07.08.2021 - Nach der Lockerung der Corona-Maßnahmen hat sich die Geschäftslage der Handwerksbetriebe im Bezirk der Handwerkskammer Wiesbaden erholt. Fast die Hälfte der Betriebe melden Kammerpräsident Stefan Füll zufolge eine gute Geschäftslage. „Erfreulicherweise können die Handwerksgruppen, die zuvor besonders stark unter den Corona-bedingten Einschränkungen zu leiden hatten, endlich wieder einen Erholungskurs einschlagen“, so Füll. Nun seien es die Kfz- und Lebensmittelbetriebe sowie die personenbezogenen Dienstleister, die die konjunkturelle Belebung vorantreiben würden. Das Baugewerbe wirke aktuell nicht mehr als Treiber der Konjunkturerholung. Lieferengpässe und steigende Kosten für Baumaterialien haben eine dynamische Entwicklung der Baubetriebe gebremst. Die Zahl von Betrieben, die höhere Einkaufspreise melden, ist so groß wie noch nie. Füll: „Seit Ende März sorgen stark steigende Einkaufspreise und Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten für Sorgenfalten im Handwerk.“ Im April und Mai hat diese Entwicklung weiter an Dynamik gewonnen. Betroffen sind vor allem Bauholz, Stahl und andere Metalle.
Aber auch im Kunststoffbereich, etwa bei Dämmmaterial oder Erdölprodukten wie Bitumen, sorgt die Knappheit für steigende Preise. Selbst eher einfache Produkte wie Kunststoffrohre sind derzeit schwierig zu bekommen und teurer als sonst. Die Kosten für Energie und Lebensmittel ziehen ebenfalls an. Für viele Betriebe ist dieser Preisauftrieb ein Ertragsrisiko, denn es gibt teilweise wenig Spielraum bei der Preisgestaltung, so dass steigende Kosten nicht oder nur teilweise an die Kunden weitergeben werden können.
Ausblick: Die Unsicherheit ist groß - noch keine Aufbruchsstimmung spürbar
„Gegenüber dem 1. Quartal haben sich zwar viele Konjunkturindikatoren erholt, trotzdem kann man nicht gerade von einer ‚Aufbruchsstimmung‘ sprechen“, stellte der Kammerpräsident fest. Trotz steigender Umsätze und mehr Optimismus bei den Betrieben steht der Ausblick für das zweite Halbjahr auf wackeligen Beinen. Sollten Baustoffe weiter knapp und teuer bleiben, könnte die begonnene Konjunkturerholung ernsthaft ins Stocken geraten. Viel wird davon abhängen, ob es gelingt, eine vierte Infektionswelle zumindest abzuschwächen. „Wir setzen darauf, dass eine steigende Impfquote hilft, einen weiteren Lockdown zu verhindern“, betont Füll. „Jetzt kommt es darauf an, dass sich noch mehr Menschen impfen lassen, auch im Interesse der Kinder und Jugendlichen. Der Schulstart nach den Ferien muss klappen.“
Weiterer Rückgang der Ausbildungszahlen im zweiten Corona-Jahr
Bei den neu eingetragenen Ausbildungsverträgen meldet die Handwerkskammer Wiesbaden im Kammerbezirk zum Stichtag 31. Juli 2021 einen Rückgang von 2.077 auf 1.988 Lehrverträgen (-89). Dies entspricht einem Minus von 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Demgegenüber stehen aktuell 490 freie Lehrstellen in der Lehrstellenbörse. Der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Pott bestätigte, dass die Corona-Krise weiterhin Auswirkungen auf den handwerklichen Ausbildungsmarkt hat. „Schon im ersten Corona-Jahr war Berufsorientierung in Form von Ausbildungsmessen, Betriebsbesichtigungen oder Praktika nicht möglich. So fehlten für Schülerinnen und Schüler wichtige Gelegenheiten, Handwerk vorzustellen und zu erleben“, so Dr. Pott. Seiner Überzeugung nach darf es 2021 keinen „zweiten Corona-Jahrgang“ geben. „Wir müssen an das Jahr 2019 anknüpfen mit rd. 3.600 neuen Lehrverträgen zum Jahresende, 2020 waren dies nur knapp über 3.300 Verträge. Alle Ausbildungsberufe des dualen Systems waren betroffen, nicht nur im Handwerk, auch in der Industrie.“
Die nächsten Monate bieten zahlreiche Gelegenheiten zur Berufsorientierung, für mehr als 130 Handwerksberufe auch unter den Corona-Einschränkungen. Die Handwerkskammer Wiesbaden versuche zusammen mit Innungen und Kreishandwerkerschaften auch alle digitalen Möglichkeiten zu nutzen, um Betriebe und Jugendliche zusammenzubringen. Gut angenommen würden die regional angebotenen digitalen Elternabende, aber auch die „Whatsapp-Sprechstunde“ der Ausbildungsberater und der kammereigene „MacherPodcast“ würde von Schülerinnen und Schülern gut genutzt. Hinzu kommen die an der Zahl wieder zunehmenden Praktika direkt in den Betrieben und auch die „Ferienwerkstatt“, die in den kammereigenen Berufsbildungszentren in Wiesbaden und Wetzlar durchgeführt werde. „Auch an dem bundesweiten ‚Sommer der Berufsbildung‘ beteiligen wir uns und hoffen so, noch so manchen Jugendlichen von einer Karriere mit Lehre überzeugen zu können“, so der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer.
foto:amh
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