Berge sehen. Jetzt müssen sich die drei Freunde auf dem Weg zum nächsten Etappenziel nur noch einigen, ob das Elbsandsteingebirge oder doch Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze, angepeilt wird.
Fotos: HWK/W.Feldmann
Handwerkskammer für Ostfriesland
Straße des Handwerks 2
26603 Aurich
Donnerstag, 9. Juli 2020