9. April 2021 - Die hessische Wirtschaft lehnt den Kabinettsentwurf zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 31.03.2021 entschieden ab. Aus Sicht der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) ist der Entwurf weit von dem entfernt, was man unter einer notwendigen Modernisierung versteht und belastet die Unternehmen durch Überregulierung, ohne das von der Politik verfolgte Ziel, der Stärkung von Betriebsräten, erreichen zu können. Es braucht weder eine erzwingbare Mitbestimmung bei mobiler Arbeit noch eine automatische Hinzuziehung von externen Sachverständigen durch Betriebsräte beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz noch einen erweiterten Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl. Vor allem kritisiert die hessische Wirtschaft die erzwingbare Mitbestimmung bei der mobilen Arbeit und lehnt ein Initiativrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von Arbeit im Homeoffice ab, da die mobile Arbeit letztlich eine freiwillige Vereinbarung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern voraussetzt. Dirk Pollert: „Das Mitbestimmungsrecht greift ansonsten in empfindlicher Weise in Weisungsrecht, Vertragsfreiheit und unternehmerische Freiheit ein und missachtet tarifliche Vereinbarungen.“
Weiter bemängelt die VhU die Regelungen zum Einsatz der Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz. Werden Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe unter Einsatz von KI geplant, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat schon heute darüber unterrichten und die vorgesehenen Maßnahmen mit ihm beraten. „Aber der Einsatz von KI erfordert deshalb noch lange keine Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber muss frei darin bleiben, ob und welche KI-Software er einsetzt. Deshalb ist auch die automatische Hinzuziehung eines externen Sachverständigen beim Einsatz von KI abzulehnen. Kosten, die die Unternehmen zu tragen haben, dürfen nur dann vom Betriebsrat veranlasst werden, wenn im Gremium das notwendige Fachwissen fehlt.“, erläutert Dirk Pollert den Standpunkt der hessischen Wirtschaft. „Außerdem besteht die Gefahr von Tempoverlusten beim Ausloten der betrieblichen KI-Potenziale sowie bei der anschließenden Suche nach den richtigen KI-Lösungen. Diese Tempo- und Reibungsverluste wären äußerst gefährlich für die Wettbewerbsfähigkeit. Damit ist die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte hier besonders kontraproduktiv.“
Auch der geplante erweiterte Kündigungsschutz für die Initiatoren einer Betriebsratswahl ist aus Sicht der VhU zurückzuweisen, da die Erhöhung der Zahl geschützter Personen für das politische Ziel, mehr Betriebsräte wählen zu lassen, unbedeutend ist. „Gerade in einer Zeit, in der die Unternehmen sich neben der Digitalisierung um die Bewältigung der Corona-Pandemie durch erweiterte Möglichkeiten der Arbeit im Homeoffice, durch Schaffung von wirksamen Hygienekonzepten und letztlich durch die Zurverfügungstellung von Selbst- und PCR-Schnelltests kümmern müssen, darf es keine zusätzlichen Belastungen und immer neue bürokratische Hürden geben. Stattdessen wird in unnötiger Weise das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgedehnt und ohne Erfordernis aus der Praxis ein zusätzlicher Kündigungsschutz geschaffen.“
Der gesamte Gesetzentwurf ist aus Sicht der hessischen Wirtschaft nicht ausgereift und bedarf einer weiteren, viel grundlegenderen politischen Diskussion. „Die kostenmäßige Belastung unserer Unternehmen und weitere einschränkende Regelungen führen nicht zu mehr Akzeptanz der Betriebsverfassung in Deutschland. Es bedarf viel mehr einer zeitgemäßen und den Erfordernissen der Digitalisierung genügenden Neuregelung des gesamten Betriebsverfassungsrechts“, stellt VhU-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert klar. Und erklärt weiter: „Wie schon beim Lieferkettengesetz, der Homeoffice- oder Test-Pflicht, leitet die Politik anscheinend von wenigen schwarzen Schafen ausgehend einen Generalverdacht ab, statt zusammen mit den Arbeitgeberverbänden an handhabbaren, pragmatischen und zielführenden Lösungen zu arbeiten.“
VhU
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