Kammerpräsident Reichhold zieht bei Vollversammlung handwerkspolitische Bilanz. Meisterprämie freut Handwerker – Bürokratie lähmt die Betriebe. Bei der Vollversammlung äußerte Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, Kritik an den überbordenden sozialen Wohltaten in der Republik sowie an der weiteren Verschlechterung der Verkehrssituation in der Landeshauptstadt. Als Erfolg wertete er bei der Herbstkonferenz die Rückkehr zur Meisterpflicht in zwölf Gewerken sowie die Einführung der Meisterprämie in Baden-Württemberg. Der im Amt bestätigte Kammerpräsident kündigte zudem an, die digitalen Serviceleistungen der Kammer, wie das Kundenportal für die Mitgliedsbetriebe, weiter ausbauen zu wollen. Reichhold stellte die Ausgewogenheit der Entscheidungen der Bundesregierung in Frage.
Vor der Vollversammlung am Montag in Stuttgart betonte er, dass zu viele Maßnahmen im sozialpolitischen Bereich umgesetzt und auch finanziert werden müssten. „Das ist aus persönlicher Betrachtung heraus verständlich und erfreulich, finanziell jedoch fragwürdig.“ Aus Sicht des Handwerks fehlen flankierende Maßnahmen, die die Mehrausgaben kompensieren. Vor dem Parlament des Handwerks forderte Reichhold die Absenkung der Unternehmenssteuern und reduzierte Sozialabgaben. Auch über den Abbau von Bürokratie werde viel geredet, ankommen tue in den Betrieben nur wenig. So kosten die Vorfälligkeit von Sozialabgaben oder die Dokumentationspflicht zum Mindestlohn Geld und Nerven. Reichhold: „Ich wünsche mir endlich eine echte Wirtschaftspolitik, so dass wir Handwerker wieder mehr Luft zum Atmen bekommen.“
Bei der Wiedereinführung der Meisterpflicht in etlichen Gewerken ging der im Amt bestätigte Kammerpräsident auf einige Parallelen zu seiner Amtszeit ein. „In meinem ersten Wahljahr 2004 wurden durch die Novelle der Handwerksordnung 53 Gewerke meisterfrei gesetzt. Heute, 15 Jahre später, wurden die Folgen korrigiert und wir novellieren die Novelle.“ Es sei ja erfreulich, dass das Rad teilweise zurückgedreht wurde, weil die Qualität der Arbeit und die Ausbildung stark gelitten hätten. „Warum hat man die Argumente des Handwerks damals nicht ernst genommen?“, fragte Reichhold. Als „echten Erfolg“ bezeichnete der Kammerpräsident die Meister- und Gründungsprämie, die im Land im kommenden Jahr eingeführt wird. Auch die Erhöhung des Meister-BaföG mache die Fortbildung im Handwerk attraktiver.
Ein großes Sorgenkind bleibe die Verkehrssituation in Stuttgart. Es sei kein Ende der verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in Sicht. Reichhold: „Es sind vielmehr weiter verschärfte Maßnahmen in Planung.“ Deshalb ergebe sich für Unternehmer ein Dilemma, weil keine Klarheit bestehe, welche Fahrzeuge angeschafft werden sollen. Rund 15 telefonische Anfragen von Handwerkern würden jeden Tag bei der Handwerkskammer eingehen. „Das zeigt doch glasklar, dass an der Basis weder Planungs- noch Investitionssicherheit vorhanden sind.“
In seiner nun neu anlaufenden vierten Amtszeit als Präsident will Rainer Reichhold beim Thema eGovernment in der Handwerkskammer weitere moderne Strukturen schaffen. Alle Verwaltungsleistungen sollen bis Ende 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale angeboten werden.
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