13.05.2022 - IHK-Fachgespräch -Die Gas-Lieferstopps von Russland nach Polen und Bulgarien haben gezeigt, wie unberechenbar die Versorgung Europas infolge des Krieges in der Ukraine geworden ist. Mit der Ausrufung der „Frühwarnstufe“ des Notfallplans Gas für die Bundesrepublik Deutschland am 30. März durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wurde der erste Schritt für eine mögliche staatliche Regelung der Energieversorgung unternommen und der Notfallplan praktisch in Kraft gesetzt. Der aktuelle Stand zu seiner Umsetzung und die entsprechenden Auswirkungen standen im Mittelpunkt eines Fachgesprächs von rund 30 heimischen Unternehmensvertretern mit Versorgern sowie Netzbetreibern, zu dem die IHK Siegen eingeladen hatte. „Der Notfallplan ermöglicht den Behörden, bei gravierenden Marktverwerfungen und Versorgungskrisen weitreichende Eingriffe in den Markt vorzunehmen, um die Gasversorgung zu sichern“, erläuterte Roger Schmidt, Leiter des Referats Technologie, Energie, Umwelt bei der IHK. In der Frühwarnstufe gehe es zunächst darum, wichtige Vorkehrungen zu treffen. So sei ein Krisenstab im Bundeswirtschaftsministerium eingesetzt worden und es würden Hinweise zur Gasmangellage erfasst, um die Gesamtversorgung gewährleisten zu können. Neben der Frühwarnstufe sehe der Notfallplan eine „Alarmstufe“ vor, in der bereits Störungen vorlägen, der Markt sich aber noch selbst helfen könne. Erst in der „Notfallstufe“ schreite der Staat in den Markt ein.
Auch wenn es so weit noch nicht ist: Am Ernst der Lage dürfe kein Zweifel bestehen, hob Thomas Mehrer, Geschäftsführer der Siegener Versorgungsbetriebe GmbH (SVB), hervor: „Sollte ein Lieferstopp kurzfristig auch für Deutschland eintreten, kann dies erhebliche Schäden wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art nach sich ziehen. Ein kurzfristiger Ausfall russischer Gaslieferungen kann derzeit nicht aufgefangen werden.“ Einig waren sich die Teilnehmer in der Einschätzung, dass ein Embargo beträchtliche Konsequenzen für die Gasversorgung in der Region zur Folge hätte.
Die Region wird vor allem durch zwei Ferngasleitungen versorgt. Alleine bei den SVB sind hierüber rund 25.000 Hausanschlüsse angebunden. „Das Abtrennen von Anschlüssen muss möglichst verhindert werden. Die Wiederinbetriebnahme setzt immer einen Technikereinsatz voraus – in der dann zu erwartenden Größenordnung kann das kaum gewährleistet werden“, zeigte sich Thomas Mehrer besorgt. Ziel müsse sein, die angeschlossenen und geschützten Kunden auch in der sogenannten „Notfallstufe“ so lange wie möglich zu versorgen.
Gros der Unternehmen „geschützte Kunden“
Zu den „geschützten“ Kunden zählen nach dem Energiewirtschaftsgesetz neben den Haushalten auch weitere Letztverbraucher im Erdgasverteilernetz, bei denen Standardlastprofile angelegt werden. Dazu gehören die allermeisten Unternehmen in der Region. Nur sehr wenige heimische Unternehmen sind Gasgroßverbraucher, die mehr als 10 MWh/h nachfragen und somit als „nicht-geschützte“ Betriebe gelten. Sie werden derzeit von der Bundesnetzagentur angeschrieben, um sie zu registrieren und damit die Bundesnetzagentur insbesondere in der Entscheidung über erforderliche Versorgungsreduktionen zu unterstützen. Deutlich wurde in der Diskussion: Anders als in der Pandemie gibt es hier keine Unterscheidung nach „systemrelevanten“ Unternehmen.
So oder so gelte bei einer Gasmangellage: Abschalten ist das letzte Mittel. Häufig könne die Gasmenge mit Augenmaß reduziert werden, ohne dass es zu einem Schaden komme. Denkbar sei auch, dass in einem Betrieb andere, weniger wichtige Gasnutzungen zurückgefahren werden können.
„Jedes Unternehmen kann einen Beitrag leisten, die Versorgung von geschützten und nicht-geschützten Verbrauchern in der Notfallstufe so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, indem es – wo immer möglich – Gas einspart. Damit schaffen wir die beste Ausgangslage für den Fall der Fälle, von dem wir nicht hoffen, dass er eintritt“, so Thomas Mehrer.
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