14.08.2022 . Seit Beginn des Ukrainekriegs hätte die Ampelkoalition keine nennenswerten Schritte unternommen, um die Gasnachfrage für Gebäudeheizung und Industriewärme deutlich zu reduzieren, monierten anlässlich der am 1. Oktober beginnenden Heizperiode Verbände aus den Bereichen Verbraucher*innenschutz, Umwelt, Energieeffizienz und Energieberatung in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Wichtig seien dauerhaft wirkende Steigerungen der Energieeffizienz durch Investitionen in effizientere Gebäude, Unternehmen und öffentliche Infrastruktur. - Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF: „Das Thema Energieeffizienz war nie wichtiger als heute. Aber die Bundesregierung ist tatenlos. Wir haben uns als DENEFF der Energiesparkampagne der Bundesregierung angeschlossen, erleben jedoch sogar das Gegenteil von dessen, was politisch notwendig wäre. Statt das bereits im Februar angekündigte Energieeffizienzgesetz auf den Weg zu bringen, wurden nun die Fördermittel für die Gebäudesanierung drastisch gekürzt. Im Industriebereich stockt die Förderung bereits seit Monaten. Dabei ist es wichtig, Investitionen in Maßnahmen anzustoßen, die Haushalte und Unternehmen dauerhaft aus der Energiekostenfalle befreien – und zwar ohne Frieren und Produktionseinschränkungen. Energieeffizienz muss ebenso wie der Ausbau der Erneuerbaren als übergeordnetes öffentliches Interesse vorangebracht werden“.
Vorschläge für ein Energiesparpaket hatte die DENEFF bereits im März gemacht.
Im Juni hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem breiten Verbändebündnis die Kampagne "80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel" ins Leben gerufen. Dr. Thomas Engelke, Teamleiter Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband reicht das nicht: „Energiesparen muss gemeinschaftlich erfolgen: Industrie, Handel und Gewerbe, der öffentliche Sektor und die privaten Haushalte müssen jetzt alles tun, um Energie, insbesondere Gas zu sparen. Energiesparappelle allein reichen aber nicht aus, um private Haushalte mittel- und langfristig von hohen Gas- und Energiepreisen zu entlasten, denn sie führen nicht zu den notwendigen strukturellen Investitionen in mehr Energieeffizienz bei der Gebäudehülle und in den schnellen Austausch von fossilen Heizungen. Daher muss die Gebäudehülle der schlechtesten Gebäude jetzt angefasst und energetisch saniert werden. Die Bundesregierung darf nicht auf Brüssel warten, hier entsprechende Standards zu setzen. Es sind über 20 Mrd. Euro erforderlich, um eine ambitionierte Gebäudesanierung in Ein- und Mehrfamilienhäusern umzusetzen.“
“Die Energiewende ist durch Putins Angriff auf die Ukraine und auf Europas Energieversorgung umso wichtiger geworden. Von Anfang an fußt die Energiewende auf drei Säulen aus: Mehr Erneuerbare, mehr Einsparung, mehr Effizienz. Doch statt die Energiewende als Ganzes anzugehen, lässt auch die Ampel die Einsparungen und die Effizienz stiefmütterlich links liegen. Doch hier entscheidet sich die Versorgungssicherheit – und nicht an der Frage, ob einzelne Atomkraftwerke länger laufen sollten. Genau deshalb ist es mehr als fahrlässig, wenn einzelne Regierungsvertreter eine rechtlich absolut unsichere Laufzeitverlängerung ins Gespräch bringen, statt die wirklichen Probleme anzugehen. Wir brauchen endlich mehr Mut zum Ordnungsrecht. Vor allem dort, wo sich Maßnahmen ohnehin lohnen: Heizungsoptimierungen, Sanierung der schlechtesten Gebäude, Umsetzung von wirtschaftlichen Maßnahmen in der Industrie“, bekräftigt Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR). „Je länger die Bundesregierung jetzt zögert, desto höhere Kosten kommen auf uns zu: auf jeden einzelnen und auf die Gesellschaft“, so Niebert weiter.
Benjamin Weismann, Geschäftsführer des Energieberaterverbands GIH: „Mit Blick auf die teilweise drastisch gestiegenen Lebens-, Zins- und Energiekosten benötigen Verbraucherinnen und Verbraucher Investitionssicherheit. Die plötzliche, harte Konditionsverschlechterung bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und vorausgegangene Förderstopps beim Neubau haben die Akzeptanz für energetisches Bauen und Sanierung am Markt stark geschwächt. Es braucht eine eindeutige Zusage der Bundesregierung in Sachen Energieeffizienz und langfristig ausgelegte Förderung.“ Der GIH kritisiert zudem, dass die Bestimmungen zum Wärmeschutz bei Neubauten in der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) aufgeweicht wurden.
Nach Schätzungen einer Studie des Exzellenzclusters ECONtribute muss Deutschland 20 bis 25 Prozent Erdgas in dieser Heizperiode einsparen.
Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF), Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Energieberaterverband GIH
Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. - DENEFF
Kirchstr. 21 - 10557 Berlin
Staat muss Verfahrensabläufe beschleunigen
Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. mahnt zur Bewältigung der Energiekrise noch schnellere und unbürokratischere Verfahrensabläufe an. „Wir stehen vor historischen Herausforderungen. Wirtschaft und Verbraucher tragen ihren Teil zum Gas- und Energiesparen bei. Nun muss der Staat die Voraussetzungen für eine rasche Umsetzung der Transformation schaffen“, sagte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.
Die vbw hält es beispielsweise für nicht akzeptabel, dass die gesetzlichen Grundlagen, um das erste Kohlekraftwerk aus der Reserve zu holen, erst sehr spät geschaffen wurden. „Auch der Fuel-Switch, also der Brennstoffwechsel von Gas auf einen anderen Energieträger, ist für die Unternehmen mit zu vielen bürokratischen Hürden verbunden. Wir verlieren beim Durchlaufen des imissionsschutzrechtlichen Genehmigungsprozesses zu viel Zeit“, so Brossardt. Daher setzt sich die vbw für weitere Erleichterungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und im Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG) ein.
Die vbw plädiert zudem für wesentlich schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren etwa für Windräder und Stromnetze. „Das ist zentral für den zu beschleunigenden klimafreundlichen Umbau des Landes. Die kürzlich verabschiedeten Erleichterungen, zum Beispiel die Einführung des überragenden öffentlichen Interesse an erneuerbaren Energien und Verteilnetzen, gehen in die richtige Richtung. In den kommenden acht Jahren gehen wir davon aus, dass Bund und Länder bis 2030 je rund 20.000 Genehmigungen sowohl für Industrieanlagen als auch für Windräder erteilen müssen. Die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbarte Halbierung der Verfahrensdauer ist dafür völlig unzureichend“, sagte Brossardt.
Insgesamt ist es nach seinen Worten notwendig, die Verfahrensdauern deutlicher zu reduzieren und die öffentliche Verwaltung stärker zu digitalisieren. Brossardt: „Wir brauchen effizientere Verfahren. Dazu gehört auch, Kontrollen schwerpunktmäßig auf bestimmte Stichproben zu begrenzen. Auch der Konflikt zwischen Umwelt- und Klimaschutz muss auf allen Ebenen gelöst werden. Zu lange Verfahren sind teuer, wettbewerbsschädlich und nachteilig nicht nur zur Sicherstellung der künftigen Energieversorgung, sondern auch für das Erreichen der klimapolitischen Ziele. Das können wir uns in der gegenwärtigen Lage nicht leisten.“
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